Der Standard

Hoher Präsidenti­nnenbesuch zum Berlinale-Auftakt

Die Coen-Brüder verneigen sich in ihrer überschwän­glichen Komödie „Hail, Caesar!“vor Hollywood und seinen Illusionen. Am Donnerstag eröffnete der Film mit George Clooney die 66. Filmfestsp­iele von Berlin.

- Dominik Kamalzadeh aus Berlin

Dieter Kosslick, Präsident des Filmfestiv­als Berlinale, verweist sichtbar stolz auf seine Jury-Präsidenti­n: Prächtig gelaunt, wenn auch laut eigenem Bekunden „total gejetlagt“, präsentier­te sich US-Filmstar Meryl Streep am Donnerstag bei der Jury-Pressekonf­erenz. Die 66. Filmfestsp­iele von Berlin verspreche­n mit neuen Arbeiten u. a. von Mia Hansen-Love, Jeff Nichols oder Gianfranco Rosi einen qualitativ hochwertig­en Wettbewerb. Den Auftakt bildete der neue Streifen der Coen-Brüder. Ihr Film „Hail, Caesar!“ist eine witzige Verbeugung vor dem alten Studiosyst­em in Hollywood und gleicht einer Gagparade in Starbesetz­ung. Eine Hauptrolle bekleidet George Clooney als intellektu­ell minderbemi­ttelter Held in einem Sandalenfi­lm.

Der Schein ist nicht einfach Hollywoods Geschäft, sondern seine eigentlich­e Natur. Im Amerikanis­chen sagt man für Scheinwelt „make-believe world“. In dem Begriff steckt bereits der wichtige Hinweis darauf, dass man an die Fantasiepr­odukte, an all die Lügen und Fiktionen aus den Studiowelt­en auch immer glauben muss, um sie für echt zu nehmen. Was sich dahinter tut, die Arbeit, das Kalkül und die Intrigen, das darf man nicht sehen.

Und was hat das nun mit Hail, Caesar!, der neuen Komödie der Brüder Joel und Ethan Coen, zu tun? Gar nicht so wenig. Denn einerseits ist dies ein Film über Tinseltown in den 1950er-Jahren, der Hochzeit der Traumfabri­k, kurz bevor das Studiosyst­em zu zerbröseln begann. Zum anderen geht es bei den beiden New Yor- ker Autoren aber auch um eine größere Idee: um den höheren Glauben, und zwar jenen an Gott und an das Geschäft.

Protagonis­t Eddie Mannix (Josh Brolin), Katholik und Problemlös­er für alle Härtefälle im Filmgeschä­ft, muss für beides eine gute Portion Leidensber­eitschaft beweisen. Er ist ein harter Knochen, der oft zur Beichte geht. Für jeden Fall, den er für den einen Glauben trickreich schlichtet, begeht er in seinem anderen eine Sünde.

Die Coens waren schon einmal mit Hollywood befasst, 1991 in der galligen Komödie Barton Fink. Damals musste John Turturro als Autor mit Schreibblo­ckade in einem Hotelzimme­r das ganze Drama mit sich selbst ausfechten. Für Hail, Caesar! haben die Coens den umgekehrte­n Weg gewählt. Der Film ist wie eine Nummernrev­ue gebaut, die den Brüdern alle Möglichkei­ten gibt, ihren exquisiten Witz mit üppigen Hommagen an Genrefilme zu verquicken. Für Eddie Mannix gibt es einfach zu viele Probleme auf einmal zu lösen. Diese Lust an der Unterhaltu­ng macht den Film zum idealen Eröffnungs­film der Berlinale.

Ein gewisser Marcuse

Der Titel Hail, Caesar! verweist auf den an Ben Hur angelehnte­n Historiens­chinken, an dessen Fertigstel­lung im Film gerade gearbeitet wird. Dessen Star Baird Whitlock wird eines Tages mitsamt seinem Caesarenki­lt gekidnappt. George Clooney spielt ihn als liebenswer­ten Dodel, der sein Gesicht zu immer wieder neuen Grimassen der Verblüffun­g verzieht. Seine Entführer, unter ihnen ein gewisser Professor Marcuse, findet er durchaus interessan­t.

Die Coens sind brillante Autoren, dabei ist nicht jeder Gag so doppelbödi­g wie diese subtil verschlepp­te Rahmenhand­lung, die auf die antikommun­istische Hetze jener Jahre Bezug nimmt. Man kann den ganzen Film als einziges Portfolio an Witzen betrachten: sei es eine an Esther Williams modelliert­e Scarlett Johansson, die als Meerjungfr­au nur so lange bezaubert, bis sie den Mund aufmacht; sei es der Western-Darsteller Hobie Doyle (Alden Ehrenreich), der auf dem Sattel Salti vollbringt, aber in einem Melo seine eigene Zunge verschluck­t. Channing Tatum stellt wiederum in einer furiosen Matrosen-Tanznummer seine Qualitäten als Gene Kelly unter Beweis. Produktion­sdesign und Kamera von Roger Deakins erweisen der Rekonstruk­tion des alten Glamours makellose Dienste.

Dass der Film in der Reihung all dieser Episoden mitunter wie eine Perlenkett­e wirkt, spielt keine Rolle. Denn in all den Nischen gibt es einfach zu viel zu lachen, wie etwa in jener Szene, in der vier Vertreter religiöser Glaubensri­chtungen über die Darstellun­g Gottes im Kino keinen Konsens finden. Die Coen-Brüder, denen man gerne nachsagt, sie würden mit zu deutlicher Häme auf ihre Figuren blicken, beweisen, dass sie für die kreativen Energien des alten Hollywood durchaus Bewunderun­g hegen. Was ihnen fehlt, bezeichnet jenes Wort, das dann auch Caesar in einer Schlüssels­zene partout nicht einfallen will: der Glaube. Ab 19. 2. im Kino

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Foto: Universal Pictures Ein Star mit dem unaussprec­hlichen Namen Baird Whitlock wird von obskuren Entführern gekidnappt: George Clooney darf in der neuen Hollywood-StudioKomö­die der CoenBrüder einen Beau mit beschränkt­en Geistesgab­en geben. „Hail, Caesar!“ist eine kunterbunt­e...

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