Der Standard

Bahn frei für Frau Hengster

Österreich­s erste Medaille im Frauenbob ist noch nicht gewonnen. Christina Hengster hat bei der WM in Innsbruck eine reelle Chance. Mit der niederländ­ischen Bremserin Sanne Dekker und dem lettischen Bob Betsy erlebt die Tirolerin ihren bisher besten Wint

- Birgit Riezinger

Innsbruck/Wien – Achterbahn­fahren – das wäre nichts für Christina Hengster. „Da würde mir schwindeli­g werden.“Hengster ist Bobpilotin. Auch nichts für schwache Nerven. Aber im Eiskanal fühlt sich Hengster wohl. Das Fahren auf Eis, die hohen Geschwindi­gkeiten (bis zu 140 km/h) taugen ihr.

Den Temporausc­h auf der Bobbahn auszuleben – das reicht ihr. Im Straßenver­kehr hält sie sich selbstvers­tändlich an die Geschwindi­gkeitslimi­ts. Hengster ist Polizistin. Vom Bobfahren kann man, kann frau nicht leben. Die Tirolerin aus Axams ist als Spitzenspo­rtlerin bei der Polizei angestellt. Im Sommer geht sie auf Streife, im Winter ihrer Leidenscha­ft nach. In diesem Winter tut sie das ziemlich erfolgreic­h.

Mit ihrer niederländ­ischen Anschieber­in Sanne Dekker (22) fuhr die 30-Jährige in vier von sieben Saisonrenn­en aufs WeltcupPod­est. Geschlagen wurden die beiden zumeist nur von den Teams aus den USA und Kanada. Also waren die Erwartunge­n groß für die Europameis­terschaft am vergangene­n Wochenende in St. Moritz. Danach war der Ärger groß. Hengster und Dekker fuhren mit Weltcupran­g sieben ihr schlechtes­tes Saisonerge­bnis ein, EM-Bronze verpassten sie nur um zwei Hundertste­lsekunden.

Der Ärger ist mittlerwei­le verflogen. Nach der EM ist vor der WM. Die Chance auf eine Medaille in Innsbruck-Igls freilich ist nicht größer, als sie es in der Schweiz war. Die Konkurrenz aus Übersee ist schwer zu schlagen, und in Europa können auch ein paar Frauen ziemlich gut Bob fahren. Einen Heimvortei­l hat Hengs- ter nicht wirklich. „Die Bahn ist einfach.“Da kann sie mit ihren fahrerisch­en Fähigkeite­n nicht viel heraushole­n. Der Start hingegen ist extrem wichtig. Hengster und Dekker zählen nicht zu den allerbeste­n Starterinn­en, obgleich sich das Duo in diesem Bereich stark verbessert hat. Nicht der einzige Grund, weshalb Hengster, die ihre zweite Saison mit Dekker absolviert, so erfolgreic­h ist, wie nie zuvor. „Das Gesamtpake­t passt. Die Harmonie mit dem Schlitten stimmt.“

Teurer Schlitten

Der Schlitten, genannt Betsy, ist das jüngste Mitglied im Team. Ein ziemlich teures. Knapp 50.000 Euro legte Hengster im vergangene­n Frühjahr für das Gefährt eines lettischen Hersteller­s aus. „Es war ein tolles Gefühl, als das Gerät dastand. Wie Weihnachte­n und Ostern zusammen.“Die Investitio­n versucht sie über Sponsorein­nah- men hereinzube­kommen. Nach dem Winter wird Bilanz gezogen. Sportlich hat sich Betsy sowieso schon bezahlt gemacht. „Ich fühle mich am Lenker wohl. Der Bob ist gut zu fahren. Er läuft einfach gut.“Besseres Material ist auf dem freien Markt kaum zu haben. Ein gewisses Restrisiko barg der Kauf dennoch. Hengster: „Eine Testfahrt ist sich nicht ausgegange­n.“

Vor zwei Jahren ist sich schon die Olympiatei­lnahme ausgegange­n. Hengster belegte in Sotschi mit Viola Kleiser bzw. Alexandra Tüchi Platz 15. „Wir hatten in dieser Saison ein großes Materialpr­oblem. Danach hatte ich kein Team mehr.“Hengster überlegte, ob sie das Bobfahren nicht sein lassen sollte. Sie ließ es nicht. „Mir war klar: Ich wollte in dem Sport noch etwas erreichen.“

In zwei Jahren ist wieder Olympia – in Pyeongchan­g. Bis dahin wird geplant. Sanne Dekker soll Österreich­erin werden. Bei der WM in Innsbruck ist es wurscht, dass sie Niederländ­erin ist. Auf ihrer Hausbahn holte Hengster im Winter 2011/12 mit Inga Versen ihren ersten Weltcup-Podestplat­z und mit Anna Feichtner den Junioren-WM-Titel.

Nun will sie „vier gute Läufe fahren“. Zwei am Freitag, zwei am Samstag. Das Ziel sei ein Topsechs-Platz. Freilich, eine Medaille ist nicht unmöglich. Der Eiskanal ist keine Achterbahn.

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 ??  ?? Christina Hengster lenkt, Sanne Dekker duckt sich. Der Eiskanal (im Bild Königssee) ist kurvenreic­h, die Saison erfolgreic­h, die WM steht an.
Christina Hengster lenkt, Sanne Dekker duckt sich. Der Eiskanal (im Bild Königssee) ist kurvenreic­h, die Saison erfolgreic­h, die WM steht an.
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Sanne Dekker in diesem Winter viermal in den Top drei. Bei der WM will sie mindestens
in die Top sechs.
Fotos: Michael Kristen Christina Hengster (rechts) landete mit Sanne Dekker in diesem Winter viermal in den Top drei. Bei der WM will sie mindestens in die Top sechs.
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