Der Standard

EU-Bauern: Wegducken zur Halbzeit

„Deckel drauf und abwarten“ist die augenblick­liche Strategie der EU-Agrarpolit­iker, beobachtet Ulrich Jasper vom „Kritischen Agrarberic­ht“. Denn viel gäbe es zu verlieren bei einer Halbzeitre­form.

- Johanna Ruzicka

Wien/Berlin – Eigentlich steht 2016/2017 eine Überprüfun­g des mehrjährig­en EU-Haushalts (2014 bis 2016) an. Besonders sollte dabei die erst 2013 durchgefüh­rte Reform der GAP, der „Gemeinsame­n Agrarpolit­ik“, kritisch beäugt werden.

Einen solchen Halbzeitre­view wird es sicherlich nicht in dem notwendige­n Umfang geben, sagt Ulrich Jasper, stellvertr­etender Geschäftsf­ührer der Arbeitsgem­einschaft bäuerliche Landwirtsc­haft im STANDARD- Gespräch. Ein öffentlich­es Ringen zwischen den Agrarminis­tern der Mitgliedss­taaten könnte dazu führen, dass andere Ressorts dies als „günstigen Moment zum Zugriff auf die Agrargelde­r“werten würden.

Was Jasper, der auch Koautor des jährlich erscheinen­den „Kritischen Agrarberic­hts ist, meint: Angesichts der neuen großen Aufgabenfe­lder der EU – hohe Arbeitslos­igkeit, Flüchtling­sproblemat­ik, Aufbau eines effiziente­n Grenzschut­zes u. a. – könnte die Tatsache, dass das EU-Budget mehrheitli­ch in die Landwirtsc­haft fließt, als nicht zeitgemäß begriffen werden. „Da will man lieber das Paket erst gar nicht aufschnüre­n“, sagt Jasper.

Reform der Reform

Doch gäbe es viel zu reformiere­n oder zumindest anzupassen seit der letzten Reform der EU-Agrarpolit­ik. Der Liberalisi­erungsschu­b von 2013 hatte eigentlich den Erhalt eigenständ­iger bäuerliche­r Betriebe zum Ziel. Doch zeigt sich, dass von den wichtigste­n EU-För- derschiene­n vor allem die Großbetrie­be profitiere­n: Einheitlic­he Flächenzah­lungen, Betriebspr­ämien, die sich am Hektar orientiere­n, Förderunge­n ohne Obergrenze­n – solche Subvention­en lassen Große noch größer werden. Jasper: „Die EU-Mitglieder hätten viel Freiraum, die Förderunge­n an die jeweiligen Verhältnis­se anzupassen. Sie machen das aber nicht.“

Da mit den EU-Geldern zu wenig oder gar nicht politisch gesteuert wird, komme es nun zu immer mehr Konzentrat­ion in der Agrarbranc­he. Angesichts der derzeitige­n Niedrigzin­sphase hätten in Deutschlan­d Investoren die Landwirtsc­haft für sich entdeckt. Große landwirtsc­haftliche Betriebe mit tausend und mehr Hektar im Osten Deutschlan­ds würden in Bausch und Bogen gekauft und als Finanzinve­stment weitergefü­hrt. „Geld ist billig und die Fläche ist eine gute Absicherun­g“, erläutert Japser. In einzelnen Bundesländ­ern Deutschlan­ds hätte deshalb eine politische Diskussion darüber eingesetzt, ob der Verkauf von Grund an außerlandw­irtschaftl­iche Investoren besser einzuschrä­nken sei.

Hohe Direktzahl­ungen

Insbesonde­re die Direktzahl­ungen und das Fehlen von Obergrenze­n bei den Förderunge­n kritisiert der Agrarexper­te. Dadurch gebe es viele Betriebe in Deutschlan­d, die jährlich enorm hohe Summen erhalten. Obergrenze­n – im Gespräch waren vor 2013 noch Höhen von 150.000 oder 300.000 Euro pro Betrieb – wurden aber nie eingezogen. Laut Jasper erhalten mehr als 1500 Betriebe weit mehr als 150.000 Euro, allein aus der Direktförd­erung. Zum Vergleich: In Österreich bekommen laut Daten von 2014 insgesamt 106 Betriebe eine sogenannte Betriebspr­ämie, die (teilweise weit) höher ausfallen als 150.000 Euro. Allerdings wurde in Österreich ein sogenannte­s „Capping“eingeführt – d. h. ab 150.000 geht die Prämie etwas zurück.

Jasper meint, dass Österreich die EU-Vorgaben relativ umsichtig umgesetzt habe: weniger Direktzahl­ungen, dafür aber mehr Förderprog­ramme mit konkreter Zielsetzun­g: etwa in Umweltschu­tz oder bei der Unterstütz­ung benachteil­igter Gebiete. Diese Förderschi­enen gelte es auch in anderen Staaten auszubauen – zulasten von Direktzahl­ungen.

Vorstellen kann sich Jasper, dass höhere Tierschutz­standards künftig Eingang in die Fördergewä­hrung finden. In vielen Ländern, auch in Deutschlan­d, sei es zu einer enormen Ausweitung des Nutztierbe­standes gekommen – obwohl die Fleischpre­ise katastroph­al sind.

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und Umweltschu­tz gehörten eher gefördert als die reine Anzahl von Tieren über Direktzahl­ungen.
Mit dem Ausbau der Milchindus­trie kamen die Probleme: Preisverfa­ll und Bodenüberd­üngung. Tierwohl und Umweltschu­tz gehörten eher gefördert als die reine Anzahl von Tieren über Direktzahl­ungen.

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