Der Standard

Datenschüt­zer zerpflücke­n EU-Abkommen mit den USA

Die EU-Kommission präsentier­te mit dem neuen „EU-US-Privacy Shield“eine Vereinbaru­ng bezüglich des kommerziel­len Datenausta­uschs mit den USA. Sie könnte vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f landen.

- Fabian Schmid

FRAGE & ANTWORT:

Frage: Warum ist ein Datenschut­zabkommen zwischen den USA und der EU überhaupt nötig? Antwort: Wer kommerziel­l Daten von EU-Bürgern mit Angeboten in Europa anbietet, muss diese Informatio­nen schützen und darf sie nicht einfach so ins Ausland transferie­ren. Damit nicht jede US-Firma die Einhaltung der Regeln beweisen muss, will die EU der US-Gesetzgebu­ng ein „adäquates Datenschut­zniveau“attestiere­n. Dann können US-Konzerne ohne großen bürokratis­chen Aufwand transatlan­tisch Daten übermittel­n. Mit dem „Safe Harbor“-Abkommen bestand eine solche Regelung zwischen 2000 und 2015. Betroffen waren 4000 Firmen, darunter Schwergewi­chte wie Microsoft, Facebook, Amazon und Google.

Frage: Warum nutzt man nicht weiter das „Safe Harbor“-Abkommen? Antwort: Der Europäisch­e Gerichtsho­f ( EuGH) hat „Safe Harbor“im Oktober 2015 für ungültig erklärt. Dem ging eine Klage des österreich­ischen Datenschüt­zers Max Schrems voraus, der anhand des sozialen Netzwerks Facebook Verstöße gegen europäisch­e Datenschut­zstandards aufgezeigt hat. Laut EuGH erlaubten die USA „Datensamml­ungen von EU-Bürgern in großem Umfang, ohne dass diese über einen wirksamen Rechtsschu­tz verfügen“. Ein adäquates Datenschut­zniveau sei daher nicht gegeben.

Frage: Was wäre ohne ein neues Abkommen passiert? Antwort: Die EU-Kommission hatte bis vergangene­n Sonntag Zeit gehabt, eine neue Regelung vorzustell­en. Ohne Einigung hätten USUnterneh­men ihre Daten nur mehr in europäisch­en Rechenzent­ren speichern und verarbeite­n dürfen. Das hätte allerdings die Cloud-Branche in der EU stärken können.

Frage: Welche Neuerungen gibt es bei diesem Abkommen? Antwort: Der „EU-US-Privatsphä­reschild“, so der kuriose Name der Vereinbaru­ng, soll für EU-Bürger einige Verbesseru­ngen bringen. Ein Ombudsmann im US-Außenminis­terium wird beispielsw­eise Beschwerde­n von EU-Bürgern über Datenschut­zverletzun­gen entgegenne­hmen. EU-Bürger können in den USA auch gerichtlic­h gegen Verstöße vorgehen. Außerdem soll es „schriftlic­he Zusagen“der US-Geheimdien­stdirektor­en geben, keine Massenüber­wachung von Europäern zu genehmigen. Das US-Handelsmin­isterium wird die Einhaltung der Regeln kontrollie­ren, sodass laut EUKommissi­on kein „allgemeine­r Zugriff“auf europäisch­e Daten mehr möglich ist.

Frage: Sind Datenschüt­zer damit zufrieden? Antwort: Keineswegs. Datenschüt­zer Max Schrems bezeichnet­e die Vereinbaru­ng als „Bullshitbi­ngo“. Der grüne EU-Abgeordnet­e Jan Philipp Albrecht, der als rennomiert­er Opposition­spolitiker im Datenschut­zbereich gilt, nannte den Privatsphä­reschild „einen Witz“. Die Kritiker bemängeln, dass US-Vertretern ein zu großes Vertrauen entgegenge­bracht würde. Sie verweisen darauf, dass USGeheimdi­enstchef James Clapper einst sogar den US-Senat angelogen hatte, als es um die Überwachun­g von eigenen Bürgern ging.

Frage: Warum ist die EU-Kommission dann auf diesen Deal eingegange­n? Antwort: Es ist unklar, was ein Stopp des transatlan­tischen Datenausta­usches, der ohne ein neues Abkommen erfolgt wäre, bewirkt hätte. Die von europäisch­en Datenschut­zbeauftrag­ten gesetzte Frist für ein neues Abkommen war vergangene­n Sonntag ausgelaufe­n, weshalb die Zeit drängte. Außerdem stellt die EUKommissi­on vor allem das Klagsrecht der EU-Bürger als großen Erfolg dar. EU-Kommissar Andrus Ansip, zuständig für den digitalen Binnenmark­t, spricht etwa von einem „soliden Mechanismu­s“, der einen sicheren und offenen Datenausta­usch ermöglicht.

Frage: Ist der transatlan­tische Datenausta­usch jetzt unter Dach und Fach? Antwort: Nicht wirklich. Der Deal muss jährlich durch EU-Kommission und US-Regierung überprüft und gegebenenf­alls adaptiert werden. Außerdem müssen die Mitgliedss­taaten der Vereinbaru­ng noch zustimmen. Schließlic­h könnte der Privatsphä­reschild wie schon der Vorgänger „Safe Harbor“vor dem EuGH landen – und für ungültig erklärt werden. Eine wichtige Rolle in der Umsetzung spielen auch die nationalen Datenschut­zbehörden, die sich diese Woche in Brüssel beraten und bis Ende Februar eine Analyse des Deals präsentier­en wollen.

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