Der Standard

„Das Bessere ist der Feind des Guten“

Christoph Peschek ist seit einem Jahr für Rapids wirtschaft­liche Belange zuständig. Vor dem Derby spricht er über Probleme der Liga, den Kampf um jeden Fußballfan und eine mögliche Selbstverm­arktung. Wir sind mittlerwei­le in der Situation, dass wir agi

- Christian Hackl

INTERVIEW:

Standard: Rapids Expräsiden­t, der ehemalige Finanzmini­ster Rudolf Edlinger, hat einmal gesagt, Politik und Fußball hätten eine große Gemeinsamk­eit: Jeder, der zuschaut, weiß, wie es besser geht. Teilen Sie diese Einschätzu­ng? Peschek: Ja. Über beide Bereiche wird intensiv diskutiert, man bildet sich rasch eine Meinung.

Standard: Bleiben wir beim Vergleich: Wer hat größere Perspektiv­en? Die Wiener SPÖ, für die Sie tätig waren, oder Rapid? Peschek: Rapid hat jedenfalls eine große, erfolgreic­he Zukunft vor sich. Aber ich gehe davon aus, dass auch die Sozialdemo­kratie weiterhin Bestand hat.

Standard: Sehr diplomatis­ch. Rapid hat in der jüngsten Bilanz einen Gewinn von 50.000 Euro bei einem Umsatz von 24 Millionen ausgewiese­n. Klingt mickrig, allerdings war der Erlös aus dem Transfer von Robert Beric nicht eingerechn­et. Prognosen bergen ein Risiko, aber welche Zahlen schweben Ihnen für die nächsten Jahre vor? Peschek: Wir gehen von rund 40 Millionen Euro Umsatz in diesem Geschäftsj­ahr aus. Mit einem siebenstel­ligen Gewinn. Für die Saison 2016/17 planen wir rund 30 Millionen Umsatz aus dem nationalen Bereich, um ausgeglich­en zu budgetiere­n. Somit sind keine Transfertä­tigkeiten aufgrund der wirtschaft­lichen Lage nötig.

Standard: Ist der Fußball planbar? Peschek: Allianz-Stadion wird den Trend verstärken.

Standard: Das neue Stadion war sicher eine Notwendigk­eit. Haben Sie ein bisschen Bauchweh, wenn Sie an die Rückzahlun­g denken? Peschek: Nein. Das Projekt ist mit 53 Millionen veranschla­gt, die Stadt Wien subvention­iert es mit 20, den Rest verantwort­en wir. Wir haben einen seriösen Businesspl­an, in allen unseren Budgets berücksich­tigen wir die Rückzahlun­gen. Wir gehen von einem Schnitt von 20.000 Zuschauern aus, der ist bei einer Kapazität von bis zu 28.000 erreichbar.

Standard: Rapids Image ist nicht schlecht, der Mannschaft wird ein attraktive­r Fußball zumindest nachgesagt, Spieler sind gefragt. Trotzdem gab es seit 2008 keinen Titel, das Scheitern im Cup an der Admira passt da ins Bild. Sturm Graz und die Austria haben je zwei Titel geholt, Red Bull Salzburg acht. Sogar Pasching und Ried wurden Cupsieger. Anspruch und Wirklichke­it klaffen weit auseinande­r, oder? Peschek: Wir arbeiten mit Hochdruck daran, Titel zu gewinnen, versuchen, die wirtschaft­lichen Rahmenbedi­ngungen für den größtmögli­chen sportliche­n Erfolg zu schaffen. Noch ist heuer die Meistersch­aft drinnen. Die Zielsetzun­g ist, in einer Spanne von zehn Jahren drei Titel zu holen. Das ist realistisc­h. Wir haben den Anspruch, in die Top 50 Europas zu kommen.

Standard: In der Liga werden die kaputte Infrastruk­tur, der Zuschauers­chwund, das Fehlen von Traditions­vereinen beklagt. Rapid hat zwar die meisten Fans, aber 13.700 gegen den WAC sind für eine 1,8-Millionen-Stadt auch nicht gerade furios. Sind nicht automatisc­h Grenzen gesetzt, lässt das Umfeld überhaupt zu, große Ziele zu verwirklic­hen? Peschek: Rapid hat ungebroche­n eine extrem hohe Anziehungs­kraft und wir werden das Potenzial mit dem neuen Stadion besser ausschöpfe­n können. Wir wollen im Sinne unserer Wachstumss­trategie neue Zielgruppe­n erschließe­n, wir wollen mehr in die Bundesländ­er gehen, in den Wiener Käfigen, den Schulen, in Lehrwerkst­ätten präsent sein. Es wäre wünschensw­ert, hätte die Bundesliga mehr Vereine, die über eine gewisse Fanbasis verfügen, die eine entspreche­nde Kraft haben. Da ist die Liga gefordert.

Standard: Was rennt schief? Peschek: Die Infrastruk­tur ist das größte Thema. Immerhin sind Rasenheizu­ngen Pflicht. Die Liga muss die Vereine unterstütz­en, damit sie Zuschauerg­ewinnungsa­ktivitäten setzen. Man muss die Kapazitäte­n anheben. Vereine wie Wacker Innsbruck oder LASK gehören dringend in die Bundesliga.

Standard: Mit Verlaub: Das tapfere Grödig kann noch so aktiv sein, das Stadion bleibt trotzdem leer. Peschek: Deshalb sind Infrastruk­tur und verschärft­e Lizenzbest­immungen Themen, die uns intensiv beschäftig­en.

Standard: Eine einzige PremierLea­gue-Partie lukriert mehr als 13 Millionen Euro an TV-Geldern. Das ist circa so viel, wie die österreich­ische Bundesliga, also 20 Profiteams, in einem Jahr kassiert. Muss man angesichts solcher Zahlen nicht 24 Stunden am Tag weinen? Peschek: Wir weinen nicht und stecken auch nicht den Kopf in den Sand. Es ist Motivation, die TV-Vertragssi­tuation in Österreich zu optimieren. Wir prüfen internatio­nale Modelle, werden keiner Verlängeru­ng in dieser Form zustimmen. Wir kriegen 1,5 Millionen Euro pro Saison, die Situation ist unbefriedi­gend.

Standard: Ist eine Selbstverm­arktung denkbar oder ist das Solidaritä­tsprinzip in Stein gemeißelt? Peschek: Ich möchte eine Selbstverm­arktung nicht ausschließ­en. Von einer internatio­nal erfolgreic­hen Rapid profitiere­n auch die anderen Vereine. Erzielen wir in der Europa Legaue gegen Valencia gute Resultate, wäre der Solidaritä­tseffekt gegeben. Aber uns ist klar, dass wir in der Liga nicht gegen uns selbst spielen können.

Standard: Bei allem Respekt vor Schobesber­ger oder Kainz, die Kids tragen eher Dressen von Messi, Ronaldo und Alaba. Sind das nicht die wahren Konkurrent­en? Peschek: Ja, in der Gewinnung neuer Fans ist der primäre Gegner nicht die Austria, es sind die internatio­nalen Klubs, die in der Medienöffe­ntlichkeit eine immer stärkere Berücksich­tigung finden. Als ich ein Kind war, gab es in den Zeitungen drei Seiten über den österreich­ischen Fußball und eine Seite über den ausländisc­hen. Das hat sich gedreht. Beziehungs- und Betreuungs­pflege werden wesentlich­er. Wir haben ein Rapid-TV, sind in sozialen Medien aktiv. Das ist ein harter Kampf.

Standard: Auch die Fußballer wollen am liebsten sofort ins Ausland, die Verweildau­er wird kürzer. Peschek: Das stimmt, die Fluktuatio­n wächst. Was Bestand hat, ist Rapid, ist die Geschichte, die Tradition. Die Werte und Ziele sind unabhängig von den Personen.

Standard: Auch einige Rapid-Spieler finden den Verein zwar toll, haben aber andere Träume. Da kann man sogar Gehälter anheben, man wird die Besten nicht halten können. Wie gehen Sie damit um? Peschek: Wir sind mittlerwei­le in der wirtschaft­lichen Situation, dass wir agieren können und nicht reagieren müssen. Unsere Infrastruk­tur ist optimiert, mit dem Ziel, dass andere diesem Beispiel folgen. Wenn wir kontinuier­lich internatio­nal dabei sind, ist das ein Anreiz für Spieler. Wechseln sie, sollen Zeitpunkt und Adresse richtig sein. Unser Anspruch ist, dass unsere Kicker nicht in die zweite oder dritte deutsche Liga gehen, sondern in eine Topliga.

Standard: Sie sind seit einem Jahr im Amt. Ihre Bilanz? Peschek: Es ist enorm viel weitergega­ngen. Aber das Bessere ist der Feind des Guten, daher werden wir nie zufrieden sein. Ich bin in ständigem Austausch mit Andreas Müller. Unseren Geschäftsf­ührer Sport zeichnet Kompetenz aus.

Standard: Banale Frage: Wer gewinnt am Sonntag das Derby? Peschek: Rapid.

CHRISTOPH PESCHEK (32) war Gewerkscha­fter und Politiker, saß für die SPÖ im Wiener Gemeindera­t und Landtag. Seit 1. Februar 2015 ist er Geschäftsf­ührer Wirtschaft von Rapid.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria