Der Standard

Er liebt uns so wie er sich selbst

Kanye West stellte im New Yorker Madison Square Garden und weltweit im Live-Stream sein neues Album „The Life of Pablo“vor. Dazu gab es eine Flüchtling­s-Fashion-Show-Präsentati­on von Wests neuer Modelinie sowie seiner Adidas-Kollektion.

- Christian Schachinge­r

New York / Wien – Allgemein gesichert ist eines: Bei Kanye West geht das Mundwerk zuerst ins Bett. Wenn dann noch Platz ist, legt er sich dazu. Das hat ihn im für Bescheiden­heit ungeeignet­en Pop-Genre zu einem der größten Stars der Gegenwart werden lassen. Er selbst bezeichnet sich schon einmal als Genie, wenn nicht gar als einen Gott. Der derzeitige Präsident der Vereinigte­n Staaten von Amerika hat ihn in einer ungewohnt scharfen diplomatis­chen Note aufgrund eines irren Auftritts bei den Grammy Awards 2009 einen „Schwachkop­f“nannt.

Das ist nicht nichts. Kanye West hat sich das zu Herzen genommen. Er bekundete, 2020 US-Präsident werden zu wollen. Zu einem Staatsbesu­ch beim österreich­ischen Kollegen Richard Lugner könnte er seine Ehefrau Kim Kardashian als Königinmut­ter al-

ge- ler It-Girls mitnehmen. Die beiden First Ladies Kim und Cathy könnten sich im Rahmen des Damenprogr­amms statt der ewigen Kinderklin­iken und Hochbegabt­enschulen ein wenig botoxen lassen, bevor es in die kaiserlich­e Schatzkamm­er zum Shopping geht.

Es ist also kein Wunder, wenn Kanye West sein neues, siebtes Album, The Life of Pablo, für eines der besten musikalisc­hen Werke aller Zeiten hält. Wie wird auf The Life of Pablo im Stück Freestyle 4 so treffend gerappt: „Name one genius that ain’t crazy.“

Das Album wurde in der Nacht zum Freitag nun im 20.000 Besucher fassenden New Yorker Madison Square Garden präsentier­t. Wie es sich für einen ebenso selbstbewu­ssten wie latent größenwahn­sinnigen, allerdings immer auch geschäftst­üchtigen Star gehört, kombiniert­e Kanye West dabei seinen Brotberuf mit einem finanziell wahrschein­lich nicht viel uninteress­anteren Hob- by. Da gerade die New Yorker Fashion Week läuft, präsentier­te West im Rahmen der wohl größten Modeschau aller Zeiten seine dritte Fashionlin­ie Yeezy Season 3. Sie ist in gedeckten Rentnerfar­ben gehalten, schlicht, funktional, zart sportiv, ein wenig avantgardi­stisch in den windschief­en Details. Außerdem hat West für Adidas Schuhe entworfen, laut Ihro Merkwürden weltweit das Weihnachts­geschenk numero uno.

Zu sehen und zu hören gab es vor 20.000 Leuten, die laut USPresse zumindest teilweise dafür bezahlt wurden, um dem Ereignis enthusiast­isch beizuwohne­n, vor allem aber eines: sehr, sehr wenig. Kanye West stand irgendwo mitten im Saal hinter einem Laptop und spielte der Welt sein neues Album per Start/Stop-Taste vor.

Dazwischen erzählte Seine Schrulligk­eit, wie wild das Leben und wie schwer der Beruf sei. Ein Kanye’sches Computersp­iel namens Only One – The Game wurde auch präsentier­t. Es zeigt im Trailer, wie Kanye Wests Mutter Flügel wachsen und sie in den Himmel fliegt. Sie ist die beste.

Die Veranstalt­ung wurde weltweit in hundert Kinos live übertragen oder über den im Mitbesitz von West befindlich­en StreamingD­ienst Tidal gesendet. Dazu wackelte Kanye West mit ein paar Haberern launig im Takt. Ist ja gute Musik, er hat sie selbst gemacht.

Musikalisc­h ist alles beim Alten, obwohl nun zur ruckelnden und zuckelnden Sperrigkei­t der minimalist­ischen Beats oft reichlich bedrohlich­e Gospelchör­e und Kirchenorg­el dazukommen: „We don’t want no devils in the house, we want the Lord.“Autotune ist auch noch immer angesagt. Im gemeinsam mit Rihanna vorgetrage­nen Blockbuste­r Famous träumt West davon, Sex mit Taylor Swift zu haben. Das wird Ärger geben.

Dazu ließ er die italienisc­he Performanc­ekünstleri­n Vanessa Beecroft, die vor allem durch ihre Photo-Stills nackter Massenszen­en zum Kunststar wurde, die Modeschau inszeniere­n. Auf mit Tüchern drapierten Podesten, die an Flüchtling­sboote erinnern sollten, standen, saßen, fläzten gut 50 meist schwarze Models und schauten still und starr ins Publikum. Ui-jui-jui. Resting-Bitch-Faces sind sehr effektiv. Man fühlte sich betroffen. Immerhin dauerte die ganze Sache über eine Stunde.

„I love you like Kanye loves Kanye.“Das beruhigt auch nicht wirklich.

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Kanye West präsentier­te in New York nicht nur sein neues Album. Auch die hauseigene neue Modeliniew­urde in einer Inszenieru­ng Vanessa Beecrofts an Mann und Frau gebracht.
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Foto: Sony Pop-Irrer Kanye West stellt neue Produkte vor.

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