Generöse Abgastests für Dieselautos
EU-Parlament genehmigt Überschreitung der Laborwerte um das Doppelte bis 2021
Die Autoindustrie kann – was die Einhaltung der vor sieben Jahren festgelegten Abgaswerte für Diesel-Pkw betrifft – vorläufig aufatmen. Im EU-Parlament in Straßburg scheiterte Mittwoch der Versuch des Umwelt- und Gesundheitsausschusses, eine geplante Verordnung der EU-Kommission, die eine Aufweichung der Emissionsnormen im Zuge realitätsnäherer Abgastests vorsieht, zu stop- pen. Die Abstimmung war mit Spannung erwartet worden. Vor allem Abgeordnete der Grünen und der Sozialdemokraten weckten Hoffnungen, die Zentralbehörde zu einer neuen Vorlage zwingen zu können. Die Abstimmung ging mit 323 zu 317 Stimmen zugunsten der Kommissionspläne zwar relativ knapp aus. Um sie zum Scheitern zu bringen, wäre aber eine qualifizierte absolute Mehrheit aller Abgeordnetenstimmen (376 von 750 insgesamt) nö- tig gewesen. Das Thema der im Labortestbetrieb erzielten Stickoxidwerte und großer Abweichungen im realen Fahrbetrieb (RDE, Real Drive Emissions) ist nach dem Platzen des VW-Betrugsskandals durch Softwaremanipulationen an Motoren ein Reizthema. Die Pläne der Kommission haben damit eigentlich wenig zu tun, sie wurden seit Jahren vorbereitet.
Ende 2006 wurde festgelegt, dass Fahrzeuge ab 2014 die Euro6-Norm von höchstens 80 Milligramm pro Kilometer an Stickoxiden einzuhalten hätten. Überprüfungen zeigten bereits 2011, dass die Laborwerte nur begrenzt „auf die Straße gebracht“wurden, die Überschreitung betrug bis zu 400 Prozent. Die Kommission arbeitete in Abstimmung mit der Autoindustrie daran, Testverfahren näher an reale Fahrverhältnisse heranzuführen.
Ein „technischer Ausschuss“aus Experten der 28 EU-Staaten hat im Oktober 2015 beschlossen, dass ab September 2017 Straßentests für alle neuen Fahrzeugtypen (und zwei Jahre später für alle neu zugelassenen Fahrzeuge) verpflichtend sind. Der gemessene Stickoxid-Ausstoß (NOx) sollte zunächst noch um das 2,1-Fache über dem Laborwert (80mg/km) liegen dürfen. Ab 2021 dürften die Überschreitungen auf der Straße immer noch das 1,5-Fache der Labortests betragen: 120mg/km.
Die zuständige Binnenmarktkommissarin Elsbieta Bienkowska versprach im Plenum, dass sie aus der Affäre um manipulierte Abgastests Konsequenzen ziehen werde. Die Kommission hat angekündigt, demnächst Vorschläge für EU-weit abgestimmte Abgastests vorzulegen. Derzeit liegt das ganz in der Hand der nationalen Prüfbehörden. Im EU-Parlament wurde ein Untersuchungsausschuss eingerichtet, um den Skandal aufzuklären.