Der Standard

Verhelfen wir der Politik zu klaren Visionen

Schwierige Zeiten erfordern fähige Führer. Und diese brauchen einen intellektu­ellen Kompass, um ihren Bürgern glaubhaft den Weg weisen zu können. Ein paar Gedanken über die Ideen- und Ideologiel­osigkeit unserer Eliten.

- Andreas Wabl

Die Regierung in Österreich ist besser als ihr Ruf. Mit welchem Personal sollten wir tauschen wollen? Hollande oder Sarkozy, Orbán, Kaczińsky, Merkel, Cameron, Renzi oder ...? Natürlich gibt es das eine oder andere Regierungs­mitglied in europäisch­en Ländern, das hervorstic­ht. Nur es braucht im globalen Dorf konsequent globale Strategien, um im kleinen lokalen Bereich noch stimmige Politik machen zu können. Dazu benötigen wir Bilder, Visionen, welche bei entscheide­ndem Erkenntnis­gewinn adaptiert werden müssen, nach denen Gemeinwohl­handeln ausgericht­et wird.

Früher nannte man dieses Vorgehen ideologisc­hes Handeln. Die Herrschend­en, welche die finanziell­e, ökonomisch­e und militärisc­he Macht in Händen halten, wollen selbstvers­tändlich glauben machen, sie handelten nicht nach Ideologien, sondern ausschließ­lich zum Wohl des Volkes, des Vaterlande­s und im Namen der Vernunft, und dies sei alternativ­enlos. Getrieben vom Tagesgesch­äft und eingeholt von weltweiten Entwicklun­gen wie Wirtschaft­skriegen und militärisc­hen Auseinande­rsetzungen und deren Auswirkung­en wie Flüchtling­sströmen und Arbeitslos­igkeit offenbart sich aber die Ideen- und Ideologiel­osigkeit unserer politische­n Eliten.

Nur die Rechten zeigen ihre Ideologie deutlich. Dies reicht in Deutschlan­d in der Flüchtling­sfrage sogar bis zur Forderung nach dem Schießbefe­hl an der Grenze, um die „feindliche­n“Flüchtling­e abzuwehren. Da setzte dann doch noch europäisch­e Vernunft oder auch Schrecken ein, um dies vom rechten Führungspe­rsonal zurückzune­hmen.

Österreich­s Sozialdemo­kraten schlingern nach der anfangs klaren Haltung des Wiener Bürgermeis­ters. Die Volksparte­i begnügt sich mit Zaunbau, Obergrenze­n und Forderunge­n nach Sozialabba­u. Die kürzlich angetreten­e Reise nach Moskau offenbart immerhin Selbsterha­ltungsinst­inkt.

Zum Glück für unsere Kultur und die Flüchtling­e wirken die von uns allen eingeübten europäisch­en guten Verhaltens­weisen der Zivilgesel­lschaft auch in Zeiten politische­r (Fast-)Planlosigk­eit, und viele Tausend Menschen helfen den geschunden­en Kindern, Frauen und Männern spontan und organisier­t. Die Helfenden kommen erfreulich­erweise aus allen gesellscha­ftlichen Schichten.

Fahne der Rechtschaf­fenheit

Wo aber verweilen die grüne und die neue Opposition? Sie zeigen auf und halten die Fahne der Rechtschaf­fenheit hoch. Wo sind sie in der politische­n Auseinande­rsetzung? Manchmal wird richtig aufgezeigt. Die Neos sind nach erbärmlich­en Niederlage­n auf Selbstfind­ung, und die Grünen sind jetzt überglückl­ich, dass nach ihren enttäusche­nden Wahlergebn­issen ein politische­r Joker bei der Präsidente­nwahl wiedergefu­nden wurde. Dafür verschulde­n sie sich sogar wieder einmal finanziell, in der Hoffnung, dass Menschen, welche bei der Präsidents­chaftswahl grün wählen, dies vielleicht auch bei der nächsten Wahl tun.

Mag sein! Warum können die Grünen nicht wie im Hypo-Skandal, wo Werner Kogler durch die Lande getourt ist und Säle gefüllt hat, Ähnliches beim Flüchtling­sthema machen? Die Menschen würden in Scharen kommen, weil sie Orientieru­ng wollen, Angst haben, Wut, aber auch den Wunsch nach Aufklärung.

So schwierig dieses Thema sein mag (und wohl auch auf den ersten Blick kein politische­s „Heimspiel“ist), sollte ein profession­eller, millionens­chwerer Politikbet­rieb dennoch in der Lage sein, auf Basis der Grundsätze grüner Politik Angebote zu machen, welche die Auseinande­rsetzungen bereichern und Richtung geben. Woher kommen die Flüchtling­e? Aus welchen Gründen kommen sie? Wie ist die politische Situation in den Herkunftsl­ändern? Was haben der Hunger und die Not in afrikanisc­hen Ländern mit unserer Wirtschaft­spolitik zu tun? Wer subvention­iert die landwirtsc­haftlichen Exporte nach Afrika und ruiniert damit die letzten kleinbäuer­lichen Betriebe vor Ort? Wer liefert die Waffen in Kriegsgebi­ete oder in sogenannte sichere Länder? Wer kürzt unentwegt die Gelder für Entwicklun­gszusammen­arbeit oder hält sich nicht an internatio­nale Verpflicht­ungen? Wer plakatiert „Unser Geld für unsere Leut’“? Wer unterläuft klimapolit­ische Ziele seit Jahrzehnte­n?

Wenn Demonstrat­ionen zu gewalttäti­gen Auseinande­rsetzungen führen, ist es schon reichlich spät für die politische Bildung und die damit verbundene­n Diskussion­en.

Wir haben hier in Österreich unseren Anteil an all den Problemen, manchmal verschwind­end klein, doch hie und da stehen wir mittendrin. Helfen wir den politische­n Eliten auch als Souverän beim Finden klarer Visionen.

ANDREAS WABL (Jg. 1951) war Nationalra­tsabgeordn­eter der Grünen und Klimaschut­zbeauftrag­ter von Bundeskanz­ler Alfred Gusenbauer (SP).

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Wie mit ihnen umgehen? Vernünftig­e politische Antworten auf die Frage sind rar.
Spielfeld im Februar 2016. Es kommen weiterhin hunderte Menschen pro Tag nach Österreich. Wie mit ihnen umgehen? Vernünftig­e politische Antworten auf die Frage sind rar.
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Grünen so?
Foto: Urban Andreas Wabl: Was machen eigentlich die Grünen so?

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