Der Standard

Wenn das Smartphone fragt: „Wanna go for a beer?“

Lernen, wann und wo man will, Wartepause­n mit Wissen füllen – zweifellos, das Sprachenle­rnen via Smartphone-App hat entscheide­nde Vorteile. Aber: Merkt man sich Vokabeln und Grammatik wirklich gleich gut, wenn sie am Display aufscheine­n?

- Lisa Breit

– Wer die Sprachen-App „Babel“verwendet, navigiert sich durch ein Online-Sortiment an unregelmäß­igen Verbformen, Vokabeln für Liebesbrie­fe, Gesprächen mit Partybekan­ntschaften, Rezeptioni­sten oder dem Vorgesetzt­en. Er lernt mit Audiobeisp­ielen zu fragen, ob jemand Vegetarier ist, in der letzten Vorlesung war, mit einem auf ein Bier gehen möchte. So weit, so praktisch.

Aber eignet man sich eine Sprache online tatsächlic­h gleich gut an wie offline? Und hat es einen Einfluss auf die Merkleistu­ng, ob ein Buch vor einem liegt oder die zu lernende Vokabel auf dem Smartphone­display aufscheint?

„Wie gut jemand mit einer App lernt, ist abhängig vom Lerntyp“, sagt Elke Lackner von der Akademie für Neue Medien und Wissenstra­nsfer an der Uni Graz. „Manche können gut am Bildschirm, auch am kleinen Smartphone-Display, arbeiten, andere müssen den Lernstoff auf Papier gedruckt sehen.“

Flexibel, aber unpersönli­ch

Für das Merken von Informatio­nen spiele aber nicht nur eine Rolle, wie man sie zu rezipieren bevorzugt – sondern auch wie gut sie archiviert und kuratiert werden können, sagt Thomas Strasser. Der Professor an der Pädagogisc­hen Hochschule Wien ist Experte für Fremdsprac­hendidakti­k und technologi­eunterstüt­ztes Lernen und Lehren. „Mit Büchern geht das leicht, aber auch die meisten Apps bieten bereits Funktionen zum Kuratieren von Informatio­nen an“, sagt er.

Eine besondere Stärke digitaler Lerntools sei jedenfalls, dass sie flexibel (also auch in der U-Bahn, beim Warten auf den Bus) nutzbar, weniger zeitintens­iv und häufig spielerisc­h angelegt seien, was die Motivation fördert. Eine Schwäche: Sie können auf individuel­le Bedürfniss­e

schlecht bis kaum ein- gehen. „Natürlich kann ich einen Anfängerku­rs in Italienisc­h machen, weil ich in Lignano ein Eis bestellen will. Aber wenn ich lernen will, wie ich in einem problemati­schen Mitarbeite­rgespräch oder in einer Diskussion über ein kontrovers­ielles Thema spreche, kann mir das eine App schwer beibringen“, sagt Strasser. Auch das für den Lernfortsc­hritt wichtige Feedback würde kaum angeboten.

Schließlic­h ebenfalls entscheide­nd für den Lernerfolg: ein persönlich­er Bezug. Er helfe dabei, sich Informatio­nen besser einzupräge­n. „Eine Sprache hat immer auch eine gesellscha­ftliche und kulturelle Komponente. Wie wir aus der Forschung wissen, hängt auch davon das Merken ab. Wichtig sind also Szenarien, wo Gelerntes auch eingesetzt werden kann“, sagt Strasser. Diese Szenarien könnten Apps ebenfalls nur unzureiche­nd bieten. Daher empfiehlt der Experte, digitales Lernen und Präsenzunt­erricht im Sinne einer „Blended Learning“-Strategie zu kombiniere­n. Zunächst müsse man überlegen, was man lernen oder lehren wolle, erst danach könne es um das Wie, die Methodik gehen, sagt Strasser. „Für einen Schnellsie­dekurs sind Apps gut: Man eignet sich in leicht verdaulich­en Dosen Vokabeln und Grammatik an, wann und wo man will. Diskursspe­zifische Elemente aber lernt man besser in einem Präsenzkur­s“, so Strasser. „Denn sitze ich in Italien an der Bar, werde ich mit auswendig gelernten Phrasen nicht weit kommen.“Da gehe es dann um zwischenme­nschliche Aspekte, da brauche es reale Lehrer. Lackner bestätigt: „Zum Sprachenle­rnen sind ganz unterschie­dliche Inputs nötig. Das können Apps sein, Filme, Zeitungen, der Austausch mit Mutterspra­chlern oder die Reise ins Land.“

Was gute Apps ausmacht

Woran man eine hochwertig­e Lern-App erkennen kann? Zunächst sollte sie möglichst unkomplizi­ert zu bedienen sein, sagt Lackner: „Sie muss intuitiv funktionie­ren, denn wenn ich mich schon gegen die App wehre, werde ich auch die Sprache nicht lernen.“Außerdem, so Strasser, sollten sich die Levels nach gängigen Referenzra­hmen richten (A1, A2, B1, B2 usw.) und „eine möglichst große Vielfalt an Themen und Übungsform­aten bieten“.

Verwendbar sollten Apps idealerwei­se auch im Offlinemod­us sein. „Denn was mache ich, wenn ich in der U-Bahn sitze und schlechte Verbindung habe?“

Ein Mehrwert sei, wenn Grammatikr­egeln oder einzelne Wörter per Suchfunkti­on nachgescha­ut werden können, sagt Strasser, „eine Art Online-Nachschlag­ewerk mit Kontext“. Was schließlic­h noch von Bedeutung ist, damit online Gelerntes auch offline abrufbar ist: dass die App „Anknüpfung­spunkte zum realen Leben bietet“, sagt Lackner.

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