Ein Kasperltheater für frustrierte Wähler
Richard Lugner will Bundespräsident werden. Die Chancen dafür sind gering, die Konkurrenz zu groß, sagen Meinungsforscher. Er könnte aber Rudolf Hundstorfer (SPÖ) und Norbert Hofer (FPÖ) einige Stimmen abspenstig machen.
Wien – Cathy Lugner ist sauer. „Wir sind hier nicht im Kasperltheater. Das ist ein ernstzunehmendes Thema. Und wenn ihr keinen Bock darauf habt, was macht ihr dann hier?“, fragt sie die lachenden Journalisten, die am Donnerstag gekommen sind, um sich das Wahlprogramm von Richard Lugner erzählen zu lassen.
Der Baumeister hat sich entschieden, beider Bundes präsi-dentschaftswahl zu kandidieren. Anders als seine Frau hat er nichts dagegen, dass bei seiner Pressekonferenz über seine Aussagen mitunter gelacht wird. „Der Kasperl gewinnt immer, das ist eine Tatsache“, sagt er.
Und damit hat Lugner nicht unrecht, sagt Peter Hayek. Der Meinungsforscher, der mit dem Privatsender ATV zusammenarbeitet, in dem Lugner und seine gerade aktuelle Ehefrau regelmäßig zu sehen sind, sagt zum STANDARD: „Lugner zeigt mit dem Satz eine große Portion Selbstironie.“Er sei sich seiner Rolle im Wahlkampf bewusst. Dem Baumeister gehe es auch nicht ums Gewinnen. Vielmehr gehe es um die mediale Aufmerksamkeit, und die sei ihm si- cher. Das Youtube-Video „Lugner for president“hat mittlerweile über eine halbe Million Klicks. „Man ist an Lugner interessiert. Ob man ihn wählen wird, ist eine zweite Frage“, formuliert es der Baumeister selbst treffend. Er will in die Stichwahl kommen und dann gewinnen.
Frustpotenzial abgedeckt
Dieses Ziel dürfte zu ambitioniert sein. Für Christoph Hofinger vom sozialwissenschaftlichen Institut Sora wäre es bereits eine Sensation, wenn Lugner bei der Wahl nicht auf dem letzten Platz landet. Als der Baumeister 1998 bei der Präsidentschaftswahl angetreten ist, kam er auf knapp zehn Prozent. „Es war eine günstige Situation“, sagt Hofinger zum STANDARD. Es ging lediglich um die Wiederwahl Thomas Klestils, weder SPÖ noch FPÖ stellten eigene Kandidaten auf. Und so wählten 44 Prozent der FPÖ-Wähler und 33 Prozent der SPÖ-Wähler den Baumeister.
Bei der kommenden Wahl stehen diesen Wählern Rudolf Hundstorfer (SPÖ) und Norbert Hofer (FPÖ) zur Verfügung. Diesen beiden könnte Lugner mit seiner Kandidatur aber auch am ehesten scha- den, sagt Hofinger. Allerdings nur, wenn es ganz knapp wird.
Bei einer Umfrage von Hayeks Institut Anfang Februar kam Lugner auf drei Prozent. Eine Befragung des „Human-Instituts“, die Lugner selbst in Auftrag gegeben hat, sieht ihn bei zehn Prozent. Ein zweistelliges Ergebnis sei aber sehr unwahrscheinlich, sagt Hayek. „Es gibt bereits fünf ernstzunehmende Kandidaten, sie decken ein großes Feld an Zielgruppen ab. Dadurch ist das Frustpotenzial beim Wähler geringer.“Genau diese Wähler, die mit der Auswahl an Kandidaten unzufrieden sind, wären aber Lugners Zielgruppe.
Auch Soziologe Hofinger geht davon aus, dass die große Konkurrenz bei dieser Wahl Lugner zu schaffen machen wird. „Das wiegt meiner Einschätzung nach schwerer als das Potenzial an Proteststimmen.“Zudem konnte Lugner 1998 nur wenige Nichtwähler für sich mobilisieren.
Kleiner Trump
Der Bauherr selbst positioniert sich als Alternative zu SPÖ und ÖVP. „Ich bin der Meinung, dass Rot-Schwarz weg muss von den Machtstellen“, sagt er. Nicht zufällig fühlt man sich an Frank Stronach erinnert. Lugner vergleicht sich gar mit dem US-Präsident- schaftskandidaten Donald Trump. „Trump ist auch ein Baumeister, er hat seinen Trump Tower in der Fifth Avenue, meine Lugner City ist halt ein bisserl kleiner.“Der Erfolg von Kandidaten, die sich „dem System“entgegenstellen – in Italien etwa Kabarettist Beppe Grillo –, begründet Hofinger damit, dass die traditionellen Parteien mit ihren optimistischen Botschaften nicht mehr zu ihren Wählern durchdringen. Hayek verweist auf zunehmende Ängste der Wähler. Linke und rechte Populisten würden ihnen leichte Erklärungen und Lösungen liefern.
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Richard Lugner ist so wenig peinlich, dass Spott und Häme an ihm abprallen. Da mögen ihn Politologen einen Spinner nennen, Journalisten einen Opernball-Clown – für ein bisschen Publikum ist dem Baumeister jede Rolle recht, selbst jene der Lachnummer: „Der Kasperl gewinnt immer, das ist eine Tatsache.“
Dazu dürfte es dann doch nicht kommen, aber seine zweifelhafte Berühmtheit könnte den 83-Jährigen bei der Präsidentenwahl immerhin so weit bringen, dass Mitbewerbern das Gelächter im Hals stecken bleibt. Lugner hat politisch keinen Plan und keine Ahnung, doch das hatte Frank Stronach auch nicht. Trotzdem schaffte es der wirr schwadronierende Austrokanadier ins Parlament.
Der diffuse Grant auf das politische Establishment ist so groß, dass ein paar Prozent jedenfalls drinnen sind. FPÖKandidat Norbert Hofer muss um das blaue Abo auf Proteststimmen fürchten, der Sozialdemokrat Rudolf Hundstorfer könnte es spüren, wenn Sprösslinge aus den Arbeiterbezirken, die mit einem „Gemma Lugna!“auf den Lippen gerne des Baumeisters Einkaufszentrum besuchen, ihr Wahl- an ihr Freizeitverhalten anpassen. Letztlich könnte Lugner mitentscheiden, wer es in die Stichwahl schafft.
Nicht nur deshalb müssen ihn die etablierten Politiker ernst nehmen: Sie sollten sich fragen, warum die eigene Kaste so sehr in Verruf geraten ist, dass ein Kasperl zum Konkurrenten werden kann.