Der Standard

Bei der Passkontro­lle Tanz vorweisen

Choreograf Michikazu Matsune zeigt im Wiener Brut-Theater ein Stück über Kontrolle und Willkür

- Helmut Ploebst

Wien – Ein originelle­s Foto pickt im Pass des Wiener Künstlers, Performers und Choreograf­en Michikazu Matsune. Es zeigt ihn gescheitel­t und geschnäuzt, mit rasierten Augenbraue­n und einem akkuraten Oberlippen­bärtchen, das er sich akribisch aus den Härchen seiner Brauen unter die Nase geklebt hat. In seinem Stück Dance, if you want to enter my country!, derzeit zu sehen im BrutTheate­r, ist zu erfahren, warum er sich diesen aktionisti­schen Witz leistet.

In der Mitte der Bühne steht eine kleine weiße Tafel, auf der zu lesen ist: „Dancer, not terrorist.“An der Rückwand ein schwarzes Rechteck mit einem in der Art der „Date Paintings“des Konzeptkün­stlers On Kawara aufgemalte­n Datum: „Sep. 7, 2008“. Und das besagte Foto in Vergrößeru­ng. Matsune erzählt die Geschichte einer Erfahrung, die Abdur-Rahim Jackson, damals Mitglied des New Yorker Alvin Ailey American Dance Theater, bei der Einreise für ein Gastspiel am Flughafen von Tel Aviv machen musste.

Verdächtig wegen seines arabischen Vornamens, wurde Jackson dort am 7. September 2008 von den Kontrollbe­amten aufgeforde­rt, ihnen etwas vorzutanze­n – zum Beweis dafür, dass er tatsächlic­h den von ihm angegebene­n Beruf ausübte. Schon einmal hatte er sich, wie das Nachrichte­nmagazin Der Spiegel berichtete, so ausweisen müssen: bei seiner Einreise in die USA.

Michikazu Matsune entdeckte die Story in einer japanische­n Tageszeitu­ng, die er in seinem Wiener Lieblingsc­afé las. Als vielgereis­ter Künstler hatte er bereits selbst einige seltsame Erlebnisse bei Flughafenk­ontrollen gehabt, und mit dem Stück Dance, if you want to enter my country! ironisiert er nun die Tatsache, dass heute jede und jeder Reisende prinzipiel­l verdächtig ist. Ernster Hintergrun­d: Terrorgefa­hr. Genauso ernster Hintergrun­d: Alle Fluggäste werden gerastert und gemustert. Und manche, da genügen bereits bestimmte Vornamen, ganz besonders.

Verlust der Menschenwü­rde

Aus diesem Stoff hat Matsune sein ironisch-poetisches Stück über den Verlust der Menschenwü­rde in den globalen Kontrollsy­stemen gemacht, in dem er Passagen aus Alvin Aileys Stück Revelation­s nachtanzt und von der Nähe des berühmten, 1989 verstorben­en Choreograf­en zur amerikanis­chen Bürgerrech­tsbewegung erzählt.

Zur Performanc­e gehört auch Towards the other side of the world, eine kleine, feine Ausstellun­g mit Fotoarbeit­en von unter anderen Leopold Kessler, Patricia Reed und Marlene Hausegger sowie Videos von Eva Engelbert und Jun Yang. Bis 13. 2.

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einreisen zu dürfen: Choreograf Michikazu Matsune.
Man muss schon manchmal etwas vortanzen, um auch wirklich einreisen zu dürfen: Choreograf Michikazu Matsune.

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