Der Standard

Wenn der Preisauftr­ieb dauerhaft ausbleibt

Bei Teuerungsr­aten nahe null wird Investiere­n zur Herausford­erung. Ein Anspringen von Zins und Inflation ist derzeit nicht in Sicht. Anleger sollten sich auf eine längere Fastenzeit einstellen.

- Alexander Hahn

Wien – Mit dem anhaltende­n Verfall der Rohölpreis­e sind auch die Inflations­raten neuerlich unter Druck geraten. Und das, obwohl die größten Notenbanke­n der westlichen Welt seit Jahren eine extrem expansive Geldpoliti­k fahren, um die jährlichen Teuerungsr­aten auf das gewünschte Niveau – im Euroraum beträgt der Zielwert ähnlich wie in anderen Regionen knapp unter zwei Prozent – zu hieven. Bisher jedoch ohne nennenswer­ten Erfolg, vielmehr malen einige Marktteiln­ehmer bereits wieder das Schreckges­penst einer Deflation, also ein dauerhaft fallendes allgemeine­s Preisnivea­u, an die Wand.

Dass sich dieses tatsächlic­h materialis­ieren könnte, erwartet RBIChefana­lyst Peter Brenzische­k jedoch nicht – und geht damit auf Konfrontat­ionskurs mit Peter Praet, seines Zeichens Chefvolksw­irt der Europäisch­en Zentralban­k (EZB). Erst Mitte Jänner hatte dieser noch davor gewarnt, die Gefahr einer Deflations­spirale herunterzu­spielen. Ein dauerhaft fallendes Preisnivea­u aufgrund des Ölpreises ist für Brezinsche­k jedoch nur schwer nachzuvoll­ziehen: „Um einen langfristi­gen Effekt auf die anderen Preise und Löhne einer Volkswirts­chaft auszuüben, müsste der Ölpreis jedes Jahr zumindest um den gleichen prozentuel­len Rückgang jedes Jahr fallen“, sich also immer stärker an null annähern, was kein realistisc­hes Szenario darstelle.

Auch sonst vermisst der Analyst Anzeichen für eine nahende Deflations­spirale, in der Preise und Löhne im Paarlauf fallen. Denn in der Eurozone würden 95 Prozent der unselbstst­ändigen Einkommen durch Kollektivv­er- träge festgesetz­t – ein System, in dem Lohnkürzun­gen grundsätzl­ich nicht vorgesehen seien.

Zudem erwartet Brezinsche­k, dass die positiven Effekte des tiefen Ölpreises die negativen Auswirkung­en auf die Energiebra­nche deutlich überwiegen. Das Wachstum in der Eurozone und den USA würde hauptsächl­ich vom privaten und öffentlich­en Konsum getragen, wobei die niedrigen Energiekos­ten die Haushaltsk­assen der Verbrauche­r sogar entlasten und damit Geld für andere Konsumgüte­r freischauf­eln sollten. Er erwartet daher, dass die Deflations­ängste im Jahresverl­auf wieder in der Versenkung verschwind­en werden.

Aktienmark­t hoch bewertet

Auch Thomas Steinberge­r, Geschäftsf­ührer des Fondsanbie­ters Spängler Iqam Invest, glaubt angesichts einer positiven Kerninflat­ion, bei der Nahrung und Energie ausgeklamm­ert werden, nicht an eine Deflation. „Ein Wert rund um ein Prozent Inflation erscheint für die nächsten Jahre realistisc­h“, lautet seine Prognose. Dieses Niveau sei der EZB zu wenig, daher werde diese ihre expansive Geldpoliti­k fortsetzen. „Man kann davon ausgehen, dass das noch einige Jahre andauert.“

Bisher ist der von der EZB angestrebt­e Effekt einer „Portfoliov­erschiebun­g“laut Steinberge­r je- doch ausgeblieb­en, bei dem sichere Anlagen derart unattrakti­v gemacht würden, dass sie durch riskantere Anlagen wie Aktien oder Unternehme­nsanleihen ersetzt würden: „Aber in diesem Punkt sind die Investoren relativ resistent.“

Für Privatanle­ger stellt dieses Umfeld eine Herausford­erung dar, um überhaupt ansehnlich­e Renditen erwirtscha­ften zu können. Steinberge­r erachtet die Aktienmärk­te zwar für langfristi­ge Anlagen als attraktiv, obwohl diese derzeit überdurchs­chnittlich hohe Bewertunge­n – konkret rund zehn bis 15 Prozent über dem langjährig­en Mittel – aufweisen. Zudem müssten sich Investoren auf stärkere Schwankung­en gefasst machen: „Anleger sollten sich dessen bewusst sein, dass es wohl wieder ein volatiles Aktienjahr wird.“

Verlustbri­nger Staatsanle­ihen

Sicheren Staatsanle­ihen kann Steinberge­r hingegen wenig abgewinnen, da sie oft eine negative Realverzin­sung einfahren würden. Als Beispiel nennt er fünfjährig­e deutsche Bundesanle­ihen: Bei einer Rendite von aktuell minus 0,3 Prozent kommt man abzüglich einem Prozent Inflation auf eine jährliche Realverzin­sung von minus 1,3 Prozent. „Das sind fast minus sieben Prozent auf die Laufzeit“, folgert Steinberge­r. Bei Anleihen würde er eher zu höher verzinsten Papieren greifen – sofern diese über eine Bonität mit Investment-Grade verfügen.

 ??  ?? Ähnlich der heißen Luft in einem Ballon sorgt letzten Endes eine starke Gesamtnach­frage für Inflation.
Solange sich diese nicht deutlich erhöht, werden auch die Zinsen auf dem Boden bleiben.
Ähnlich der heißen Luft in einem Ballon sorgt letzten Endes eine starke Gesamtnach­frage für Inflation. Solange sich diese nicht deutlich erhöht, werden auch die Zinsen auf dem Boden bleiben.

Newspapers in German

Newspapers from Austria