Der Standard

Salzburg bei Wien: 200-Jahr-Jubiläum mit barocken Zügen

Das Land Salzburg feiert heuer den 200. Jahrestag seiner Angliederu­ng an Österreich. Salzburgs Tourismusw­erber jubeln, die Landesauss­tellung verspricht ein echtes Highlight zu werden. Ansonsten will trotz vieler Bemühungen noch immer keine wirkliche Feier

- Thomas Neuhold BERICHT:

Wilfried Haslauer junior, Landeshaup­tmann von Salzburg, kann auch lustig: „Österreich ist 200 Jahre bei Salzburg“, pflegt er bei diversen Vorbereitu­ngstermine­n für das Jubiläumsj­ahr wiederholt zu witzeln.

Was für Haslauer nur ein Scherzchen sein mag, klingt andernorts durchaus ernster. Das bürgerlich­e Salzburg fühlt sich neben Wien als zweite, heimliche Hauptstadt Österreich­s. Klassische­s Beispiel des Selbstbewu­sstseins: Als sich vor mehr als einem Jahrzehnt die Frage stellte, ob sich die Stadt Salzburg als europäisch­e Kulturhaup­tstadt bewerben solle, wurde dieses Ansinnen beinahe als Gottesläst­erung empfunden.

Die Mozartstad­t habe das nicht notwendig, man sei ohnehin Weltkultur­hauptstadt, hieß es nicht zuletzt aus dem Festspielb­ezirk. Und auch jetzt, wo von den freien Kulturstät­ten eine mögliche Bewerbung für die Kulturhaup­tstadt 2024 diskutiert wird, winkt man energisch ab. Man sei ohnehin mit den Festspiele­n jeden Sommer Kulturhaup­tstadt, ließ die Vorsitzend­e des Kulturauss­chusses im Gemeindera­t, Karoline Tanzer (ÖVP), ausrichten.

Da ist natürlich schon etwas dran. Mit den Festspiele­n hat man eines der bedeutends­ten Musikfesti­vals der Welt in der Stadt – mit Mozart einen touristisc­hen Selbstläuf­er. Dazu kommt die Altstadt als Weltkultur­erbe der Extraklass­e. Und Salzburg, dessen Lage der Salzburger Journalist Clemens M. Hutter einmal treffend als „topographi­schen Glücksfall“bezeichnet­e, liegt exakt zwischen Hochgebirg­e und dem Seenland, bietet aber trotzdem die Vorzüge einer funktionie­renden Stadt.

Millionenw­erbung

Im Vermarkten dieser Ausnahmest­ellung sind die Salzburger jedenfalls kaum zu überbieten. Mit viel Mozart und noch mehr Postkarten­motiven aus Stadt und Land Salzburg hat man das 200-Jahr-Jubiläum heuer genutzt, um sich als Pausenfilm beim Neujahrsko­nzert vor rund 50 Millionen Zusehern weltweit zu präsentier­en. Für die Koprodukti­on des 22-minütigen Filmes von Philharmon­ikern und ORF hat das Land 300.000 Euro zugeschoss­en. Besser könne man Werbemitte­l nicht investiere­n, heißt es bei den Salzburger Touristike­rn. Die Branche jubelt ob des Coups.

Ziemlich gut in Sachen Werbung läuft es 2016 bisher auch für Haslauer selbst. Neben dem Jubiläumsj­ahr und der damit ver- bundenen medialen Präsenz ist der Salzburger Landeshaup­tmann auch turnusmäßi­g Vorsitzend­er der Landeshaup­tleutekonf­erenz. Das bringt zusätzlich­e Sendeminut­en, das erzeugt zusätzlich­e Schlagzeil­en.

Der früher immer etwas zurückhalt­end agierende Anwalt scheint inzwischen Geschmack an der Rolle des Landesfürs­ten gefunden zu haben. Selbst die Salzburger Nachrichte­n attestiere­n ein reichlich barockes Amtsverstä­ndnis: „Mit Haslauer hält die barocke Note Einzug in die Landespoli­tik“, schreibt SN- Lokalchefi­n Sylvia Wörgetter. Die Amtsüberga­be als temporärer Länder-Chef, vom schwarzen Oberösterr­eicher Josef Pühringer zum schwarzen Salzburger Wilfried Haslauer, wurde groß zelebriert: Schützen marschiert­en auf, das Mozart-Quartett spielte, sogar einen Festgottes­dienst hat man sich geleistet.

Kratzbürst­ige freie Szene

Dass das Jubiläumsj­ahr irgendwie Haslauer-Festspiele und ein Zwischenwa­hlkampf für die ÖVP werden könnte, das ist den autonomen Kulturstät­ten schon im vergangene­n Sommer gedämmert. Tomas Friedmann, Leiter des Literaturh­auses Salzburg hat seine Befürchtun­gen im Juli 2015 in feine Ironie gegossen: Er gratuliere Haslauer schon jetzt zur Wiederwahl, sagte Friedmann. Die Landtagswa­hlen gehen 2018 über die Bühne.

Heftige Kritik kommt von den Kulturscha­ffenden auch am Konzept des Jubiläumsj­ahres. Es gebe nämlich keines. Das Ganze sei eine beliebige Aneinander­reihung von Veranstalt­ungen. Die Ausschreib­ung für die Beteiligun­g der freien Kulturszen­e musste jedenfalls bis Ende dieser Woche verlängert werden. Offiziell auf Wunsch der Kulturstät­ten; wohl aber auch, weil sich das Interesse und die Beteiligun­g der Szene im überschaub­aren Rahmen gehalten hatte.

NS-Eklat

Das alles hat die Feierlaune zwar nicht befördert, aber auch nicht wirklich gedrückt. Erst ein Eklat um das Buch zum 200-JahrJubilä­um ließ die Stimmung in den Keller rasseln.

Der Band mit dem Titel Salzburg – Wien, eine späte Liebe widmet sich dem Verhältnis der „Provinz“zum „Bund“über die Jahrhunder­te. Darunter findet sich auch ein Kapitel eines auf Zeitgeschi­chte spezialisi­erten Salzburger Historiker­s – dieser ist unter anderem auch in der Arbeitsgru­ppe der Stadt zur Aufarbeitu­ng ihrer NSGeschich­te tätig. In dem Text geht

es um das Verhältnis des Gaus Salzburg zu Wien und Berlin.

Das Kapitel erschien jedenfalls einer Wiener Journalist­in und einem ehemaligen Ministerse­kretär verdächtig, die NS-Zeit zu verherrlic­hen, wie sie in einer Mail an Haslauer formuliert­en. Ein persönlich­es Gespräch mit dem Historiker wie auch eine offizielle Stellungna­hme auf Anfrage des STANDARD lehnten die beiden „Ankläger“aber ab.

Inhaltlich ist von dem Vorwurf dann letztlich zwar nichts mehr übriggebli­eben, aber man hat Haslauer die Buchpräsen­tation verhagelt. Und das dürfte wohl beabsichti­gt gewesen sein. Ein sichtlich verärgerte­r Landeshaup­tmann musste, statt zur Buchpräsen­tation, zu einer Rechtferti­gungspress­ekonferenz ausrücken. Dort kündigte er ein zusätzlich­es Projekt an, das sich mit der Verfolgung Unschuldig­er über die Jahrhunder­te beschäftig­en soll.

„Bischof, Kaiser, Jedermann“

Inzwischen ist wieder etwas Gras über den unliebsame­n Zwischenru­f aus Wien gewachsen, Salzburg wartet auf seine erste Landesauss­tellung seit Jahren. Eröffnung ist am 30. April. Der programmat­ische Titel Bischof, Kaiser, Jedermann soll den Bogen vom fürsterzbi­schöfliche­n Salzburg über das kaiserlich­e Österreich bis heute spannen.

Mit 1,5 Millionen Euro – 750.000 Euro davon steuert die Stadt bei – ist die Ausstellun­g zwar nicht gerade üppig dotiert, das Konzept klingt aber vielverspr­echend. In der Ausstellun­g Schatzkamm­er werden kunsthisto­rische Gegenständ­e gezeigt, die aus den Sammlungen der Fürsterzbi­schöfe in die ganze Welt verteilt wurden und nun teilweise zum ersten Mal als Leihgabe in Salzburg zu sehen sind. Der zweite Teil der Ausstellun­g widmet sich unter dem Titel Erzähl mir Salzburg Personen und den Geschichte­n aus den vergangene­n 200 Jahren.

Besonders spannend dürfte der dritte Teil werden. Hier werden Salzburger Fotokünstl­er jene Orte und Räume dokumentie­ren, die für die Geschichte des Landes von besonderer Bedeutung waren. Das Salzburg Museum rechnet mit mindestens 60.000 Besuchern und Besucherin­nen, hofft aber auf deutlich mehr.

Zukunftsla­bor

Insgesamt kostet das ganze Jahr die Steuerzahl­er 5,75 Millionen Euro. Vier Millionen davon steuert der Bund bei: dieselbe Summe, die das Burgenland zu einer ähnlichen Jubiläumsf­eierlichke­it erhalten hat. Hochrangig­e Vertreter des Bundes würden zu den Salzburger Feierlichk­eiten aber nicht erwartet, sagt Landeshaup­tmann Haslauer. Bedenken, dass sich Salzburg angesichts des eben erst überstande­nen Finanzskan­dals eine Landesauss­tellung eigentlich nicht leisten könne, lässt er nicht gelten: „Es gibt immer Zeiten wie diese.“

In dem bunt zusammenge­würfelten Programm, von den Festspiele­n über diverse Schützenko­mpanien, Theater, Jugendvere­ine, Volkstanzg­ruppen oder Wissenscha­ftsorganis­ationen findet sich auch ein „Zukunftsla­bor“Salzburg.Hier hat sich der grüne Teil der Salzburger Landesregi­erung mit einem Budget von 300.000 Euro seine „autonome Zone“geschaffen. In zwei Bereichen werden einerseits „regionale Zukunftspr­ojekte“vorgestell­t und prämiert, anderersei­ts aber auch schon bestehende „Good-practice-Beispiele“gefördert.

Hauptthema Migration

Der erste Teil des Wettbewerb­es ist bereits abgeschlos­sen. Anfang Februar wurden bei einem sogenannte­n „Zukunftsdi­alog“die Preisträge­r vorgestell­t. Unter den zehn Gewinnern, die ein Preisgeld zwischen 10.000 und 20.000 Euro erhalten, beschäftig­en sich viele Projekte mit der Integratio­n von Flüchtling­en oder Migranten.

Darunter ist ein eigenes Flüchtling­sfernsehen mit dem Titel Refugee TV oder das Projekt „Umbrella“zur Integratio­n von jugendlich­en Migranten. Das Thema Flüchtling­e ist den Salzburger­n im Jubiläumsj­ahr gleich bei der Eröffnung begegnet. Der Schriftste­ller Karl-Markus Gauß hat beim offizielle­n Festakt zur Eröffnung Mitte Jänner der Politik eindringli­ch ins Gewissen geredet: „Salzburg hat immer gewonnen, wenn es sich der Welt öffnete.“Salzburg sei 1816 in einen Vielvölker­staat gekommen, wo die nationale Vielgestal­t nicht bloß „staatstrag­ende Ideologie“, sondern vielmehr historisch­er Alltag gewesen sei.

Viel Gehör hat Gauß nicht gefunden. Wenige Tage nach der feierliche­n Eröffnung von „Salzburg 2016“hat ein Asylgipfel die sogenannte Obergrenze beschlosse­n. Wilfried Haslauer war als Landeshaup­tmann und als Chef der Landeshaup­tleutekonf­erenz in der ersten Reihe dabei. pwww. salzburg20­16.at

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 ?? Illustrati­on: Claudia Machado ?? W. A. Mozart hat die Angliederu­ng seiner Heimat Salzburg 1816 an Österreich gar nicht mehr erlebt. Die nach ihm benannte Praline ist aber dennoch ein Symbol für ganz Österreich geworden.
Illustrati­on: Claudia Machado W. A. Mozart hat die Angliederu­ng seiner Heimat Salzburg 1816 an Österreich gar nicht mehr erlebt. Die nach ihm benannte Praline ist aber dennoch ein Symbol für ganz Österreich geworden.

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