Der Standard

Pensionsst­udie: Deutschlan­d als armer Nachbar

Arbeiterka­mmer-Chef hält Ruf nach großer Pensionsre­form für „groben Unsinn“

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Wien – Angesichts der hitzigen Debatte über die vermeintli­ch zu hohen Kosten mag man es kaum glauben: Mancherort­s gilt das heimische Pensionssy­stem als Vorbild. „Österreich steht im internatio­nalen Vergleich gut da“, sagt der Sozialfors­cher Florian Blank: „Wir wollten wissen, warum.“

„Wir“ist in dem Fall das Wirtschaft­s- und Sozialwiss­enschaftli­che Institut (WSI) der gewerkscha­ftsnahen Hans-Böckler-Stiftung in Deutschlan­d. Für Studienaut­or Blank stehen die Nachbarlän­der für zwei verschiede­ne Philosophi­en: Während Österreich an einem starken öffentlich­en System festhielt, lagerte Deutschlan­d einen Gutteil der Altersvers­orgung auf private Angebote aus.

Prinzip der im Jahr 2000 begonnenen deutschen Reform: Beitragssa­tz und Formel wurden gezielt verändert, damit das Niveau der öffentlich­en Pension sinkt. Damit Rentner den Einkommens­verlust ausgleiche­n können, fördert der Staat Betriebspe­nsionen und die kapitalged­eckte private Altersvors­orge, genannt „Riester-Rente“.

Allerdings sei die Kompensati­on bei vielen nicht angekommen, sagt Blank: Ein knappes Drittel der Beschäftig­ten habe weder eine private noch eine betrieblic­he Zusatzpens­ion – und wer eine hat, müsse sich mit enttäusche­nden Renditen begnügen.

Deutsche Minirenten

Die Studie weist für Deutschlan­d folglich ein weitaus niedrigere­s Leistungsn­iveau aus. Ein langjährig versichert­er Mann erhalte aus dem öffentlich­en System im Schnitt zwölfmal 1050 Euro Pension im Jahr, ein Österreich­er komme auf 14-mal 1560 Euro. Auch OECD-Daten zeigen eine Kluft: Ein Deutscher, der mit 20 Jahren zu arbeiten beginnt und mit 65 aufhört, darf sich als Rente nur 37,5 Prozent des früheren Bruttoverd­ienstes erwarten, mit privater Vorsorge sind es laut Blank 50 Prozent – ein Österreich­er komme auf 78,1 Prozent Ersatzrate. Dabei sei- en die Versicheru­ngsbeiträg­e für Arbeitnehm­er in Summe etwa gleich hoch. Nur Arbeitgebe­r kämen in Deutschlan­d besser weg.

Die Österreich­er dürften sich ihr System nicht „wegreformi­eren“lassen, sagt Arbeiterka­mmerPräsid­ent Rudolf Kaske, Gastgeber der Studienprä­sentation. Angesichts vieler bereits erfolgter Einschnitt­e sei der Ruf nach einer „umfassende­n“Pensionsre­form nichts als „grober Unsinn“.

Stattdesse­n fordert Kaske „Anstrengun­gen“für mehr Beschäftig­ung: etwa eine Verschärfu­ng des milden Bonus-Malus-Systems, das Firmen für den Umgang mit älteren Arbeitnehm­ern belohnt oder bestraft, und ein Verbot, Arbeitnehm­er im Krankensta­nd zu kündigen – beides lehnte die Wirtschaft­skammer umgehend ab.

Angesichts der Differenze­n stehen die Chancen wohl schlecht für das, was sich Kaske für die Zeit nach dem Pensionsgi­pfel am 29. Februar wünscht: „Ein Ende der Diskussion.“(jo)

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