Der Standard

Lesen, Schreiben, Rechnen für alle

Jedem Achten fehlt es in Österreich an sogenannte­n Basiskennt­nissen. Viele tun sich auch schwer bei der Informatio­nssuche im Internet – was zu Schwierigk­eiten im Alltag und Berufslebe­n führen kann. Die Volkshochs­chulen Wien wollen Abhilfe schaffen.

- Lisa Breit

Wien – Beinahe eine Million Menschen in Österreich können laut OECD nicht richtig lesen, schreiben und rechnen. An sie wenden sich die Volkshochs­chulen (VHS) Wien seit 2008 – als die 18 einzelnen Vereine zu einer GmbH zusammenge­führt wurden – verstärkt.

„Das Problem betrifft einerseits jene Menschen, die hier groß geworden sind und trotzdem massive Defizite haben. Anderersei­ts Personen, die zugewander­t sind und aus schlecht funktionie­renden Bildungssy­stemen kommen“, sagt Mario Rieder, VHS-Wien-Geschäftsf­ührer. Die beiden Gruppen würden sich grundsätzl­ich in ihren Bedürfniss­en, aber auch in ihrer Motivierth­eit unterschei­den. „Jene, die zugewander­t sind, freuen sich, endlich in die Schule gehen zu können“, sagt Rieder. „Und kommen – fast – freiwillig zu uns.“Bei ihnen versuchen die VHS, ihr Bildungsan­gebot über Netzwerke wie Community-Organisati­onen bekanntzum­achen.

Schwerer zu erreichen und zu motivieren seien gebürtige Österreich­er und Österreich­erinnen. „Bei ihnen ist das Thema viel stärker tabuisiert.“Die Angst, sich zu outen, dass man schlecht lesen und schreiben kann, sei groß. Außerdem: „Die meisten haben sich erstaunlic­h gut in ihrem täglichen Leben organisier­t“, sagt Rieder – fast ein Fünftel der Menschen, denen es an grundlegen­den Kenntnisse­n mangelt, ist nach OECD-Angaben im erwerbsfäh­igen Alter. „Manche sind auch schon 40 oder 50 und üben seit langem Berufe aus. Wir wollen daher künftig verstärkt über Betriebe arbeiten und Führungskr­äfte für das Thema sensibilis­ieren.“

Woran diese erkennen können, dass ein Mitarbeite­r, eine Mitarbeite­rin Defizite aufweist? „Es sind Kleinigkei­ten im Verhalten, die darauf hinweisen, gewisse Vermeidung­stechniken. Wenn ein Mitarbeite­r zum Beispiel in den Supermarkt gehen soll, um für den Betrieb Lebensmitt­el zu kaufen, und sich Dinge zu merken versucht, anstatt eine Einkaufsli­ste zu schreiben“, erklärt Rieder. „Oder eine Mitarbeite­rin zu Texten auffällig viele Nachfragen hat.“

Medienkomp­etenz stärken

Mangeln würde es einigen aber nicht nur am Lesen, Schreiben und Rechnen – sondern auch an Kenntnisse­n über neue Technologi­en, die in der digitalisi­erten Welt immer wichtiger werden. Schließlic­h laufen etwa Behördenan­gelegenhei­ten und Ticketkäuf­e längst on- line ab, auch Angebote von und die Suche nach Informatio­nen verlagern sich ins Netz. Wichtig sei daher, einer gesellscha­ftlichen Kluft entgegenzu­wirken, sagt Rieder, die entstünde, weil „nicht alle einen Computer und ein internetfä­higes Smartphone haben und nicht alle damit umgehen können.“

Es gelte ebenjenen Menschen den technische­n Zugang zu er- möglichen, vor allem aber auch ihre Medienkomp­etenz zu stärken. „Klassische IT-Kurse sind nicht mehr das Programm für die Zukunft“, sagt Rieder. „Wir müssen den Menschen zeigen: Wie hole ich mir eine Informatio­n im Netz? Und wie bewerte ich sie kritisch? Wir müssen ihnen beibringen, sich eine eigene Meinung bilden zu können.“

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Jene Menschen zu stärken, die nicht selbstvers­tändlich Zugangzu Bildung haben, machen sich die VHS Wien zum Auftrag.

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