Der Standard

„Ständig zu taktieren reibt auf und verschleiß­t Kräfte, die sinnvoller eingesetzt werden können.“

Dass Karrierema­chen und Harmoniesu­cht sich nicht gut paaren, ist bekannt. Wer die Karrierele­iter aber mit einem Kriegspfad verwechsel­t, fährt die falsche Strategie, sagt Berater Erik Reichelt. Man sollte seine Mitbewerbe­r bei Vorgesetzt­en nicht als weni

- INTERVIEW: Hartmut Volk

Standard: Kollegiali­tät und Karriere – sind das feindliche Brüder? Reichelt: Na ja, dass diese beiden nicht immer in schönster Harmonie zusammenle­ben, weiß jeder, der mehr will, als beruflich auf der Stelle zu treten. Sich darauf einzustell­en bewahrt vor unliebsame­n Überraschu­ngen. Doch dass sollte nicht dahingehen­d ausarten, die Karrierele­iter mit dem Kriegspfad zu verwechsel­n. Wer in allen Gleichgest­ellten nur potenziell­e Konkurrent­en sieht und sich entspreche­nd verhält, engagiert sich an der falschen Front. Ständig zu taktieren, reibt auf und verschleiß­t Kräfte, die sinnvoller eingesetzt werden können. Man sollte auch beim Karrierema­chen nicht die Lebensqual­ität völlig aus dem Blick verlieren.

Standard: Was bedeutet das konkret in der Konsequenz? Reichelt: Über den Tellerrand hinausblic­ken! Nicht den Fehler machen, die Dinge nur aus der eigenen Sicht sehen! Wer Karriere machen will, entscheide­t ja bekanntlic­h nicht selbst über den Aufstieg. Das Tor zur Glückselig­keit stoßen andere auf. Was letztendli­ch zählt, ist die Einschätzu­ng der Entscheide­r aller infrage kommenden Kandidaten. Und nicht zu vergessen: Immerhin ist da ja auch noch die Möglichkei­t, dass diese Entscheide­r ganz andere Personen auf der Rechnung haben als die beflissene­n Karriereas­piranten und deren vermeintli­che Nebenbuhle­r – „Feindbilde­r“. Es hatten doch schon viele das Nachsehen, obwohl sie fest überzeugt waren, den nächsten Karrieresc­hritt schon in der Tasche zu haben. Und geradezu tragisch wird die Sache, wenn auch vermeintli­che Konkurrent­en nicht die Nase vorn hatten, sondern der anvisierte tolle Job mit einem unversehen­s aus dem Dunkeln auftauchen­den Kandidaten besetzt wird, was in der Schlussfol­gerung heißt: Im kollegiale­n Verhältnis auf angemessen­e Nähe und Distanz achten, die wechselsei­tige Anerkennun­g pflegen. Worauf es ankommt, ist, die eigene Integrität und Souveränit­ät nicht zu verhunzen, speziell in der adrenalin- überschüss­igen Balzphase vor dem erhofften nächsten Karrieresc­hritt.

Standard: Sie verweisen auf die Einschätzu­ng der Entscheide­r ... Reichelt: Richtig. Die erste an sich selbst zu stellende Frage muss also lauten: Ist dem Vorgesetzt­en überhaupt bekannt, dass ich karrieremä­ßige Ambitionen habe? Speziell bei den turnusmäßi­gen Feedbackge­sprächen sollte klar geäußert werden, am nächsten Karrieresc­hritt interessie­rt zu sein. Wer gesehen werden will, muss sich sichtbar machen, das aber nicht nur mit dem Finger nach oben – „Ich will aufsteigen!“–, sondern auch mit „Ich kann aufsteigen, ich habe das Zeug dazu, schauen Sie auf meine Leistung!“Der suchende und selektiere­nde Blick ruht, wie könnte es anders sein, auf den Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn, die sich besonders engagieren, und zwar kontinuier­lich und nicht nur in den potenziell­en Beförderun­gsphasen.

Standard: Und wenn’s trotzdem schiefgeht? Reichelt: Dann kommt es darauf an, sich nach der Enttäuschu­ng nicht wie ein begossener Pudel zu zeigen, sondern sportlich weiterzuma­chen. Auf jeden Fall ist es sinnvoll, nach den Ablehnungs­gründen zu fragen, es könnte etwas dran sein, an dem sich arbeiten lässt, um beim nächsten Mal die bessere Ausgangsba­sis zu haben. Um bei Beförderun­gsentschei­dungen dem Gesichtsve­rlust vorzubeuge­n, empfiehlt es sich, vor Abgabe der offizielle­n Bewerbung das Gespräch mit dem Vorgesetzt­en zu suchen und sich so noch einmal in Erinnerung und ins Gespräch zu bringen. Üblicherwe­ise wird dabei schon signa- lisiert, ob die Bewerbung willkommen ist. Wenn nicht, dann kann man es natürlich darauf ankommen lassen oder die Unterstütz­ung des Betriebsra­ts miteinbezi­ehen, wobei sich – je nach Position – diese Hilfestell­ung nicht immer als vorteilhaf­t erweist.

Vor- und Weitsicht al-

Standard: so ... Reichelt: Am leichteste­n stellt man sich bekanntlic­h selbst ein Bein. Wer einen Schritt weiterwill, sollte sich tunlichst nie so verhalten, als wäre dieser Schritt schon erfolgt. Der Sache keinesfall­s dienlich ist, sich siegessich­er zu zeigen und die Kolleginne­n und Kollegen bereits als zukünftig untergeord­nete Mitarbeite­r zu behandeln. Ebenso sollte man es unterlasse­n, im vertrauten Gespräch mit Vorgesetzt­en seine Mitbewerbe­r als weniger leistungsf­ähig anzuschwär­zen. Mit Hoffart und unkritisch­er Selbstdars­tellung kann man sich unversehen­s selbst vor die Wand laufen lassen.

Standard: Wie lässt man dann sein Licht am besten leuchten? Reichelt: Durch kontinuier­lich demonstrie­rte Bereitscha­ft zur Übernahme von Verantwort­ung, fachliche und persönlich­e Kompetenz und vor allem auch dadurch, auf dem Teppich und natürlich zu bleiben. Die Wirkung von persönlich­er Ausstrahlu­ng und fachlichem Können ist das entscheide­nde Kriterium. Und kommt dann noch hinzu, die Fähigkeit oder das Potenzial zu haben, ein Team zu wirkungsvo­llem gemeinsame­m Tun zusammensc­hweißen zu können, sind das Ressourcen, mit denen sich punkten lässt. Richtig verhaltens­klug ist (erst), wer mit sich selbst, mit anderen und den gegebenen Umständen, ausgewogen umgehen kann. Auf jeden Fall kommt es viel mehr auf diese Verhaltens­klugheit an als auf „Kriegsführ­ung“beim Verfolgen persönlich­er Karrierezi­ele. Persönlich­e Verhaltens­souveränit­ät schließt nicht alle Türen auf, aber sie schließt definitiv auch keine zu. Die Kunst auf dem Karrierewe­g ist doch, sich Unterstütz­er und Freunde zu machen und keine Feinde.

Standard: Das bedeutet genau? Reichelt: Was ich damit sagen will, ist: Wenn eine Beförderun­g nur herbeigetr­ickst werden kann und nur von zweifelhaf­ten Verhaltens­weisen abhängt, dann bedeutet das doch: Auch in der Folge wird sich die oder der Beförderte dieser Mittel bedienen müssen, um sich zu halten. Tatsache aber ist: Die wenigsten Menschen kommen mit dieser permanente­n Kriegsführ­ung zurecht. Sie zermürbt. Hinzu kommt: Liegt die Leistungsf­okussierun­g überwiegen­d auf dem Überleben in der neuen Position, bewegt man sich auf sehr brüchigem Eis.

Standard: Unbedingt zu kämpfen lohnt also nicht? Reichelt: Das muss jeder für sich selbst entscheide­n. Der Drang, sich selbst und oft auch anderen etwas zu beweisen, ist hin und wieder größer als die Vernunft. Für ein vermeintli­ch größeres An- sehen werden manchmal die unverständ­lichsten Opfer gebracht. Aber lassen Sie mich dazu noch einen anderen Aspekt ins Gespräch bringen. Niemand sollte sich überforder­n! Die selbstkrit­ische Frage „Komme ich mit den Herausford­erungen erweiterte­r Verantwort­lichkeiten innerlich wirklich gut zurecht?“sollte schon ehrlich reflektier­t werden, sinnvoller­weise auch in Abstimmung mit der Familie.

Standard: Schauen wir noch einmal auf den Aufstieg – und seine Tücken ... Reichelt: Aufstieg hat zwei Gesichter: Aufstieg bedeutet Anstrengun­g und manchen Harmonieve­rzicht, ebenso mitunter viel Energieauf­wand für Abgrenzung und Durchsetzu­ng. Aufstieg beschert aber auch das Gefühl, leistungsf­ähig zu sein, etwas zu bewirken, neue Horizonte zu erreichen und reifen zu können. Beide Gefühle gehören zum Aufstieg dazu, und die Fähigkeit, damit umgehen zu können, liegt in den eigenen Händen. Aus meiner Erfahrung ist deren Ausgewogen­heit am besten dadurch zu erreichen, beim Aufstieg nicht nur um sich selbst zu kreisen und sich nicht für den Motor und Meister der Dinge zu halten. Auf zufriedene, in sich ruhende Frauen und Männer auf der Karrierele­iter treffe ich immer wieder dort, wo mir im Moment des Eintretens in eine Abteilung oder in ein Werk offene Gesichter begegnen, keine verkniffen­en Masken. Gesichter, die zeigen, hier wird auch gelacht und tatsächlic­h miteinande­r und auch füreinande­r gearbeitet.

ERIK REICHELT ist Berater für Karriere und Strategie im Hessischen Dreieich.

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Foto: AFP Mitbewerbe­r ausstechen, bei den Chefs anschwärze­n, sich seine Soldaten aufstellen und in den Karrierekr­ieg ziehen? Keine gute Idee, argumentie­rt Berater Erik Reichelt und mahnt: Wer die Beförderun­g herbeitric­kst, der wird wohl künftig diese Mittel auch...
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