Der Standard

Deutsche Bank leidet unter ihrem Rettungsri­ng

Ein neues Finanzprod­ukt, die CoCo-Bonds, soll Kreditinst­itute krisenfest­er machen. Doch die Turbulenze­n der Deutschen Bank zeigen, dass die Sicherungs­instrument­e im Krisenfall als Brandbesch­leuniger taugen.

- András Szigetvari

Wien – Die Turbulenze­n der Deutschen Bank dürften in den kommenden Wochen zu hitzigen Diskussion­en bei den europäisch­en Finanzaufs­ehern führen. Denn es gibt Hinweise dafür, dass bei dem größten Kreditinst­itut der Bundesrepu­blik ausgerechn­et jene Mechanisme­n als Brandbesch­leuniger gewirkt haben, die eine Krise hätten eindämmen sollen.

Damit deutet sich ein viel größeres Problem an. Seit Beginn der Finanzkris­e setzen Aufseher in Europa eine Reihe neuer Instrument­e ein, um Finanzinst­itute sicherer zu machen. Doch die wenigsten davon sind bisher erprobt. Im Falle der Deutschen Bank geraten die „CoCos“ins Zwielicht. Der exotische Name steht für Contingent Convertibl­e Bonds.

Das ist eine spezielle Form einer auf Börsen handelbare­n Schuldvers­chreibung, also einer Anleihe. Banken können mit CoCos bei Investoren Kapital aufnehmen. Das Besondere ist, dass die Anleihen in Aktien umgewandel­t werden können, wenn die Bank hohe Verluste macht. Das Geldhaus wird also Schulden los und stärkt die Eigenkapit­aldecke. CoCos sind ein Sicherheit­spuffer. Der vermehrte Einsatz des Instrument­s wurde durch neue regulatori­sche Vorgaben nach Ausbruch der Finanzkris­e forciert.

Die Instrument­e erfreuen sich einer stark gestiegene­n Beliebthei­t. Laut Zahlen des Londoner Finanzdien­stleisters Dealogic wurde die erste Anleihe im Jahr 2009 begeben. Seither haben sich die Banken wie die britische Barclays oder die Schweizer UBS 210 Milliarden Euro via CoCos geholt. Wegen des höheren Risikos sind die Anleihen höher verzinst, was sie bei Investoren beliebt macht.

Bei der Deutschen Bank summieren sich die Hybridanle­ihen auf 4,6 Milliarden Euro in der Bilanz. Für CoCos gilt, dass sie von den Aufsehern nur unter bestimmten Voraussetz­ungen als zusätzlich­er Puffer anerkannt werden.

Dazu gehört, dass Banken nur dann Zinsen für die Papiere zahlen dürfen, wenn sie über genügend Kapitalres­erven verfügen. Aber genau an der Fähigkeit der Deutsche Bank, die CoCo-Zinsen bedienen zu können, haben Investoren zu zweifeln angefangen, sagt Laurent Frings, Analyst bei Aberdeen Asset Management in London.

Nun sei diese Angst nicht grundlos entstanden. Der Einbruch des Aktienmark­tes in China hat viele Investoren ver- schreckt. Die Zinsanhebu­ng in den USA sorgt ebenso für zusätzlich­e Nervosität an den Märkten wie der niedrige Ölpreis. Hinzu kommen Probleme der Deutschen Bank: 6,7 Milliarden Euro Verlust hat das von Skandalen gebeutelte Institut im vergangene­n Jahr angehäuft. Die Kapitaldec­ke ist dünner als bei der Konkurrenz. Der Analyst Peter Onofrej von der Raiffeisen Bank Internatio­nal warnte bereits vor zwei Jahren, dass die Deutsche Bank nur über schwache Kapitalpuf­fer verfüge.

Als Folge dieser Gemengelag­e haben Investoren zum Rückzug bei den CoCos geblasen: Sie wollten verkaufen, so Frings. Das trieb die Kurse für die Papiere nach unten und die Risikoaufs­chläge nach oben. Am regulären Anleihenma­rkt blieb die Deutsche Bank dagegen eher stabil (siehe Grafik).

„Doch die Angst am CoCoMarkt hat die Investoren am Aktienmark­t weiter verschreck­t“, sagt Frings. Es kam zu einer Verkaufsor­gie. Die Deutsche Bank verliert zwar seit Monaten an Börsenwert, aber am Montag herrschte Panik mit Kursverlus­ten von zwölf Prozent. Die Versicheru­ngen gegen eine Pleite der Bank wurden immer teuerer. Der Chef der Deutschen Bank, John Cryan, hat die Unsicherhe­it unabsichtl­ich weiter angefacht, als er am Dienstag in einem Brief an Investoren und Mitarbeite­r schrieb, die Bank werde selbstvers­tändlich all ihren Verpflicht­ungen nachkommen.

Die Deutsche Bank sei schon so kaputt, dass sie ihre Zahlungsfä­higkeit versichern müsse, hieß es in Medienberi­chten. Dabei hatte Cryan nur gezielt die CoCo-Anleger beruhigen wollen – was in der Situation ja Sinn ergab.

Der Bankanalys­t Sam Theodore von der Ratingagen­tur Scope meint, die Aktionäre hätten rational gehandelt: „Wenn die erste Unsicherhe­it auftritt, ob eine Bank fällige Zinsen an ihre Gläubiger leisten kann, gibt es allen Grund, verunsiche­rt zu sein.“Theodore empfiehlt den Aufsehern daher dringend, sich die Wirkung der CoCos näher anzusehen. Denn wie Frings sieht er eine übertriebe­ne Panikreakt­ion am Markt – die Deutsche Bank habe Probleme, sei aber nicht gefährdet. Dass sich eine Debatte über die Zahlungsfä­higkeit der Bank ausgerechn­et an dem neuen Finanzprod­ukt entzündet, war nicht geplant.

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Coco-Bonds sind als Finanzprod­ukt ein gemischtes Wesen , wie der Minotaurus
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