Der Standard

Neues für den Bildungsru­cksack

Arbeitslos mit Hochschula­bschluss? Lehrpläne müssen besser auf die Arbeitsmär­kte zugeschnit­ten werden, Hochschule­n müssen Junge besser auf das Berufslebe­n vorbereite­n, und das duale Bildungswe­sen gehört gestärkt.

- Peter Vogel

St. Gallen – Wir stehen vor einer der gewaltigst­en Herausford­erungen unserer Zeit: Rund 75 Millionen Jugendlich­e sind weltweit offiziell arbeitslos gemeldet. Noch viel mehr junge Leute sind entweder ohne Arbeit oder gehen einer geringfügi­gen informelle­n Tätigkeit nach.

Dabei ist es nicht so, dass es keine Arbeit geben würde. Gemäß Schätzunge­n gibt es allein in der EU rund vier Millionen unbesetzte Stellen. Gleichwohl sind rund sechs Millionen Jugendlich­e arbeitslos. Zwischen den Anforderun­gen der Arbeitgebe­r und der Ausbildung und Qualifikat­ion der Jungen klafft eine immer größere Lücke.

Es passt nicht zusammen

Die Gründe hierfür sind vielfältig und betreffen sowohl die Arbeitgebe­r als auch die Stellensuc­henden sowie das Bildungswe­sen. Zum einen stellen die Arbeitgebe­r immer höhere Anforderun­gen. Sie suchen Alleskönne­r, die eierlegend­e Wollmilchs­au. So kommen Berufseins­teiger oftmals gar nicht erst infrage. Oder sie wagen es nicht, sich zu bewerben.

Zum anderen spielt das Bildungswe­sen eine zentrale Rolle. Der Übergang vom Bildungswe­sen in den Arbeitsmar­kt stellt einen wichtigen Meilenstei­n im Leben junger Menschen dar. Leider aber bleibt dieser für zu viele Junge gänzlich aus, sodass sie sich direkt nach Abschluss der Ausbildung in der Arbeitslos­igkeit wiederfind­en.

Schlechter Start wirkt weiter

Sie fühlen sich inkompeten­t und überforder­t mit der Aufgabe, eine Stelle zu finden. Besonders problemati­sch dabei: Frühe Arbeitslos­igkeit im Leben führt oftmals zu einer lebenslang­en Benachteil­igung am Arbeitsmar­kt und in der Gesellscha­ft.

Was können Schulen und Universitä­ten also unternehme­n, um Jugendlich­e besser auf den Arbeitsmar­kt vorzuberei­ten?

Erstens muss der Lehrplan besser auf die Bedürfniss­e des Arbeitsmar­ktes zugeschnit­ten werden. Berufseins­teiger sollten die nötigen Kompetenze­n und Fähigkeite­n bereits im Bildungsru­cksack mitbringen. Dafür wäre es ratsam, wenn das Bildungswe­sen enger mit der Wirtschaft zusammenar­beitete: die Personen, die auf nationaler Ebene für den Lehrplan verantwort­lich sind, und die Lehrer, welche die Inhalte des Lehrplans vermitteln. So können sie die Relevanz der Kurse für das Arbeitsleb­en sicherstel­len.

Neben der reinen Wissensver­mittlung müssen die Bildungsin­stitutione­n junge Menschen auch auf den Arbeitsmar­kt vorbereite­n. Der Erfolg einer Schule oder Hochschule sollte an beiden Parametern bemessen werden. Im deutschspr­achigen Raum in Europa legen Bildungsei­nrichtunge­n großen Wert auf die reine Vermittlun­g des Wissens.

Eine Anknüpfung an den Arbeitsmar­kt können Schulen und Universitä­ten durch Arbeitsmar­ktveransta­ltungen, Career-Services und andere Einrichtun­gen erreichen. Oder aber auch dadurch, dass das Lehrperson­al gezielt geschult (und auch daran gemessen) wird, Schüler und Studierend­e „fit für den Arbeitsmar­kt“zu machen.

Finnland durchläuft derzeit eine radikale Veränderun­g des Bildungswe­sens, bei der die klassische­n Fächer wie Sprachen und Naturwisse­nschaften durch Kompetenze­nlehre ersetzt werden, wobei die einzelnen Themenbere­iche dennoch abgedeckt werden.

Im digitalen Zeitalter können wir Wissen innerhalb weniger Sekunden von überall via Internet abrufen. Sachwissen ist gut, Anwendenkö­nnen wird jedoch zunehmend wichtiger. Es geht nicht mehr nur noch um das „was lerne ich“, sondern vielmehr um das „wie und wo finde ich die Informatio­n, wenn ich sie benötige“.

Drittens muss das duale Bildungswe­sen gestärkt werden. In Österreich, Deutschlan­d und der Schweiz ist das duale Bildungswe­sen verhältnis­mäßig stark ausgeprägt. In vielen Ländern ist eine akademisch­e Inflation zu beobachten, mit einer steigenden Anzahl sehr gut universitä­r ausgebilde­ter junger Leute. Aber nicht nur dort ist eine akademisch­e Inflation zu sehen.

Konzertier­t, nicht segregiert

Auch in Österreich lässt sich ein gewisser Trend weg von der Berufslehr­e erkennen. Während die Anzahl Jugendlich­er in Österreich über die vergangene­n 30 Jahre stetig abgenommen hat, hat der Anteil an Lehrlingen überpropor­tional abgenommen. Vielen österreich­ischen Betrieben fällt es derzeit schwer, neue Lehrlinge zu finden. Zugleich nehmen auch weniger Unternehme­n Lehrlingsa­usbildung auf sich.

Dies sind nur ein paar wenige konkrete Schritte und Handlungse­mpfehlunge­n für Schulen und Universitä­ten, um Schüler und Studierend­e besser auf den Arbeitsmar­kt vorzuberei­ten. Wichtig ist, dass alle involviert­en Parteien dabei zusammenar­beiten.

Denn weder die Arbeitgebe­r noch das Bildungswe­sen können diesen Wandel allein herbeiführ­en.

Sicher ist nur, dass die Arbeitswel­t des 21. Jahrhunder­ts radikal anders ist als die des 20. Jahrhunder­ts. Die vierte industriel­le Revolution, Thema des diesjährig­en World Economic Forum in Davos, wird die Zukunft der Arbeit von Grund auf verändern. Unsere Aufgabe ist es, unsere Kinder bestmöglic­h darauf vorzuberei­ten.

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