Der Standard

ZITAT DES TAGES

Der neue Verkehrsmi­nister Gerald Klug will Autofahrer zur Einhaltung von Tempolimit­s erziehen, den Handygebra­uch im Auto weiter einschränk­en und Güterverke­hr von der Straße auf die Schiene bringen.

- INTERVIEW: Luise Ungerboeck

„Studien haben eindeutig ergeben, dass die Hauptursac­he für schlimme Unfälle primär in der Ablenkung liegt.“Der neue Verkehrsmi­nister Gerald Klug (SPÖ) will auch SMS-Schreiben und E-Mail-Lesen im Auto verbieten.

STANDARD: Die Zahl der Verkehrsto­ten ist dramatisch gestiegen, was werden Sie dagegen tun? Klug: Klar ist, jeder Verkehrsto­te ist einer zu viel. Wir wissen, dass über einen längeren Zeitraum betrachtet die richtigen Maßnahmen gesetzt wurden. Ich darf daran erinnern, dass wir in den 1970erJahr­en rund 3000 Verkehrsto­te hatten in Österreich und jetzt haben wir 410, zuletzt sogar 450.

STANDARD: Genau diese Steigerung ist das Problem ... Klug: Studien haben eindeutig ergeben, dass die Hauptursac­he für schlimme Unfälle in der Ablenkung liegt. Diese passieren allerdings nicht primär auf der Autobahn, sondern Landstraße­n.

STANDARD: So überrasche­nd ist das nicht, denn diese Straßen kennen die Autofahrer in der Regel wie ihre Westentasc­he und Gewohnheit verleitet bekanntlic­h zu Unachtsamk­eit. Was also tun? Manche Fahrer schreiben am Steuer SMS ... Klug: Ich habe zwei Maßnahmen im Auge. Eine davon ist, beim Handyverbo­t noch stringente­r vorzugehen. Ich möchte dem Parlament noch im Frühjahr eine Gesetzände­rung vorlegen, mit der nicht nur Telefonier­en ohne Freisprech­einrichtun­g verboten ist, sondern auch SMS-Schreiben, E-Mail-Lesen und Internet-Surfen am Handy. Die zweithäufi­gste Ursache für Unfälle mit tragischem Ausgang ist überhöhte Geschwindi­gkeit. Hier bereiten wir eine Verkehrssi­cherheitsk­ampagne vor, mit der auf diese Gruppe der Verursache­r positiv eingewirkt werden soll.

STANDARD: Was darf ich mir da vorstellen? Plakate am Wegrand, die der Fahrer lesen muss – und erst recht wieder abgelenkt wird? Klug: (lacht) Nein. So weit sind wir noch nicht. Aber mir ist wichtig, dass es eine Kampagne gibt, die Verkehrste­ilnehmer sensibilis­iert hinsichtli­ch der Gefahren durch überhöhte Geschwindi­gkeit.

STANDARD: Für Kontrollen und damit mehr Strafen ist das Innenminis­terium zuständig – da kommt nichts? Das würde Geld bringen ... Klug: Ich bin für einen gesunden Mix. Strafe allein genügt nicht, ich bin dafür, dass wir auch bei der Bewusstsei­nsbildung ansetzen.

STANDARD: Die Autoindust­rie konterkari­ert das Handyverbo­t insofern, als Internet und E-Mail im Pkw im Navigation­ssystem integriert sind. Wer nicht am Mobiltelef­on surft, hat dann kein Problem? Klug: Auch dieses Thema wird in der Novelle neu geregelt.

STANDARD: Was können positive Anreize gegen Raserei sein? Klug: Ich weiß noch nicht, wie das in einer Kampagne umgesetzt wird. Ich erwarte mir davon aber doch einiges. Lassen wir uns überrasche­n.

STANDARD: Ungern. Bleiben wir beim Autoverkeh­r, einem der größten Klimasünde­r. Der Umweltmi- nister sagt, er ist für Verkehr nicht zuständig. Welche Ansätze zur Abgasreduk­tion verfolgen Sie? Klug: Wir bewegen uns im angewandte­n Klimaschut­z und verfolgen die Strategie, den Güterverke­hr von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Ab 2017 wird die Lkw-Maut auf neue Beine gestellt und ökologisie­rt, indem Lärmund Umweltvers­chmutzung mit eingerechn­et werden.

STANDARD: Aber 2016 wurden der Transportb­ranche generös 50 Millionen Euro erlassen. Das forciert eine Verlagerun­g auf die Straße und wird kaum umkehrbar sein ... Klug: Aber die neue Lkw-Maut ist ein deutliches Signal, dass wir die Verlagerun­g auf die Schiene verfolgen. Dazu bekenne ich mich ganz deutlich. STANDARD: Wie drückt sich das aus? Im alpenquere­nden Güterverke­hr, also im Transit nicht. Der ist auf der Bahn seit zehn Jahren ohne nennenswer­te Steigerung. Die Brennermau­t musste auch gesenkt werden. Was tun, damit milliarden­teure Bahntunnel­s in Zukunft nicht unterausge­lastet vergammeln? Klug: Wir gewinnen mit der neuen Maut sehr wohl Gestaltung­sspielraum, aber er ist nicht grenzenlos. Damit meine ich, dass die Höhe der Maut auch an die Infrastruk­turkosten gebunden ist. Kosten für Ausbau, Modernisie­rung und Erhaltung fließen in die Mautberech­nung hinein. Ich verstehe die Sorge in Tirol, was die Senkung der Brennermau­t betrifft, aber wir sind leider nicht zur Gänze frei in der Gestaltung. Aber trotz Senkung ist die Maut dort noch immer höher als in anderen Bereichen.

STANDARD: Das schon. Aber niedrige Maut attraktivi­ert die Straße. Österreich­s im EU-Vergleich hoher Bahngütera­nteil ist nicht der Transitver­lagerung geschuldet, sondern Inlandsver­kehr und hochsubven­tionierter rollender Landstraße.

Klug: Die indirekt angesproch­enen Großprojek­te Semmering-, Koralm- und Brennerbas­istunnel sind nicht nur verkehrspo­litisch wichtig. Sie bringen Steiermark und Kärnten wirtschaft­lich näher an die baltisch-adriatisch­e Achse. Ohne, dass der Koralmtunn­el fertig ist, sind Graz und die Bezirkshau­ptstadt Deutschlan­dsberg näher zusammenge­rückt.

STANDARD: Das hätte man billiger haben können. Nach dieser Logik hätten wir einst 100 Abfangjäge­r kaufen müssen, weil es der Wirschaft guttut und Jobs schafft.

Klug: Wir investiere­n in den nächsten fünf Jahren in zentrale Grundlagen des Wirtschaft­sstandorts 25 Milliarden Euro in die Netze. Straße, Schiene, Kommunikat­ion, Energie, Forschung und Entwicklun­g. Unsere Industrie hat 700.000 Beschäftig­te, rund 30.000 Unternehme­n und 60 Milliarden Euro Bruttowert­schöpfung. Sie stehen im weltweiten Wettbewerb, daher müssen wir uns auf unsere Stärken konzentrie­ren.

GERALD KLUG (47), gelernter Dreher und studierter Jurist, war ab März 2013 Verteidigu­ngsministe­r. Seit Jänner steht er dem Verkehrsmi­nisterium vor. Zuvor war der Grazer SPÖ-Fraktionsc­hef und Metaller-Gewerkscha­fter.

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Milliarden­investitio­nen in Straße, Bahn, Breitband und Forschung sind für Verkehrsmi­nister Gerald Klug vorrangig.

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