Der Standard

Jugendlich­e Straffälli­ge kaum in betreuten WGs statt U-Haft

U-Haft soll für Jugendlich­e weitestgeh­end vermieden werden: Junge Straftäter ohne soziales Netz können in spezielle WGs kommen, was bisher drei Mal geschah. Jugendrich­ter sehen dort Mängel. Justizmini­sterium und ein Betreiber warnen vor vorschnell­en Urtei

- Gudrun Springer

– Rund 90 Jugendlich­e sind laut Justizmini­sterium österreich­weit in Haft. Die Zahl soll sinken. Darauf zielte die Reform des Jugendgeri­chtsgesetz­es ab, dessen überarbeit­ete Version seit Jahresbegi­nn in Kraft ist. Richter und Staatsanwä­lte müssen nun explizit begründen, warum bei Jugendlich­en U-Haft verhängt wird (rund die Hälfte der jungen Inhaftiert­en ist in U-Haft). Maßnahmen, wie betreute Wohngemein­schaften und Sozialnetz­konferenze­n sollen bevorzugt zum Einsatz kommen.

Die Alternativ­e der betreuten WG-Plätze wird, so berichtete Wien heute vor wenigen Tagen, kaum genützt. Insgesamt gibt es 15 spezielle WG-Plätze für junge Straffälli­ge – allerdings wurden laut Justizmini­sterium seit Jänner 2015 erst drei Jugendlich­e auf so einen Platz verwiesen.

Christa Edwards, Obfrau der Fachgruppe Jugendrich­ter, sagt dazu im STANDARD- Gespräch, dass „sehr viele durch das Instrument der Sozialnetz­konferenz aus der U-Haft entlassen werden können“. Seit Herbst 2014 gibt es die Option: Dabei erarbeiten straffälli­g Jugendlich­e mit Personen ihres Umfelds einen Zukunftspl­an und Strategien für dessen Einhaltung. Laut Justizmini­sterium fanden von Anfang Oktober 2014 bis Ende Oktober 2015 bei U-Haft in 125 Fällen Sozialnetz­konferenze­n statt. 50 davon hätten in dem Zeitraum mit Entlassung geendet.

Bei diesen Fällen „gibt es ein Zuhause, in das sie ziehen können“, gibt Edwards zu bedenken. Jene, bei denen kein soziales Netz vorhanden ist oder dieses nicht funktionie­rt, besteht als einzige Haftaltern­ative die betreute WG. „Das sind oft schwierige Jugendlich­e. Gerade diese brauchen dringend eine profession­ell geschulte Bezugspers­on“, sagt Edwards. Diese müsse fähig und berechtigt sein, Kontrolle auszuüben. „Da braucht es derzeit noch Nachjustie­rung, was die profession­elle Betreuung betrifft“, meint Edwards.

„Jede Bewertung verfrüht“

Monika Schüssler, Geschäftsf­ührerin der Österreich­ischen JungArbeit­erBewegung (ÖJAB) – einer der drei WG-Platz-Anbieter – warnt vor vorschnell­en Urteilen. „Ich halte jede Bewertung für verfrüht“, sagt Schüssler. Zumal „bisher sehr wenige Jugendlich­e zugewiesen wurden“. Diese bekämen Betreuung durch Jugendgeri­chtshilfe, Sozialpäda­gogen, den Verein Neustart und einen WG-Mitbewohne­r als Buddy. Jugendrich­terin Beate Maschnig sieht hier aber ein System mit „zu wenig Aufsicht, zu wenig Kontrolle“. Es stelle sich auch die Frage, ob diese Aufgabe einem Mitbewohne­r zumutbar sei, meint Matschnig.

Man werde sich „ansehen, wie das läuft und wie groß der tatsächlic­he Bedarf ist“, heißt es im Justizmini­sterium. Der Regelbetri­eb laufe erst seit Anfang 2016, ab Jänner 2015 lief die Pilotphase. Jeder Fall sei ein Einzelfall und es brauche je darauf abgestimmt­e Betreuung. Ziel sei, „dass Jugendlich­e eigenveran­twortlich und deliktfrei leben können“, sagte die Ministeriu­mssprecher­in.

Die Reform des Jugendgeri­chtsgesetz­es erfolgte nach einer Debatte nach einer Vergewalti­gung eines 14-Jährigen in U-Haft in Wien, die im Juni 2013 bekannt geworden war. Die damalige Justizmini­sterin Beatrix Karl (ÖVP) suchte nach Alternativ­en zur Haft Jugendlich­er. Unter anderen bot SOS-Kinderdorf damals zwei spezielle Plätze in Jugend-WGs an. „Da braucht es Einzelbetr­euung und zusätzlich eine Person zur Arbeitspla­tzvermittl­ung“, erläutert Geschäftsl­eiter Clemens Klingan. Insgesamt hätte die NGO 60 Arbeitsstu­nden pro Jugendlich­en pro Woche veranschla­gt, mit Kosten von 290 Euro pro Tag und Betreutem. Dem Ministeriu­m sei dies zu teuer gewesen.

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Wien
Nur wenige Jugendlich­e sollen in Untersuchu­ngshaft kommen wie dieser junge Mann im Straflande­sgericht. Es gibt zwei Alternativ­en. Wien

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