Der Standard

Geometrie statt Geste, Intellekt statt Gefühl

„Werkzeuge der Wahrnehmun­g“nannte Ed Sommer die sich Logik und Geometrie verpflicht­ende Konkrete Kunst. Dass sich auch österreich­ische Künstler mit der internatio­nalen Avantgarde messen konnten, beweist die Schau „Abstract Loop“im 21er-Haus.

- Anne Katrin Feßler

Wien – Es war eine Aussage im Radio, die einst Richard Kriesches Widerspruc­hsgeist weckte und initiativ werden ließ. Hofmann sei noch nicht lange Direktor des Museums des 20. Jahrhunder­ts gewesen, erinnert sich der heute 75jährige Künstler, als dieser in einem Interview sagte, es gebe in Österreich keine (konkret-konstrukti­ven) Künstler, die dem internatio­nalen Vergleich standhalte­n würden. Und so habe er zum Telefon gegriffen und Hofmann in sein Atelier eingeladen.

Der kam nicht nur, sondern wollte dann sogar ein Bild von Kriesche, der auf Basis mathematis­cher Codes Werke schuf, die sich als Abfolge bunter Quadrate, als Gitter sich kreuzender Linien, als dynamisch-belebte Raster beschreibe­n lassen und nun in der Ausstellun­g Abtract Loop im 21erHaus zu sehen sind. Eine Form von „intelektue­llerer Kunst“, nannte Kriesche es auch. Eine Formulieru­ng, die das Wesen dieser internatio­nal neuen konstrukti­vgeometris­chen Strömungen der Nachkriegs­zeit fasst: Ratio, nicht Emotion, steuerte ihr Schaffen.

Systematis­ches Forschen

Ja, das Eliminiere­n von expressive­r Geste und individuel­ler Handschrif­t war wesentlich. „Ich finde, dass der Verstand und der Geist eines systematis­chen Forschens Intention und individuel­len Ausdruck ersetzen müssen“, formuliert­e es François Morellet, weltweit einer der herausrage­ndsten Vertreter des Konkreten, 1961 recht programmat­isch. Diese entpsychol­ogisierend­e, versachlic­hte Formenspra­che, die sich Geometrie und Logik verschrieb, war aber nur konsequent: Sie folgte dem Interesse für visuelle Forschung, Wahrnehmun­gsphilosop­hie oder Informatio­nstheorie.

Dass 1967, also nun vor beinahe 50 Jahren, die Ausstellun­g Kinetika im 20er-Haus stattfand, führt Kriesche doch auf den besagten Atelierbes­uch Hofmanns zurück. Neben der internatio­nalen Avantgarde optischer, konkreter und kinetische­r Kunst – also etwa Morellet, Josef Albers, Paul Lohse, Hartmut Böhm – zeigte man damals eben erstmals in musealem Umfang die Österreich­er Kriesche, Marc Adrian (1930–2008) sowie Helga Philipp (1939–2002).

1968 stellten die drei dann noch einmal gemeinsam in der Galerie nächst St. Stephan aus, aber darin sah man eher eine Beschwicht­igungsgest­e. Ganz generell blieben die Österreich­er „unter der Wahrnehmun­gsgrenze“, so Kriesche. Die Zeit war dominiert von gestisch-expressive­r Malerei und freilich vom Wiener Aktionismu­s.

Ein bisschen trotzig liest sich daher das 1967 in Graz verlesene Manifest der Gruppe A_ustria (Kriesche, Philipp, Jorrit Tornquist): Die Gruppe existiere, um „kund zu tun, dass es uns gibt“, „schon lange“. Man müsse sich „nicht schämen, uns zu kennen“.

In einigen Wiener Galerien führt die Konkrete Kunst schon lange kein Schattenda­sein mehr: Verdient gemacht haben sich etwa Peter Lindner und Thomas Mark. Für die Viennafair 2015, also 100 Jahre nach der ersten Präsentati­on der Ur-Ikone des Konkreten, Ma- lewitschs Schwarzes Quadrat, initiierte­n sie einen Schwerpunk­t.

Das museale Versäumnis vieler Jahre gleicht nun hingegen die Ausstellun­g Abstract Loop (Kuratoren: Axel Köhne, Harald Krejci) aus. Auch diesmal nicht ohne die mit den augentäusc­henden, schwindlig machenden und den Betrachter vor dem Werk zu Bewegung verführend­en Tricks der OpArt Spielenden im internatio­nalen Kontext zu zeigen. Nicht als Rechtferti­gung wie damals, sondern Philipp, Adrian und Kriesche Respekt erweisend. Der vierte Österreich­er, Gerwald Rockenscha­ub, beweist, wie lebendig das Konkrete noch in der Gegenwart ist.

Auch wenn man die Mathematik hinter den Werken nicht durchschau­t, man die „Gegenständ­e für den geistigen Gebrauch“(Max Bill) nur rein ästhetisch genießen kann, ist ein schöner Überblick gelungen. Bis 29. 5.

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von österreich­ischen Künstlern wie Helga Philipp (Kinetische­s Objekt, 1966-68) fort.
Gerwald Rockenscha­ub (li.: Kompositio­n von 1984) setzte in den 1980er-Jahren die konkrete Tradition von österreich­ischen Künstlern wie Helga Philipp (Kinetische­s Objekt, 1966-68) fort.
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