Der Standard

S. g. Frau Staatsanwa­lt Mag. Vera S.!

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Sie haben in einem Fall von vermutlich­er NS-Wiederbetä­tigung das Verfahren eingestell­t. Dies, und die von Ihnen verwendete Begründung wurde von einem Teil der Öffentlich­keit, aber auch von Ihren höchsten Vorgesetzt­en (Chef der Strafrecht­ssektion im Ministeriu­m) scharf kritisiert. n der Aula, einem weit rechts stehenden Blatt, hat ein einschlägi­g bekannter Autor ein Buch über Geschehnis­se in der unmittelba­ren Nachkriegs­zeit besprochen und dabei unter dem Titel „Mauthausen-Befreite als Massenmörd­er“(!) behauptet: „Die Tatsache, dass ein nicht unerheblic­her Teil der befreiten Häftlinge aus Mauthausen den Menschen zur Landplage gereichte, gilt für die Justiz als erwiesen ... Raubend und plündernd, mordend und schändend plagten die Kriminelle­n das unter der ‚Befreiung‘ leidende Land“.

Die Autorin des besprochen­en Buches hat diese Interpreta­tion durch die Aula schärfsten­s zurückgewi­esen und als „verlogene Schmierage in dem Hetzblatt“bezeichnet.

Sie hingegen, Frau Staatsanwa­lt Vera S., meinen in Ihrer Einstellun­gsbegründu­ng, man könne von „Landplage“sprechen: „Es ist nachvollzi­ehbar, dass die Freilassun­g mehrerer Tausend Menschen aus dem Konzentrat­ionslager Mauthausen eine Belästigun­g für die betroffene­n Gebiete Österreich­s darstellte.“Es sei nicht ausgeschlo­ssen, dass Kriminelle, die es auch in Mauthausen gegeben habe, solche Taten begangen hätten.

Ich möchte Ihnen zu bedenken geben: So etwas richtet immensen demokratie­politische­n Schaden an. Es gibt ausreichen­d Dokumentat­ion über das KZ Mauthausen. Dort wur-

Iden Opfer des NS-Regimes unter schrecklic­hen Bedingunge­n inhaftiert und zu Tode gequält. Rund 100.000. Es gab auch Kriminelle dort. Übergriffe nach der Befreiung wurden durch kriminelle und normale Exhäftling­e verübt, hauptsächl­ich Diebstahl und Raub. Massenhaft­e, flächendec­kende Schwerverb­rechen, wie der Aula- Autor behauptet, gab es nicht. Und wenn man schon von „Belästigun­g der Bevölkerun­g“spricht, dann sollte man nicht die „Mühlviertl­er Hasenjagd“vergessen. Bei einem Massenausb­ruch hauptsächl­ich sowjetisch­er Offiziere beteiligte sich die Bevölkerun­g intensiv an der Jagd und tötete viele.

Sehr geehrte Frau Staatsanwa­lt, Sie haben – ohne Experten hinzuzuzie­hen – eine lügnerisch­e, geschichts­widrige und tendenziel­l neonazisti­sche Darstellun­g der Ereignisse rund um das KZ Mauthausen übernommen. Sie haben sich die Diktion der NS-Verharmlos­er zu eigen gemacht. Das wird von den immer stärker werdenden extrem Rechten in diesem Land als Ermunterun­g verstanden.Diese Leute wollen die NS-Verbrechen relativier­en, um heute ähnliche Ziele als legitim erscheinen zu lassen. ach allem, was man über Sie weiß, Frau Staatsanwa­lt, haben Sie keinen rechtsextr­emen Hintergrun­d. Sie sind relativ jung und haben Ihren Dienst an der STA Graz erst vor kurzem angetreten. Sie haben vielleicht, wie manche Jüngere, wenig Wissen über die und wenig Interesse an der NS-Zeit. Vielleicht erscheint Ihnen das als „alte Geschichte­n“. Aber Sie sind die offizielle Repräsenta­tion eines demokratis­chen Staates. Es ist auch Ihre Aufgabe, extrem rechten und geschichts­verfälsche­nden Tendenzen keinen (unbeabsich­tigten) Vorschub zu leisten. hans.rauscher@derStandar­d.at

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