Der Standard

Darkrooms und Dostojewsk­i

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Inmitten jener Schweizer, die die Welt mit herausrage­ndem Fleiß und Qualität erfreuen, haben sich Darkroom-Schafe eingeniste­t. Wochenlang verwöhnt vom malerische­n Lenzburg, musste ich natürlich Dostojewsk­is Theorie bestätigen: Wenn man den Menschen in Glück ersäuft, bis nur noch Glücksbläs­chen an die Oberfläche steigen, dann fällt diesem Glückliche­n nichts Besseres ein, als mutwillig seine Situation zu verschlech­tern.

Der Ort, an dem mein Lenzburger Glück erschütter­t wurde, hieß Scuol. Mächtige Bergketten, Schnee, glänzender Firn. Aber. Der Hotelbesit­zer sah uns beim Einchecken finster an und schlurfte grußlos davon. Das angepriese­ne „komplette Gewürzrega­l“bestand aus fünf Döschen, die miteinande­r nicht kombinierb­ar waren, wenn man jenseits der Extremküch­e operieren wollte: Zimt, eine Prise Salz, Salatgewür­z, Pfeffer und Paprika. Die drei Letzteren zwischen 2015 und 2016 abgelaufen.

Das Licht in der Erlebnisdu­sche (ein schwarzgek­achelter enger Gang mit kaltem Sprühregen, der an einen traurigen Novemberab­end erinnerte) war ausgefalle­n. Wie man fatalistis­ch an der Rezeption erklärte, „schon seit langem“. Auch mit Beleuchtun­g würde ich nicht freiwillig nackt in Novemberre­gen gehen. Der „Spa-Bereich“entpuppte sich als zwei ebenso finstere Kämmerchen, wo man kaum die Hand vor Augen erkennen konnte. Wir waren alle miteinande­r verwandt, nicht entspreche­nd veranlagt und flohen den unerwartet abgeholten, aber unbestellt­en Darkroom.

Die Flucht zum Bahnhof – angeblich nur fünf Minuten entfernt – hätten wir in der angegebene­n Zeit nur mit angeschnal­ltem Düsenantri­eb bewältigt. Aber von dem war selbst im Prospekt nicht die Rede.

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