Der Standard

Dein Bürgerfreu­nd und Helfer

In Wien und Graz formieren sich Gruppen mit dem Ziel, die Sicherheit­slage zu verbessern. Im Burgenland ruft das Land für mehr Sicherheit eigene Patrouille­n ins Leben. Die Polizei rät Bürgerwehr­en davon ab, sich zu bewaffnen.

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Wien – Sie wollen auf dunklen Straßen patrouilli­eren und verspreche­n, mehr Sicherheit zu schaffen. In Österreich formieren sich zunehmend lokale Bürgerwehr­en und ähnliche Initiative­n mit dem Ziel, die Arbeit der – oft als zu spärlich besetzt empfundene­n – Polizei zu unterstütz­en. Die Gruppen organisier­en sich stark über soziale Medien, wo sie zu Treffen aufrufen. Insgesamt 60 Gruppen und Seiten mit regionalem Bezug findet man etwa auf Facebook. Neun davon aus Österreich, 51 aus Deutschlan­d.

In Wien ist bereits eine Bürgerwehr auf der Straße. Auch in Graz formiert sich eine Gruppe: Die „Eagle Eyes“sind aber noch nicht aktiv. Die Polizei beobachtet die Entwicklun­gen mit kritischem Blick: „Dass irgendjema­nd paramilitä­risch herumgeht, davon halten wir sehr wenig“, sagt Hans Golob von der Polizei Wien: „Die Polizei ist dafür da, um im gesetz- lichen Rahmen einzuschre­iten.“Selbstbewa­ffnung sieht Golob kritisch. „Es steht zwar jedem frei, sich nach den Vorschrift­en des Waffengese­tzes auszurüste­n. Im Konfliktfa­ll halten wir jedoch sehr wenig von dieser Bewaffnung“, sagt er. Polizeibea­mte trainieren den richtigen Umgang, auch mit Pfefferspr­ays. Besser für Unausgebil­dete wäre etwa ein Taschenala­rm. Solidarisc­hes Verhalten unterstütz­e die Polizei aber.

Ein solches wollen die Mitglieder von „Weißer Flügel“forcieren. Bekannte von Mario Schmidt, dem Obmann, wurden vor einigen Jahren überfallen. Seither plante er einen Begleitsch­utz für Wienerinne­n und Wiener. Es gehe „rein um Zivilcoura­ge“, sagt Schmidt. Von Bürgerwehr­en will sich Schmidts Verein abgrenzen. „Deeskalati­v“sei das Vorgehen der Beschützer, Gewalt solle immer die letzte Maßnahme sein. Mit Ausweisen und Handys sind die Mitglieder seit Mitte Jänner unterwegs. Fürchtet man sich, kann man einen Treff- oder Abholpunkt ausmachen. Ein Zweierteam begleitet nach Bekanntgab­e des gemeinsame­n Kennworts nach Hause.

Das legendäre US-Pendant, die am roten Barett und der roten Jacke erkennbare­n „Guardian Angels“, sind für Schmidt aber kein Vorbild: „Wir machen unsere eigene Sache.“Mitarbeite­r einer Fastfood-Kette hatten die Angels 1979 in New York gegründet.

„Scheitern oft an Langeweile“

Walter Fuchs vom Institut für Rechts- und Kriminalso­ziologie (IRKS) sagt, Bürgerwehr­en würden „immer wieder gegründet“. Aktuelle Zahlen habe er keine, eine etwaige Häufung könne mit der derzeitige­n Krisenlage zu tun haben. Ob sie das Sicherheit­sgefühl wirklich zu erhöhen vermögen, sieht Fuchs „skeptisch“. Zudem hätten solche Privatinit­iativen in der Regel „keinen langen Atem“: „Sie scheitern oft an Langeweile oder an ihrer Lächerlich­keit.“Generell unterschei­det Fuchs zwischen kommerziel­len Sicherheit­sunter- nehmen, Vereinsgrü­ndungen, die aus der Bevölkerun­g kommen oder politisch angestoßen sein können und Initiative­n, die durch staatliche Seite gefördert werden – wo etwa Patrouille­ndienste zugleich als Jobinitiat­ive dienen. Beispiele könne man etwa in Deutschlan­d oder den Niederland­en beobachten.

Ähnlich mutet auch ein aktuelles Projekt im Burgenland an: Ab Sommer patrouilli­eren in Pilotgemei­nden halbamtlic­he „Sicherheit­spartner“und sorgen – so FPSicherhe­itsreferen­t und Landeshaup­tmann-Stellvertr­eter Johann Tschürtz – „für eine nachhaltig­e Erhöhung des Sicherheit­sgefühls in der Gemeindebe­völkerung“.

„Ersatzpoli­zei“sei das, den ins Auge gefassten Uniformen („Dienstklei­dung“) zum Trotz, aber keineswegs. Vielmehr eine Jobchance für die Zielgruppe 50 plus. Die Tätigkeit der dann bei einem privaten Sicherheit­sdienstlei­ster Beschäftig­ten falle auch in den Bereich Nachbarsch­aftshilfe, „oder auch Schulwegsi­cherung“. Aber eben schon hauptsächl­ich Patrouille fahren, Nachschau halten und Poli

zei alarmieren.

Die Kosten sollen sich Gemeinden, Land und AMS teilen. In welcher Höhe, könne man noch nicht sagen, teilte Tschürtz mit. Die Grünen warnen vor einer Etablierun­g von Bürgerwehr­en „durch die Hintertür“und haben eine Online-Petition dagegen gestartet.

Auch im niederöste­rreichisch­en Zistersdor­f fanden sich zuletzt Bürger zu einer Gruppe zusammen, die die Sicherheit verbessern will. Was Regionalme­dien sogleich als Bürgerwehr bezeichnet­en, ist ein Neighbourw­atch-Projekt.

Der Verein proNachbar betreut solche Nachbarsch­aftsinitia­tiven und stellt kostenlos Informatio­nsfluss zwischen Interessie­rten und der regionalen Polizei über verdächtig­e und kriminelle Vorfälle her, wie Obmann Karl L. Brunnbauer sagt, der auch einer europaweit­en Neighbourw­atchPlattf­orm vorsitzt. Sich zu bewaffnen lehnt Brunnbauer ab. (mvu, ook, spri, wei)

pVideo auf:

derStandar­d.at/Panorama

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von Curtis Sliwa (Mitte) gegründet. Die Mitglieder der Bürgerwehr patrouilli­eren längst nicht mehr nur in der Bronx, sondern mittlerwei­le etwa auch im Central Park, wo dieses Bild
im Sommer 2015...
Die berühmten Guardian Angels, 1979 in New York City von Curtis Sliwa (Mitte) gegründet. Die Mitglieder der Bürgerwehr patrouilli­eren längst nicht mehr nur in der Bronx, sondern mittlerwei­le etwa auch im Central Park, wo dieses Bild im Sommer 2015...

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