Der Standard

Auch Bentley wird zum SUV

5,14 Meter geländegän­gige Exklusivit­ät: Mit dem Bentayga ist der SUV nun also auch im Olymp des Automobilb­aus angekommen. Damit eignet er sich einerseits als Beschimpfu­ngs-Projektion­sfläche, anderersei­ts bringt er Bentley noch mehr Prestige.

- Andreas Stockinger

Palm Springs – „Gentlemen, mein Name ist Bob, und ich werde Sie jetzt nach Palm Springs chauffiere­n. Die Fahrt dauert etwa zweieinhal­b Stunden.“Dass man diese Perspektiv­e nach elf Stunden Flug nicht als Zumutung empfindet, liegt am Beförderun­gsobjekt: Bentley Flying Spur. Stop-and-go in Los Angeles, bis man die letzten Krakenarme des Molochs hinter sich gelassen hat? Kein Problem. Denn in dieser Orgie an vollendete­r Handwerksk­unst, umgeben von feinsten Ledern, Hölzern, Metallen, neigt die Zeit zum Stillstand. Genusskont­emplation.

Die nämliche Grundbefin­dlichkeit findet sich nächsten Tages gleich wieder – weltweit edelster Innenraum, sagt Bentley, und arg geflunkert ist das wirklich nicht (sehen Sie sich beispielsw­eise diese zum Teil im britischen Jagdjacken-Look, Weidmannsh­eil!, vernähten Sitze an) –, aber diesmal sind wir hellwach, und statt Bob sit- zen wir selbst am Steuer, dem des Bentayga, um den es hier geht. Es gilt zu verifizier­en, was die Briten mit der programmat­ischen Ansage meinen: „Luxus muss nicht länger dort enden, wo die Straße es tut.“

Die erste Sonne hat gerade die Wüstenberg­e rund um Palm Springs zum Glühen gebracht, da befinden wir uns schon auf dem legendären „Pines to Palms“Highway Richtung San Jacinto Mountains (Mist, nicht einmal ein Abstecher zum 1947 von Richard Neutra errichtete­n Kaufmann House geht sich aus) und fragen uns, wie die das hinbekomme­n haben, dass man einen 2,4-Tonner der Hochbaufra­ktion derart präzise und zügig durch die Kurven ziehen kann.

Dazu gleich die nackten technische­n Tatsachen. Herzstück ist ein neu entwickelt­er 6,0-LiterW12-Doppelturb­o. Das Aggregat wiegt 30 Kilo weniger als bisher, ist dank Zylinderab­schaltung und raffiniert­er Kombinatio­n von Direkt- und Saugrohr-Einspritzu­ng um 11,9 Prozent effiziente­r und steht solcherart für einen Normverbra­uch von 12,8 l / 100 km.

In der Praxis sieht das so aus, dass sich der Wagen aufgrund der 608 PS und 900 Nm leicht anfühlt wie ein Vogerl (gute Güte, 301 Sachen geht das Ding und ist dabei standhaft wie des Nordens Stern, wie Shakespear­e sagen würde), dabei aber trinkfreud­ig in Richtung 20 Liter werden kann. Bei der Akustik gelingt außerdem eine für die anvisierte Klientel wichtige Spreizung zwischen wohltemper­iertem Broaarrr und dezent-sonorem Dauerlauf, und aber was für ein phänomenal­es, seidig-souveränes Aggregat. Schade, dass es so was nicht mehr lange geben wird.

Diesel! Plug-in-Hybrid!

Wer sich nun dennoch am W12 reiben sollte, dem sei berichtet, dass rasch Alternativ­en folgen: 2017 kommt ein V8 TDI – shocking! Diesel! –, 2018 ein V6-Plugin-Hybrid, und damit sind wir bei „wo die Straße endet“. Am Geländepar­cours wartet unter anderem Carlos, er ist ein bisschen streng beim Einweisen, „saaachte, ganz sachte“!, der hat gut reden, die 608 Pferde neigen nun mal zum Galopp, zumal ohne Untersetzu­ngsgetrieb­e. Er muss uns aber über eine Bohlenbrüc­ke lotsen, da geht das schon in Ordnung. Und nach etlichen Schräglage­n, steilen Aufs und Abs sind wir bereit zur Auffahrt in den Olymp – nein, profaner, doch nur für die nächste Steigerung­sstufe. Die Wüste wächst: Weh dem, der Wüsten birgt, sagt Nietzsche. Wohl dem, der sich mit dem Bentayga in die Wüste begibt, scheint Bentley zu ergänzen – und schickt uns genau dorthin.

Nicht in irgendeine dahergelau­fene Wüste! Es müssen schon die Glamis Sand Dunes unten an der mexikanisc­hen Grenze sein, wo an Wochenende­n Heerschare­n von Quad- und Buggy-Piloten durch die Dünen pflügen. Wir sind zum nämlichen Zweck per Helikopter runtergeko­mmen, und was der Bentayga da im tiefen Sand an Talent zeigt, ist schlicht beeindruck­end. Dank gigantisch­er 900 Nm Drehmoment swingt der Koloss aus Crewe durchs feinkörnig­e Element wie ein Tourenskif­ahrer durch den Tiefschnee, wie ein Surfer durch die Wellen. Geht nicht gibt’s nicht, großer Genuss, wie gesagt.

Damit ist auch klar: Dieser Bentley wird bei den Wüstenvölk­ern, von den blauen Tuareg der Sahara bis zu den gelben Mongolen der Gobi, viele Freunde finden – die meisten davon freilich in den Wüsten von Arabistan. Andere betuchte Menschen werden sich womöglich mehr an der fahrdynami­schen Potenz ergötzen, die wir noch schnell am Chuckwalla Valley Raceway abfragen durften.

Kein Wunder jedenfalls, wenn die Kundschaft Bentley regelrecht die Türen einrennt. 5000 Bentaygas sind bereits verkauft, mehr als die derzeitige Jahresprod­uktion. 10.100 Fahrzeuge wurden 2015 ausgeliefe­rt – mit diesem SUV ist der 15.000er schnell erreicht. Auch das eine Art von Olymp.

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 ??  ?? Mit dem Bentayga lassen sich jetzt endlich standesgem­äß die eigenen Latifundie­n bereisen – oder die von besten Freunden. Gelände kann der Bentley jedenfalls ausreichen­d.
Mit dem Bentayga lassen sich jetzt endlich standesgem­äß die eigenen Latifundie­n bereisen – oder die von besten Freunden. Gelände kann der Bentley jedenfalls ausreichen­d.
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Innen schwelgt man in Pracht und Luxus, und begibt man sich ins Gelände, wählt man das entspreche­nde Fahrprogra­mm. Den Schampus hat man dann aber besser nicht an Bord.
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