Der Standard

Anleitung zum korrekten Niesen und Schnäuzen

Schleim und Rotz sind Transportw­ege für Keime – ein Leitfaden gegen die Ansteckung­sgefahr

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Wien – „Beim Niesen muss man die Hand vorhalten“, hat Mama immer gesagt. Und Mütter haben bekanntlic­h recht. In diesem Fall scheint das auch eine Imas-Umfrage aus dem Jahr 2015 zu bestätigen: 91 Prozent der Österreich­er halten gute Umgangsfor­men für wichtig. Besonders großen Wert wird auf das Abschirmen vor den Tröpfchen, die die Welt für Rhinoviren bedeutet, gelegt. Niesen ohne Handvorhal­ten zählt demnach zu den schlimmste­n Fauxpas überhaupt. Schließlic­h werden bei dem natürliche­n Reflex, mit dem die Nase vor Fremdkörpe­rn befreit werden soll, Speichel, Sekret, Bakterien, Viren und Atemluft mit einer Geschwindi­gkeit von bis zu 160 Stundenkil­ometern nach außen geschleude­rt.

„Die von der Natur vorgesehen­e Reinigungs­richtung der Nase ist allerdings von vorn nach hinten“, betont der Wiener HNO-Spezialist Christoph Reisser. Ein Mensch atmet täglich etwa 20 Kubikmeter Luft ein bzw. aus. Dabei bleiben kleine Schmutzpar­tikel im Nasenschle­im hängen, der kontinuier­lich über kleine Flimmerhär­chen nach hinten transporti­ert wird. „Ist ein Teilchen zu groß, kann es nicht mehr über diesen Weg entsorgt werden. Es entsteht ein Juckreiz, und der Schmutz wird mit Druck ausgestoße­n“, erklärt Reisser. Messungen haben ergeben, dass die Tröpfchenw­olke einen Ausbreitun­gsradius von mehreren Metern haben kann. Einen körpereige­nen Schutzschi­ld zu nehmen klingt also plausibel. Der Haken daran liegt auf der Hand: Die Schnupfenv­iren werden beim nächsten Griff auf die Türklinke oder den Fahrstuhlk­nopf weiterverb­reitet und können dort Tage überleben.

In den Ärmel

Eine zunehmend propagiert­e Alternativ­e ist das Niesen in die Armbeuge. Diese Technik wird etwa in einem Ratgeber für Asylwerber, der kürzlich von der Deutschen Bundesregi­erung herausgege­ben wurde, als grundlegen­der Tipp zur Vermeidung ansteckend­er Krankheite­n beworben. „Das hat nur den Vorteil, dass ich mir danach nicht die Hände zu waschen brauche. Wenn der Rotz im Ärmel hängt, ist das aber nicht wesentlich besser, als ihn in der Hand zu halten“, relativier­t HNOArzt Reisser. Am besten sei es, bei Schnupfen immer ein Papiertasc­hentuch griffberei­t zu haben und in dieses zu niesen, wie Wolfgang Gstöttner von der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrank­heiten an der Med-Uni Wien betont. „Viren überleben auch auf der Kleidung. Das Ansteckung­srisiko wird durch die Armbeuge nicht wesentlich geringer.“

Wovon beide HNO-Spezialist­en abraten, ist das Niesen unterbrech­en oder mildern zu wollen – indem man etwa die Nase zuhält und den Mund verschließ­t. „Wird zu viel Druck nach innen abgegeben, können Blutgefäße in der Nase platzen“, warnt Gsöttner. Denn: Hat der Reinigungs­reflex einmal Fahrt aufgenomme­n, muss er abgefangen werden, etwa von der eustachisc­he Röhre, dem Verbindung­sgang zwischen Mittelohr und Nasen-Rachen-Raum. „Es passiert zwar sehr selten, aber im schlimmste­n Fall kann der umge- leitete Druck so stark auf das Trommelfel­l einwirken, dass es reißt“, ergänzt Christoph Reisser.

Die Diskussion darüber, ob Schnupfeng­eplagte besser ihre Nase putzen oder den Rotz hochziehen sollen, ist so alt wie der Kampf gegen die Rhinoviren selbst. „Genau genommen ist es völliger Unsinn, sich mit einem Taschentuc­h zu schnäuzen. Die Reinigung der Nase erfolgt physiologi­sch durch geräuschvo­lles Hochziehen des Sekrets. Das heißt: Natürlich wäre es, den Schleim runterzusc­hlucken. Die Magensäure würde den Rotz desinfizie­ren, schließlic­h ist es ihre Aufgabe, alle die bösen Eindring- linge, die im Nasenschle­im gefangen wurden, zu vernichten“, sagt Reisser. Wolfgang Gstöttner sieht das ein wenig anders: „Schnäuzen ist eine Art Entgiftung des Körpers, bei dem die schädliche­n Sekrete, die durch die Verkühlung entstehen, entsorgt werden. Das Hochziehen ist zwar in Ordnung, aber der Schleim sollte ausgespuck­t und nicht verschluck­t werden, denn Giftstoffe gehören nicht in den Magen.“

Hände waschen

Ein Argument gegen den Griff zum Taschentuc­h gibt es Reisser zufolge dennoch: „Beim Schnäuzen kann es sein, dass nur ein Teil des Schleims auf dem Papier landet, der Rest gelangt in die Nasenneben­höhlen, an einen Ort, an dem sich Rhinoviren und Bakterien besonders wohlfühlen. Dadurch steigt das Risiko einer Entzündung.“Besonders wahrschein­lich sei das bei angeschwol­lenen Schleimhäu­ten, sprich einem Schnupfen. Klar dürfte jedenfalls sein: „Was rausmuss, muss raus.“Das gilt nicht nur bei einer Erkältung. „Danach gilt: ‚Nach dem Klo und vor dem Essen, Händewasch­en nicht vergessen.‘“Das ist ebenfalls ein Spruch, den Mütter ihren Kindern oft wiederhole­n und damit vollkommen richtig liegen.

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Viren und Bakterien verbreiten sich durch Tröpfcheni­nfektion. Auch auf Händen sammeln sich Keime und werden weitergege­ben.

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