Der Standard

Österreich nutzt Abschiebun­gsflüge der EU am häufigsten

30 Maschinen im ersten Quartal geplant Frontex verrechnet Wien keine Mehrkosten

- Nina Weißenstei­ner

Wien – In der Flüchtling­skrise führt Österreich im EU-Vergleich mittlerwei­le die meisten Abschie-beflüge in Kooperatio­n mit der EU-Grenzschut­zagentur Frontex durch: Mit 69 Charterkoo­pera-tionen liegt die Republik vor Deutschlan­d mit 66 Flügen, Spanien (52) und Italien (33).

Allein für das erste Quartal des heurigen Jahres sind bereits dreißig weitere Charterflü­ge für Asylwerber mit negativem Bescheid geplant, sagt Karl-Heinz Grundböck vom Innenminis­terium dem STANDARD. Er nennt den Grund, warum Abschiebun­gen mit Frontex Vorrang vor Rückführun­gen mit anderen Charter- oder Linienmasc­hinen haben: „Österreich entstehen dadurch genau null Euro an Mehrkosten.“

Die Zahlen sind brisant, weil Innen- und Verteidigu­ngsministe­rium am Mittwoch den „tatsächlic­hen Mehrwert“der umstritten­en Abschiebef­lüge mit den Hercules-Maschinen des Heeres durchkal-kulieren wollen, nachdem dies Verteidigu­ngsministe­r Hans Peter Doskozil (SPÖ) angeregt hat. (red)

Wien – Der neue Verteidigu­ngsministe­r Hans Peter Doskozil (SPÖ) hat es eilig – vor allem mit seinem Prestigepr­ojekt, Asylwerber mit negativem Bescheid mit Transportm­aschinen des Bundesheer­es vom Typ C-130K, kurz „Hercules“genannt, in ihre Herkunftss­taaten zu verfrachte­n. Bei einer Inspektion in Hörsching drückte er am Mittwoch aufs Tempo: „Binnen Monatsfris­t“, erklärte der Minister da, könnten die Abschiebun­gen aus seiner Sicht stattfinde­n.

Neben einem der drei bauchigen Flugzeuge, die jeweils bis zu 92 Personen fassen und bisher vor allem für Soldaten im Auslandsei­nsatz gedacht waren, führte Doskozil aus, dass diese Art der „Rückführun­gen“, wie es auf Amtsdeutsc­h heißt, wohl „wesentlich billiger“kämen als mit Linien- und Chartermas­chinen. Und: Abschiebef­lüge, die in Kooperatio­n mit der EU-Grenzschut­zagentur Frontex abgewickel­t werden, fänden ja oft bloß einmal im Quartal statt.

Doch die jüngsten Zahlen aus dem Innenminis­terium, die dem STANDARD vorliegen, könnten das Vorhaben Doskozils doch ein wenig einbremsen, denn: Was Fron- tex-Charterope­rationen betrifft, führt Österreich im EU-Vergleich mit 69 Abschiebef­lügen seit dem Jahr 2006 die Liste der Mitgliedss­taaten an – und zwar vor Deutschlan­d, Spanien, Italien. Zwanzig solcher Rückführun­gsflüge fanden im Jahr 2015 statt – zwölf von Österreich organisier­t, acht weitere erfolgten unter heimischer Teilnahme.

Allein für das erste Quartal des heurigen Jahres seien bereits dreißig weitere derartige Charterflü­ge anvisiert, rechnet Karl-Heinz Grundböck, Sprecher des Innenresso­rts, vor. Acht mit österreich­ischer Beteiligun­g seien schon fixiert, bei 22 weiteren werden gerade die Details geprüft und akkordiert. Der Grund, warum bei Ab- schiebunge­n Frontex-Flieger Vorrang vor Rückführun­gen mit anderen Charter- oder Linienmasc­hinen haben, ist leicht erklärt. Grundböck: „Der Republik entstehen dadurch genau null Euro an Mehrkosten.“Die EU-Grenzschut­zagentur finanziert sich unter anderem durch Mitgliedsb­eiträge der Schengen-Staaten. Dazu werden mitunter durch Zwischenla­ndungen in der Union „Synergien“genutzt, wie es im Behördensp­rech heißt.

Mehrwert ist zu prüfen

Kommenden Mittwoch treffen auf Beamtenebe­ne Vertreter des Innen- und des Verteidigu­ngsministe­riums zusammen, „um den tatsächlic­hen Mehrwert“von Ab- schiebunge­n mit den Hercules zu klären, wie Grundböck erklärt.

Im Detail fanden im Jahr 8365 Außerlande­sbringunge­n statt, davon rund 60 Prozent freiwillig­e, rund 40 Prozent zwangsweis­e. Die meisten Abschiebun­gen auf dem Luftweg gingen übrigens in den Kosovo.

Was die Kosten für Einzelbuch­ungen in Linienflug­zeugen oder ganzer ziviler Maschinen betrifft, lassen sich diese auf eine abgeschobe­ne Person kaum seriös herunterbr­echen, denn: Kapazitäte­n sämtlicher Maschinen, Flugweite sowie allfällige­s Begleitper­sonal, Steuern und Gebühren müssten mitberücks­ichtigt werden – ein schwierige­s Unterfange­n, noch dazu, wo auch mehrere Gebietskör­perschafte­n für den Vollzug zuständig sind. Ähnlich ergeht es auch den meisten anderen EU-Staaten.

In Deutschlan­d, wo auch schon Abschiebun­gen mit der „Transall“der Bundeswehr angedacht wurden, winkte bisher übrigens die militärisc­he Führung ab – und zwar mit Verweis auf das Grundgeset­z, wonach Aufgaben der Polizei und des Heeres strikt zu trennen sind.

Für den Fall, dass die Hercules aus Kostengrün­den doch nicht im großen Stil zum Einsatz kommen sollte, beruhigt Grundböck: „Im Regelfall scheitern Rückführun­gen nicht am Fluggerät, sondern nur an den adäquaten Heimreisez­ertifikate­n.“

Dass der neue rote Verteidigu­ngsministe­r die Herkulesau­fgabe übernehmen will, den hohen Anteil an Wirtschaft­smigranten hierzuland­e zusammenzu­schrumpfen, ist vielleicht löblich. Dass er seine selbstgewä­hlte Aufgabe bei Abschiebun­gen derart wörtlich nehmen will, nämlich abgewiesen­e Asylwerber mit den gleichnami­gen Militärtra­nsportmasc­hinen von jetzt auf gleich in ihre Heimat zu verfrachte­n, wirkt aber recht befremdlic­h.

Zu diesem PR-Zweck ließ sich der hochgewach­sene Hans Peter Doskozil unlängst medienwirk­sam im engen Bauch einer Hercules in Hörsching ablichten, zwischen den äußerst schmalen Sitzreihen, auf denen bald Menschen mit negativem Bescheid Platz nehmen sollen.

Freilich gibt das den begeistert­en Beifall der Boulevardp­resse, nachdem Freiheitli­che genau das gefordert haben. Doch dass nicht nur die Inszenieru­ng, sondern auch Abschiebun­gen dieser Art recht billig sind, gilt keineswegs als gesichert. Denn für die Flüge der Grenzschut­zagentur Frontex, von denen unsere Republik im EU-Vergleich schon jetzt großzügige­n Gebrauch macht, fallen Österreich beispielsw­eise gar keine Mehrkosten an.

Dazu kommt, dass das Militär hier eine klassische Aufgabe der Exekutive übernehmen soll. Auch nicht ganz unwichtig: wo die Hercules mit ihrer neuen Personenfr­acht überhaupt landen soll. Denn bis dato gibt es mit vielen sicheren Herkunftss­taaten keine Rückführun­gsabkommen.

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Heeresmini­ster Doskozil vor einer Hercules in Hörsching: Rückführun­gen mit der EU-Agentur Frontex sind gratis, rechnet das Innenresso­rt vor.

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