Neues für den Bildungsrucksack
Arbeitslos mit Hochschulabschluss? Lehrpläne müssen besser auf die Arbeitsmärkte zugeschnitten werden, Hochschulen müssen Junge besser auf das Berufsleben vorbereiten, und das duale Bildungswesen gehört gestärkt.
St. Gallen – Wir stehen vor einer der gewaltigsten Herausforderungen unserer Zeit: Rund 75 Millionen Jugendliche sind weltweit offiziell arbeitslos gemeldet. Noch viel mehr junge Leute sind entweder ohne Arbeit oder gehen einer geringfügigen informellen Tätigkeit nach.
Dabei ist es nicht so, dass es keine Arbeit geben würde. Gemäß Schätzungen gibt es allein in der EU rund vier Millionen unbesetzte Stellen. Gleichwohl sind rund sechs Millionen Jugendliche arbeitslos. Zwischen den Anforderungen der Arbeitgeber und der Ausbildung und Qualifikation der Jungen klafft eine immer größere Lücke.
Es passt nicht zusammen
Die Gründe hierfür sind vielfältig und betreffen sowohl die Arbeitgeber als auch die Stellensuchenden sowie das Bildungswesen. Zum einen stellen die Arbeitgeber immer höhere Anforderungen. Sie suchen Alleskönner, die eierlegende Wollmilchsau. So kommen Berufseinsteiger oftmals gar nicht erst infrage. Oder sie wagen es nicht, sich zu bewerben.
Zum anderen spielt das Bildungswesen eine zentrale Rolle. Der Übergang vom Bildungswesen in den Arbeitsmarkt stellt einen wichtigen Meilenstein im Leben junger Menschen dar. Leider aber bleibt dieser für zu viele Junge gänzlich aus, sodass sie sich direkt nach Abschluss der Ausbildung in der Arbeitslosigkeit wiederfinden.
Schlechter Start wirkt weiter
Sie fühlen sich inkompetent und überfordert mit der Aufgabe, eine Stelle zu finden. Besonders problematisch dabei: Frühe Arbeitslosigkeit im Leben führt oftmals zu einer lebenslangen Benachteiligung am Arbeitsmarkt und in der Gesellschaft.
Was können Schulen und Universitäten also unternehmen, um Jugendliche besser auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten?
Erstens muss der Lehrplan besser auf die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes zugeschnitten werden. Berufseinsteiger sollten die nötigen Kompetenzen und Fähigkeiten bereits im Bildungsrucksack mitbringen. Dafür wäre es ratsam, wenn das Bildungswesen enger mit der Wirtschaft zusammenarbeitete: die Personen, die auf nationaler Ebene für den Lehrplan verantwortlich sind, und die Lehrer, welche die Inhalte des Lehrplans vermitteln. So können sie die Relevanz der Kurse für das Arbeitsleben sicherstellen.
Neben der reinen Wissensvermittlung müssen die Bildungsinstitutionen junge Menschen auch auf den Arbeitsmarkt vorbereiten. Der Erfolg einer Schule oder Hochschule sollte an beiden Parametern bemessen werden. Im deutschsprachigen Raum in Europa legen Bildungseinrichtungen großen Wert auf die reine Vermittlung des Wissens.
Eine Anknüpfung an den Arbeitsmarkt können Schulen und Universitäten durch Arbeitsmarktveranstaltungen, Career-Services und andere Einrichtungen erreichen. Oder aber auch dadurch, dass das Lehrpersonal gezielt geschult (und auch daran gemessen) wird, Schüler und Studierende „fit für den Arbeitsmarkt“zu machen.
Finnland durchläuft derzeit eine radikale Veränderung des Bildungswesens, bei der die klassischen Fächer wie Sprachen und Naturwissenschaften durch Kompetenzenlehre ersetzt werden, wobei die einzelnen Themenbereiche dennoch abgedeckt werden.
Im digitalen Zeitalter können wir Wissen innerhalb weniger Sekunden von überall via Internet abrufen. Sachwissen ist gut, Anwendenkönnen wird jedoch zunehmend wichtiger. Es geht nicht mehr nur noch um das „was lerne ich“, sondern vielmehr um das „wie und wo finde ich die Information, wenn ich sie benötige“.
Drittens muss das duale Bildungswesen gestärkt werden. In Österreich, Deutschland und der Schweiz ist das duale Bildungswesen verhältnismäßig stark ausgeprägt. In vielen Ländern ist eine akademische Inflation zu beobachten, mit einer steigenden Anzahl sehr gut universitär ausgebildeter junger Leute. Aber nicht nur dort ist eine akademische Inflation zu sehen.
Konzertiert, nicht segregiert
Auch in Österreich lässt sich ein gewisser Trend weg von der Berufslehre erkennen. Während die Anzahl Jugendlicher in Österreich über die vergangenen 30 Jahre stetig abgenommen hat, hat der Anteil an Lehrlingen überproportional abgenommen. Vielen österreichischen Betrieben fällt es derzeit schwer, neue Lehrlinge zu finden. Zugleich nehmen auch weniger Unternehmen Lehrlingsausbildung auf sich.
Dies sind nur ein paar wenige konkrete Schritte und Handlungsempfehlungen für Schulen und Universitäten, um Schüler und Studierende besser auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten. Wichtig ist, dass alle involvierten Parteien dabei zusammenarbeiten.
Denn weder die Arbeitgeber noch das Bildungswesen können diesen Wandel allein herbeiführen.
Sicher ist nur, dass die Arbeitswelt des 21. Jahrhunderts radikal anders ist als die des 20. Jahrhunderts. Die vierte industrielle Revolution, Thema des diesjährigen World Economic Forum in Davos, wird die Zukunft der Arbeit von Grund auf verändern. Unsere Aufgabe ist es, unsere Kinder bestmöglich darauf vorzubereiten.