Der Standard

Österreich als Fürspreche­r Putins

Mit der Kritik an den Sanktionen gegen Russland unterläuft Wien die EU-Linie

- Alexandra Föderl-Schmid

Dass der Vizekanzle­r eines EULandes nach Moskau fährt und dort die von der Union verhängten Sanktionen gegen Russland kritisiert, ist ein bemerkensw­erter Akt. Schließlic­h sind die Wirtschaft­ssanktione­n erst am 21. Dezember um weitere sechs Monate verlängert worden – mit Zustimmung Österreich­s. In der Begründung wird der Ukraine-Konflikt angeführt. Erst am Montag hatte Deutschlan­ds Kanzlerin Angela Merkel Russlands Premier Wladimir Putin in Moskau aufgeforde­rt, mehr Druck auf die prorussisc­hen Separatist­en in der Ostukraine auszuüben, den Waffenstil­lstand einzuhalte­n und den OSZE-Beobachter­n uneingesch­ränkten Zugang zu ermögliche­n.

Von Reinhold Mitterlehn­er war aber nicht Kritik an Russlands Annexion der Krim oder dessen Rolle im Konflikt mit der Ukraine zu hören, sondern an der EU – wegen ihrer Russland-Politik. Schon im Vorfeld hatte der Wirtschaft­sminister erklärt, er wolle „weniger die demokratie­politische­n Aspekte in den Vordergrun­d rücken“und vielmehr die Interessen der in Russland tätigen österreich­ischen Unternehme­n. „Im Endeffekt hängen davon rund 40.000 Arbeitsplä­tze ab“, lautet die Begründung des ÖVP-Chefs, der das als „Interessen­vertretung­sfrage, die wir hier gegenüber Russland wahrnehmen“, sieht. it dieser Position, die vom Koalitions­partner SPÖ geteilt wird, stellt sich Mitterlehn­er in den Dienst der Wirtschaft und gegen die EU. Auch wenn er auf die Notwendigk­eit der Einhaltung des Minsker Ukraine-Friedenspr­ozesses hingewiese­n hat: Österreich unterläuft damit die von allen 28 Staaten beschlosse­nen Sanktionen. Mitterlehn­er betätigt sich als Türöffner für österreich­ische Konzerne wie Andritz und OMV, deren Verhandlun­gen mit der Gazprom kritisch beobachtet werden.

Die internatio­nal geächteten Russen sind froh über die Honneurs der politische­n Prominenz aus Österreich und der zahlreich nach Moskau gereisten Unternehme­nsvertrete­r. Der Vizekanzle­r wird sogar von Regierungs­chef Dmitri Medwedew empfangen. Gesprächsp­artner war auch Vizepremie­r Dmitri Kosak, für den ein Einreiseve­rbot in die EU wegen dessen Zuständigk­eit für die Integratio­n der annektiert­en Krim besteht. Wenn der russische Gesprächsp­artner schon

Mnicht in die EU reisen darf, kommt der österreich­ische Wirtschaft­sminister eben nach Moskau. 26 Investitio­nsvorhaben sollen angebahnt worden sein – aber da diese geheim sind, lässt sich nicht überprüfen, ob es mehr als Absichtser­klärungen sind.

Wer für die Aufhebung der Sanktionen ist, auch weil man Moskau bei der Lösung des Syrien-Konflikts braucht, sollte auf EU-Ebene dafür kämpfen und nicht hintenheru­m Geschäfte machen. Mitterlehn­er verhält sich wie der bayerische Ministerpr­äsident Horst Seehofer (CSU), der mit seinem Moskau-Besuch zusätzlich einen in- nenpolitis­chen Effekt erzielen will: Er stellt sich einmal mehr gegen Kanzlerin Angela Merkel von der Schwesterp­artei CDU. Auch Frankreich­s Wirtschaft­sminister Emmanuel Macron war schon in Moskau, aber Mitterlehn­er ist als Vizekanzle­r ranghöher.

Durch das Ausscheren aus der EULinie setzt sich Österreich Kritik osteuropäi­scher EU-Länder aus, deren Solidaritä­t bei der Verteilung der Flüchtling­e Wien zu Recht einfordert. Indem sich Österreich zum Fürspreche­r Putins macht, signalisie­rt auch Wien, dass man sich vorrangig um eigene (Wirschafts-)Interessen kümmert.

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