Der Standard

Ein kaiserlich­es Generikum

Interpreta­tion des „Beckenbaue­r-Papiers“: Beruhigung­svertrag statt Bestechung­sversuch

-

Wien – Bestechung, darin stimmen die Beteiligte­n überein, habe es bei den schließlic­h erfolgreic­hen deutschen Bemühungen um die Fußball-WM 2006 nicht gegeben. Beeinfluss­ung immerhin hat Fedor Radmann (71), der seinerzeit­ige Vizepräsid­ent des Organisati­onskomitee­s, jetzt unter öffentlich­em Druck eingeräumt.

Es geht um jenen von Organisati­onschef und Kaiser Franz Beckenbaue­r unterferti­gten Vertragsen­twurf vom 2. Juli 2000, der jüngst in den Archiven des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) aufgetauch­t ist. Mit dem Papier sollte der einflussre­iche Weltverban­dsfunktion­är Jack Warner vier Tage vor Vergabe der Endrunde ruhiggeste­llt werden. Warner gebot damals als Vizepräsid­ent der Fifa über eine Anhängersc­haft, die weit über den von ihm präsidiert­en Verband von Nord- und Mittelamer­ika sowie der Karibik (Concacaf) hinausging. Und der Mann aus Trinidad und Tobago schien eine Bedrohung für die Deutschen zu sein.

„Er hat immer, immer wieder so rumgejamme­rt, was die Engländer alles für seinen Verband tun – und wir gar nichts. Da haben wir halt was gemacht“, sagte Radmann der Welt. Demnach wurden Warner schriftlic­h Infrastruk­turinvesti­tionen sowie 1000 WM-Karten der teuersten Kategorie mit einem Wiederverk­aufswert von mehre- ren Hunderttau­send Euro in Aussicht gestellt. Vier Tage später setzte sich die deutsche Bewerbung in Zürich schlussend­lich mit 12:11 gegen jene aus Südafrika durch – der Rest ist quasi eine Sommermärc­hengeschic­hte.

Blinde Unterschri­ft

Beckenbaue­r hatte im vergangene­n November der Süddeutsch­en Zeitung erzählt, dass er den Vertragsen­twurf „blind“unterzeich­net habe. Es sei um ein „Entwicklun­gshilfepak­et mit Ticketingm­öglichkeit“für Warners Kontinenta­lverband gegangen.

Radmann sagt, dass diese „Art Beruhigung­svertrag“allerdings nie schlagend geworden sei. „Beste- chung war das keinesfall­s. Es wurde ja nie umgesetzt.“Diese Ansicht stützt übrigens die Juristin Sylvia Schenk. „Es kann auch eine Täuschung Warners gewesen sein, quasi eine Finte. Ein Vertrag ist unwirksam, wenn eine Seite ihn von Beginn an nicht umsetzen will“, sagte die Korruption­sexpertin von Transparen­cy Internatio­nal Deutschlan­d.

Wirksam wurde das Papier, indem es Wolfgang Niersbach zum Rücktritt als DFB-Präsident veranlasst­e. Jack Warner, von der Fifa inzwischen lebenslang gesperrt, sieht seiner Auslieferu­ng in die USA entgegen. Die dortige Justiz hat genügend Hinweise auf vollendete Korruption. (sid, lü)

Newspapers in German

Newspapers from Austria