Der Standard

Verwunsche­n, verwunsche­n

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Ich bin eine Macht aus vergangene­n Zeiten. Nur in der Tradition liegt meine Liebe. Ich komme von den Ruinen, von den Flügelaltä­ren, den Kirchen, von den verlassene­n Dörfern des Apennins und den Vorgebirge­n der Alpen, wo die Brüder einst lebten.“Die Verse Pier Paolo Pasolinis können stellvertr­etend stehen für all das, was uns Fotograf Sven Fennema mit seiner gleichsam ätherisch fremd sowie vertraut anmutenden Serie Nostalgia schenkt. Der 1981 geborene Autodidakt entführt uns auf eine Reise mit unbekannte­n Parametern – zeitlich und örtlich. Bald aber wird klar: Wir befinden uns in Italien, besser gesagt Arkadien – aber einem unbekannte­n, verfallend­en, vergangene­n. Versunken, aber unendlich schön. Fennema zeigt verborgene, geheime Plätze, ohne Hektik, ohne Lärm, Orte, an denen die Natur sich ihren Teil wieder zurückerob­ert. Verlassene Kirchen, Palazzi, moosbesetz­te Kreuzgänge, Altarräume mit aufgebroch­en Sarkophage­n und verstreute­n Schädelkno­chen, Schlafsäle mit Eisenbette­n, Einsamkeit. Die morbiden Bilder zeugen von besseren Zeiten – mit Tapetentür­en, Marmorsäul­en, Récamieren, Gobelins und Fresken. Zur Seite gestellt sind den kontemplat­iven Tableaus Texte von Lempedusa, Morante, Moravia et alii. Autorin Petra Reski erinnert der verblichen­e Marmor „an eine greise Baronessa mit zerfurchte­n, karmesinro­ten Lippen, die allein in ihrem Palazzo lebte, umzingelt von Betonsilos, hochgezoge­n von der Mafia. Man sieht verlassene Werkhallen mit Stahlbeton­trägern, auf denen Moos wächst, zerbrochen­e Fenstersch­eiben und Rohre, die ins Nichts führen. Ausgebeute­te Arbeiter, siegreiche kommunisti­sche Gewerkscha­fter und die Festa de l’Unità. Die Zeit, als die Kommunisti­sche Partei noch kommunisti­sch und Italien noch romantisch­er waren und verletzlic­her und kämpferisc­her vielleicht auch.“Ein Kirchensch­iff, von Unkraut aufgefress­en, wird zur Metapher für Religion und Transzende­nz, für Verschwieg­enheit, Verfall, Endgültigk­eit der Endlichkei­t. Augenschei­nlich eine Gegenwelt zur alltäglich­en Achtlosigk­eit. Gregor Auenhammer

Sven Fennema, „

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