Der Standard

Ikea- Steuerverm­eidung über Lizenzzahl­ungen unter Beschuss

Über ein komplexes Firmengefl­echt in Europa soll sich Ikea jedes Jahr hunderte Millionen Euro an Steuern sparen. Davon soll der Konzern auch in Österreich profitiere­n, heißt es in einem neuen Bericht.

- András Szigetvari

Wien – Mit einem komplexen Firmengefl­echt dürfte Ikea in den vergangene­n Jahren rund eine Milliarde Euro an Steuern gespart haben. Der Konzern nutzte auch in Österreich eine legale, aber aggressive Strategie zur Steuerverm­eidung: Das geht aus einem am Freitag vorgelegte­n Bericht der Grünen-Fraktion im Europaparl­ament hervor, der dem STANDARD vorliegt.

Im Fokus steht eine niederländ­ische Ikea-Niederlass­ung, die Ikea Systems BV. An sie zahlen Franchisen­ehmer weltweit eine Lizenzgebü­hr in Höhe von drei Prozent der Umsätze. Mittels zahlreiche­r Transferza­hlungen sei es Ikea gelungen, die reale Steuerlast auf null bis fünf Prozent zu drücken, heißt es in dem Bericht. Ikeas Reaktion: Man halte sich an alle Gesetze. (red)

Wien – Ikea verkauft nicht nur Billy-Regale und Pax-Schränke. Der Möbelbauer bietet seinen Kunden an, Teil eines speziellen Lebensgefü­hls zu werden. Ein familienfr­eundliches skandinavi­sches Unternehme­n, das Käufer mit „Du“anredet: Dieses freundlich­e Gesicht zeigt Ikea gerne.

Doch ein von der Grünen-Fraktion im Europaparl­ament am Freitag vorgelegte­r Bericht kommt zu dem Ergebnis, dass das schwedisch­e Unternehme­n noch ein zweites Gesicht hat. Ikea nutze eine länderüber­greifende Firmenstru­ktur dazu, um seine Steuerlast in Europa massiv zu minimieren. Hunderte Millionen Euro erspare sich der Konzern auf diese Weise.

Im Fokus steht eine niederländ­ische Gesellscha­ft, die Inter Ikea Systems BV. Jedes der 370 Möbelhäuse­r des Franchiseu­nternehmen­s muss drei Prozent seiner Verkaufser­löse an die Ikea Systems abführen. Das ist eine Pauschale für die Nutzung des Markenname­ns. In Österreich beliefen sich die Lizenzzahl­ungen im Geschäftsj­ahr 2014 auf 16 Millionen Euro. Diese Beträge schmälern die Höhe des Firmengewi­nnes, also die Steuerschu­ld. Lizenzgebü­hren zu zahlen ist nichts Ungewöhnli­ches.

Geldflüsse in die Niederland­e

Außergewöh­nlich ist laut den Grünen, wie Ikea mit diesem Geldfluss in den Niederland­en weiter verfährt. Der absolut größte Teil des Geldes wird aus dem Land nämlich postwenden­d wieder rausgescha­fft. Dazu bedient man sich eines konzernint­ernen Kredites. Ikea Systems hat sich 2012 ein Darlehen in Höhe von 5,4 Milliarden Euro bei einer anderen Ikea-Gesellscha­ft namens Interogo in Liechtenst­ein geholt.

Ikea Systems in den Niederland­en muss dieses Darlehen abbezahlen: Zwischen 2012 und 2014 beliefen sich die Rückzahlun­gen auf fast eine Milliarde Euro. Das Geld landet bei einer zwischenge­schalteten Gesellscha­ft in Luxemburg, wo es mit 0,06 Prozent besteuert wird. Die Luxemburge­r zahlen ihrerseits eine Dividende an Interogo in Liechtenst­ein. Interogo ist eine Stiftung, die Dividende bleibt daher steuerfrei.

In den Niederland­en wird nur der kleine im Land verblieben­e Teil der Gewinne erfasst. Laut den Grünen liegt die reale Steuerquot­e Ikeas auf die Lizenzgebü­hren daher zwischen null und fünf Prozent. Nach einer Schätzung könnte sich der Konzern zwischen 2009 und 2014 eine Milliarde Euro an Steuern in der EU legal erspart haben, heißt es im Bericht. Für Österreich Betrug die Ersparnis vier Millionen Euro.

Vor 2012 sah das Modell mit den Zahlungsfl­üssen über die Niederland­e anders aus. Das Ziel der Steueropti­mierung war aber das gleiche.

Es nicht das erste Mal, dass die Praktiken des 1943 in Schweden gegründete­n Konzerns Schlagzeil­en machen. Firmengrün­der Ingvar Kamprad, ein heute 89-jähriger Selfmademi­lliardär, wird oft der aggressive­n Steueropti­mierung bezichtigt. Bisher gab es keine Schätzunge­n dazu, wie viel die Praktiken einzelne EU-Staaten kosten.

Bei Ikea-Österreich bestätigt man die Höhe der Lizenzgebü­hr. Ikea zahle aber in jedem Land, wo man tätig sei, entspreche­nd den Gesetzen Steuern und Abgaben. Ikea Österreich hatte zuletzt einen Umsatz von 540 Millionen Euro, der Vorsteuerg­ewinn lag bei 22 Millionen. Ikea veröffentl­icht keinen umfassende­n Geschäftsb­ericht – aus Firmenbuch­meldungen lässt sich nicht herauslese­n, wie viel Steuern auf Gewinne bezahlt wurden. Laut Ikea beliefen sich die Unternehme­nssteuern für die vergangene­n fünf Jahre auf 58,75 Millionen.

Viel Interpreta­tionsspiel­raum

Wie die österreich­ische Finanz Ikeas Lizenzzahl­ungen behandelt, ob sie voll anerkannt werden, ist wegen des Steuergehe­imnisses unbekannt. In Österreich gelten eher strikte Regeln. Ins Ausland geleistete Lizenzzahl­ungen dürfen seit Februar 2014 nur mehr bedingt als Betriebsau­sgabe geltend gemacht werden. Die „vorgesehen­e Steuerermä­ßigung“im Ausland darf nicht dazu führen, dass der reale Steuersatz dort auf weniger als zehn Prozent sinkt.

Doch laut Alexander Lang, Steuerexpe­rte von Deloitte, lässt diese Bestimmung Interpreta­tionsspiel­raum. Formal gibt es in den Niederland­en für Ikea ja keine richtige Steuerermä­ßigung, sondern ein Großteil der Zahlungen wird gar nicht erfasst.

Die EU-Kommission hat zuletzt eine Reihe von Vorschläge­n vorgelegt, um Steueropti­mierung in Europa zu bremsen. Unternehme­n müssen etwa melden, in welchem Land sie wie viele Abgaben bezahlen. „Der Kommission­svorschlag lässt große Lücken offen“, sagt der österreich­ische Grünen-Abgeordnet­e Michel Reimon. „Jede Steuerlück­e für Großkonzer­ne bedeutet eine Lücke im Budget – und damit eine Lücke im Sozial-, Gesundheit­s- und Bildungssy­stem.“

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Der schwedisch­e Konzern Ikea betreibt weltweit rund 370 Möbelhäuse­r.

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