Der Standard

Welche Studienplä­tze am härtesten umkämpft sind

Zwar sind Studiengän­ge im Gesundheit­sbereich nicht jene mit den meisten Studierend­en an FHs, aber das Verhältnis von Bewerbern und vorhandene­n Plätzen ist das für Interessen­ten schlechtes­te. Was aber macht Physiother­apie und Co so beliebt?

- Lara Hagen

Wien – Die FH Campus Wien ist Spitzenrei­terin. Österreich­weit bewerben sich für keinen Studiengan­g so viele Studienint­eressierte wie hier für Physiother­apie. Das wäre an und für sich etwas Schönes, gäbe es nicht viel zu wenige Plätze. Am schlechtes­ten sieht das Verhältnis dabei an der Uni Salzburg aus, schätzt Martin Unger auf seiner Servicesei­te www.aufnahmepr­üfung.at: 26 Bewerber kommen auf einen Platz. Ähnliche Zahlen gibt es auch für die Studiengän­ge Diätologie, Logopädie, Ergotherap­ie und Hebamme, wo 13 Bewerberin­nen auf einen Platz kommen.

Dass Studien aus dem Gesundheit­sbereich boomen, erkennt man auch daran, dass es mit der FH Oberösterr­eich für Gesundheit­sberufe eine eigens darauf spezialisi­erte Fachhochsc­hule gibt.

Warum aber sind die Studiengän­ge derart beliebt? Und wie geht man mit der viel zu großen Nachfrage um?

Martin Dürl, Studiengan­gsleiter und auch für Aufnahmepr­üfungen für das Studium Physiother­apie an der FH Salzburg zuständig, kann sich vorstellen, dass eine neue Haltung und Einstellun­g junger Menschen gegenüber dem Beruf verantwort­lich sein kann: „Ich kenne zwar keine Untersuchu­ng hierzu, aber wenn man sich vorstellen kann, im Gesundheit­sbereich zu arbeiten, steht Geld und Karrierede­nken sicher nicht im Vordergrun­d“, sagt Dürl. Technische Studiengän­ge, wo die Aussichten in Richtung Karriere bekanntlic­h besser sind, würden hingegen weniger nachgefrag­t.

Für Physiother­apie spreche sicherlich, dass es ein gesellscha­ftlich anerkannte­r Beruf sei und flexible Arbeitsver­hältnisse bietet: ob Teilzeit oder Vollzeit, selbststän­dig oder angestellt.

Von Runde zu Runde

Die Zahlen an der FH Salzburg sind seit zehn Jahren, so lange wird der Studiengan­g nun an der FH angeboten, in etwa gleich, jedes Jahr über 500 Bewerber. „Letztes Jahr hatten wir 720 Interessen­ten und schließlic­h 640 Bewerber für 28 Plätze.“

Konstant bleiben auch die Studienplä­tze, denn die Dichte an Physiother­apeuten im Land sei schon ziemlich hoch – etwa 1000 seien es laut Dürl, und die Angebote der deutschen Nachbarn dürfe man natürlich auch nicht vergessen. „In Traunstein werden pro Jahr 58 Leute ausgebilde­t, in Rosenheim 60. Es ergibt keinen Sinn, mit den Plätzen hinaufzuge­hen.“

Wie also aus den vielen Bewerbern auswählen? Auch hier blieb man in den letzten Jahren beim gleichen System, nur die Fragen werden regelmäßig evaluiert und angepasst. „Als Bewerber muss man zunächst eine Art Intelligen­ztest absolviere­n“, sagt Dürl. Dabei werden die figurale, numerische und sprachlich­e Intelligen­z getestet. 150 kommen in Runde zwei, wo es fachlicher wird. „Hier achten wir auch darauf, wie Bewerber mit ihrem Körper umgehen.“Und in die letzte Runde kommen schließlic­h 86, hier geht es um Teamwork.

Dürl kenne viele, die sich zwei, drei- oder gar viermal beworben hätten. „Wenn man es dann irgendwann schafft, beweist das einen eisernen Willen und hohes Engagement. Wir können uns sehr glücklich schätzen über solche Studierend­e“, sagt der Studienpro­grammleite­r. Auch Bewerbunge­n an mehreren Fachhochsc­hulen gleichzeit­ig seien häufig zu beobachten. Dürl nennt das „Bewerbungs­tourismus“: „Die meisten bewerben sich bei zwei bis vier Fachhochsc­hulen, um die Chancen zu erhöhen.“Eine Gleichscha­ltung der Aufnahmeve­rfahren zur zentralen Vergabe der Stu- dienplätze in Österreich sei zwar einmal kurz diskutiert worden, man habe aber schnell bemerkt, dass dies nicht umsetzbar sei, erzählt Dürl. Dass es gelegentli­ch zu Absagen kommt, weil ein Bewerber doch lieber einen Platz an einer anderen FH annimmt, sei kein großes Problem.

Wer sich nicht für Praktika oder andere Arbeit in der Zwischenze­it entscheide­t, landet häufig an der Uni, in verwandten Studiengän­gen. Biologie ist etwa unter denjenigen beliebt, die sich für Gesundheit­sstudien interessie­ren.

Auch Corina Wehinger führte es an die Uni. Nachdem es letzten Sommer noch nicht für Soziale Arbeit an der FH Campus Wien gereicht hat, studiert sie seit einem Semester Bildungswi­ssenschaft in Wien. „Es gefällt mir nicht schlecht, und ich komme zurecht. Trotzdem ist es aber nicht das, was ich mir vorgestell­t habe.“Der 25Jährigen fehlt der Praxisbezu­g, auch die fixen Stundenplä­ne und klaren Strukturen an der Fachhochsc­hule würden ihr mehr liegen als die Eigeniniti­ative, die man an der Uni zeigen muss. Diesen Sommer versucht Wehinger es also ein zweites Mal an der FH.

Wie viele solcher zwischenze­itlicher Uni-Studierend­er es gibt, lässt sich nicht ermitteln. Die Dropout-Quoten sind nach ein, zwei Semestern in Studienric­htungen wie Biologie oder den Sozialwiss­enschaften ohnehin hoch. Außer Frage steht aber, dass sie das ohnehin stark belastete Unisystem weiter strapazier­en.

Aufseiten der Fachhochsc­hulen bleibt es bei der Forderung nach Ausbau – nicht nur der bestehende­n Studienric­htungen. Bis zu 30 derzeit an den Unis angesiedel­te Studienfäc­her mit starkem Bezug zur Berufsausb­ildung, möchte man anbieten. Prominente­stes Beispiel sind dabei juristisch­e Fächer.

Ausbauwüns­che groß

Bis 2028 könnten laut internatio­nalen Experten 40 Prozent aller Hochschüle­r an FHs studieren. Derzeit liegt der Anteil bei 13 Prozent. Damit diese Zahl ansteigt, müssten laut Fachhochsc­hulkonfere­nz nach 2018 etwa 66.000 zusätzlich­e Studienplä­tze geschaffen werden, was rund 500 Mio. Euro pro Jahr zusätzlich kosten würde.

Studienric­htungen wie Physiother­apie oder Hebamme, wo auf dem Arbeitsmar­kt schlicht kein Platz für zusätzlich­e Absolvente­n ist, würde das wahrschein­lich nicht betreffen. Ob das Interesse abnimmt, wird sich weisen.

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