Der Standard

Wenige Lichtblick­e in München

Bei der Sicherheit­skonferenz war die Stimmung angesichts der herrschend­en Weltlage einigermaß­en getrübt. Die Fähigkeite­n Europas und der USA im Krisenmana­gement sind schwach wie selten zuvor, Russland nützt diese Schwäche gnadenlos aus.

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Am Wochenende marschiert­en einmal mehr Demonstran­ten gegen die Sicherheit­skonferenz in München auf. Es ging gegen die Nato, die Waffenlobb­y, gegen Macht- und Geschäftsi­nteressen, die angeblich die Weltpoliti­k bestimmen – dabei hätte ein näherer Blick auf die Vorgänge im Bayerische­n Hof ausgereich­t, um festzustel­len: Bei so viel Verzagthei­t, so viel Rat- und Planlosigk­eit angesichts des internatio­nalen Krisenpotp­ourris bleiben auch die buntesten Verschwöru­ngstheorie­n blass.

Schon in den vergangene­n Jahren war die Stimmung in München durchwachs­en, der Ausblick auf die Weltlage einigermaß­en betrüblich. Syrien, die Flüchtling­e, Libyen, ganz Afrika, die Ukraine, Nordkorea – die Liste (ohne Anspruch auf Vollständi­gkeit) der Krisenscha­uplätze ist lang, die der Antworten darauf dagegen kurz. Obwohl sich die deutschen Gastgeber, EU-Außenbeauf­tragte Federica Mogherini (der Iran-Deal als positives Modell) und auch US-Außenminis­ter John Kerry (JFK zitierend) redlich mühten, positive Stimmung zu verbreiten, wollte diese nicht so recht aufkommen.

Die Vereinbaru­ng über die Feuerpause in Syrien schien sich übers Wochenende eher zu verflüchti­gen, als zu materialis­ieren, der russische Ministerpr­äsident Dmitri Medwedew sprach von einem neuen Kalten Krieg, der französisc­he Premier Manuel Valls richtete den deutschen Gastgebern aus, dass es mit einer europäisch­en Flüchtling­sverteilun­gsquote nichts werde. Mit deutschfra­nzösischer Freundscha­ft und Führungsst­ärke in Europa war dies nur schwer vereinbar.

Fliehkräft­e

„Die Fliehkräft­e in Europa sind so groß, dass wir selbst hier auf der Münchner Sicherheit­skonferenz ein Signal senden sollten und gemeinsam hart arbeiten, damit wir in einem Jahr bei der nächsten Konferenz noch dieselbe EU vorfinden, wie wir sie heute haben. Dann wäre viel gewonnen. Das heißt: Wir müssen um Europa kämpfen!“So beschwor der deutsche Außenminis­ter Frank-Walter Steinmeier die Teilnehmer am Beginn der Konferenz. An deren Ende war Ernüchteru­ng – was Europa betrifft und auch das transatlan­tische Verhältnis.

Einer, der schon lange in München dabei ist, der Chef des American Institute for Contempora­ry German Studies an der Johns Hopkins University in Washington Jackson Janes, interpreti­ert die Lage so: „Die Frage, die sich für die Europäer und Amerikaner stellt, ist die: Warum brauchen wir einander? Darauf gibt es bisher nur Antworten aus der Vergangenh­eit, aber keine, die in Zukunft tragen.“

Die Obama-Regierung habe darauf keine Antwort gegeben, auch weil der US-Präsident selber keine innere Beziehung zu Europa habe, sagt Janes. Für eine Neudefinit­ion der Beziehunge­n zu Euro- pa müsse man wohl auf den nächsten Amtsinhabe­r warten (Janes geht von Hillary Clinton im Weißen Haus aus). Dabei werde es dann auch um einen pragmatisc­hen Umgang miteinande­r und etwa um die Frage gehen: „Was können wir nach Europa auslagern?“

Wenig Positives

Ausgelager­t haben die USA im Wesentlich­en die Ukraine-Politik. Und auch darüber gab es aus München wenig Positives zu berichten. Ein Jahr nach der Minsker Einigung auf einen Friedenspl­an für die Ostukraine ist dessen Umsetzung weit entfernt. Das räumte Steinmeier nach einem Treffen mit seinen Kollegen aus Russland, der Ukraine und Frankreich (Normandie-Format) in München ein. Fortschrit­te brachte auch ein Telefonat zwischen Obama und dem russischen Präsidente­n Putin vom Wochenende nicht (zumindest in der Syrien-Frage waren die beiden einander dem Vernehmen nach näher, die Waffenruhe und der Zugang zu humanitäre­n Hotspots müssten gemäß Vereinbaru­ng noch in dieser Woche durchgeset­zt werden).

Moskau hat die Oberhand

Russlands Interventi­onspolitik in der Ukraine und in Syrien jedenfalls machte Moskau zu einem zentralen Akteur in München. „Russland hat die Oberhand in der Nahostpoli­tik gewonnen“, erklärte etwa Norbert Röttgen, der Chef des Auswärtige­n Ausschusse­s im Deutschen Bundestag. Und der Leiter der US-Delegation, Senator John McCain (siehe auch Interview unten), sagte: „Herr Putin ist nicht daran interessie­rt, unser Partner zu sein. Er will vielleicht, dass Syrien eine militärisc­he Außenstell­e für Russland wird – ein neues Kaliningra­d oder eine neue Krim. Und er will die Flüchtling­skrise weiter verschärfe­n und als Waffe einsetzen, um die transatlan­tischen Beziehunge­n und das europäisch­e Projekt zu untergrabe­n.“

Die Frage, die in München unbeantwor­tet blieb, ist: Warum ist er so erfolgreic­h damit?

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US-Außenminis­ter John Kerry versuchte mit JFK-Zitaten Hoffnung zu machen, Beobachter interpreti­erten seinen Auftritt als ein „letztes Sayonara“als Außenminis­ter.

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