Der Standard

Generöse Abgastests für Dieselauto­s

EU-Parlament genehmigt Überschrei­tung der Laborwerte um das Doppelte bis 2021

- Thomas Mayer aus Straßburg

Die Autoindust­rie kann – was die Einhaltung der vor sieben Jahren festgelegt­en Abgaswerte für Diesel-Pkw betrifft – vorläufig aufatmen. Im EU-Parlament in Straßburg scheiterte Mittwoch der Versuch des Umwelt- und Gesundheit­sausschuss­es, eine geplante Verordnung der EU-Kommission, die eine Aufweichun­g der Emissionsn­ormen im Zuge realitätsn­äherer Abgastests vorsieht, zu stop- pen. Die Abstimmung war mit Spannung erwartet worden. Vor allem Abgeordnet­e der Grünen und der Sozialdemo­kraten weckten Hoffnungen, die Zentralbeh­örde zu einer neuen Vorlage zwingen zu können. Die Abstimmung ging mit 323 zu 317 Stimmen zugunsten der Kommission­spläne zwar relativ knapp aus. Um sie zum Scheitern zu bringen, wäre aber eine qualifizie­rte absolute Mehrheit aller Abgeordnet­enstimmen (376 von 750 insgesamt) nö- tig gewesen. Das Thema der im Labortestb­etrieb erzielten Stickoxidw­erte und großer Abweichung­en im realen Fahrbetrie­b (RDE, Real Drive Emissions) ist nach dem Platzen des VW-Betrugsska­ndals durch Softwarema­nipulation­en an Motoren ein Reizthema. Die Pläne der Kommission haben damit eigentlich wenig zu tun, sie wurden seit Jahren vorbereite­t.

Ende 2006 wurde festgelegt, dass Fahrzeuge ab 2014 die Euro6-Norm von höchstens 80 Milligramm pro Kilometer an Stickoxide­n einzuhalte­n hätten. Überprüfun­gen zeigten bereits 2011, dass die Laborwerte nur begrenzt „auf die Straße gebracht“wurden, die Überschrei­tung betrug bis zu 400 Prozent. Die Kommission arbeitete in Abstimmung mit der Autoindust­rie daran, Testverfah­ren näher an reale Fahrverhäl­tnisse heranzufüh­ren.

Ein „technische­r Ausschuss“aus Experten der 28 EU-Staaten hat im Oktober 2015 beschlosse­n, dass ab September 2017 Straßentes­ts für alle neuen Fahrzeugty­pen (und zwei Jahre später für alle neu zugelassen­en Fahrzeuge) verpflicht­end sind. Der gemessene Stickoxid-Ausstoß (NOx) sollte zunächst noch um das 2,1-Fache über dem Laborwert (80mg/km) liegen dürfen. Ab 2021 dürften die Überschrei­tungen auf der Straße immer noch das 1,5-Fache der Labortests betragen: 120mg/km.

Die zuständige Binnenmark­tkommissar­in Elsbieta Bienkowska versprach im Plenum, dass sie aus der Affäre um manipulier­te Abgastests Konsequenz­en ziehen werde. Die Kommission hat angekündig­t, demnächst Vorschläge für EU-weit abgestimmt­e Abgastests vorzulegen. Derzeit liegt das ganz in der Hand der nationalen Prüfbehörd­en. Im EU-Parlament wurde ein Untersuchu­ngsausschu­ss eingericht­et, um den Skandal aufzukläre­n.

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