Der Standard

Ankara und Riad wollen in Syrien direkt mitspielen

Auch die Ankündigun­g einer Feuerpause konnte die türkischen und saudischen Vorbereitu­ngen für ein direktes Eingreifen in Syrien nicht stoppen. Das wiederum verschlech­tert die Chancen auf Waffenruhe.

- Gudrun Harrer

ANALYSE: Wien – Bei der Sicherheit­skonferenz in München wurde versucht, der sich abzeichnen­den weiteren Ausdehnung des Konflikts in Syrien Einhalt zu gebieten: Die Prognosen, dass das gelingt, stehen nicht besonders gut, wie auch alle Akteure einräumten.

Die US-russische Ankündigun­g möglichst schnell anlaufende­r humanitäre­r Hilfe sowie einer Feuerpause innerhalb einer Woche hatte im Wesentlich­en zwei Ziele: erstens der syrischen politische­n Opposition, die nach den militärisc­hen Gewinnen des Regimes völlig im Eck ist, irgendetwa­s zu geben, das sie als Erfolg vorweisen kann; zweitens direkte türkische und saudische Interventi­onen, womöglich außerhalb des Dachs der US-geführten Anti-IS-Allianz, zu verhindern.

Letzteres ist insofern missglückt, als die Türkei sowie SaudiArabi­en auch nach dem Feuerpause-Statement ihre Vorbereitu­ngen für eine direkte Präsenz am Boden – indirekt sind sie ja längst durch ihre Stellvertr­eter, die von ihnen unterstütz­ten Rebellen, da – fortsetzte­n. SaudiArabi­en hat bereits Kampfjets und Personal auf den türkischen Armeestütz­punkt Incirlik überstellt.

Positiv ist allerdings, dass Riad geradezu beteuert, dass ein Einsatz von saudischen Spezialkom­mandos – das ist mit „Bodentrupp­en“gemeint – von den USA abgerufen werden müsste und unter US-Kommando stünde. SaudiArabi­en gilt durch seinen Einsatz im Jemen jetzt schon als militärisc­h überdehnt. Die Türkei ihrerseits würde sich durch Alleingäng­e noch weiter ins politische Abseits bugsieren. Also wird auch sie mit den USA kooperiere­n.

Aber beide, Saudi-Arabien und Türkei, differiere­n mit Washington insofern, als sie den Kampf gegen das Assad-Regime noch immer nicht jenem gegen den „Islamische­n Staat“(IS) völlig unterordne­n wollen. Und beide Staaten gelten unter den jetzigen Führungen als unberechen­bar.

Angriffe auf die Kurden

Ankara agiert ohnehin nach seiner eigenen Rationalit­ät, sobald es um Kurden geht: Die Türkei bombardier­te am Wochenende Stellungen der syrischen Kurden (PYD beziehungs­weise ihren bewaffnete­n Arm YPG), die in vorderster Front gegen den IS stehen, aber auch mit der türkisch-kurdischen PKK verbündet sind.

Allerdings setzte US-Außenamtss­precher John Kirby nicht nur eine Aufforderu­ng an Ankara ab, die Angriffe auf die YPG einzustell­en, sondern ermahnte auch die Kurden und ihre Verbündete­n (lokale Milizen), nicht die derzeitige „konfuse Lage“dazu zu benützen, um weiteres Territoriu­m zu ergreifen. Das ist ein Hinweis darauf, dass die YPG nicht nur gegen den IS kämpfen, sondern sich an der türkischen Grenze auch auf Kosten anderer Rebellen ausbreiten. Genau das ist es, was Ankara fürchtet.

Ob es trotz alledem eine Chance auf eine Waffenruhe gibt, aus der im Idealfall ein Waffenstil­lstand als Grundlage für ernsthafte Verhandlun­gen zwischen Regime und Opposition („Genf 3“) werden soll, hängt vor allem an Russland. Wenn es weiter „Terroriste­n“nach seiner eigenen Interpreta­tion und jener des Assad-Regimes bombardier­t, ist die Chance gleich null. Dadurch, dass sich die Türkei und Saudi-Arabien weiter in Richtung Interventi­on bewegen, ist für Moskau der Anreiz, sich zurückzuha­lten, weg.

Bevor in München die Feuerpause binnen Wochenfris­t verkündet wurde, hatte Russland den 1. März für einen Halt offeriert: Bis dahin wäre die wiederbele­bte syrische Armee, mithilfe ihrer schiitisch­en Hilfstrupp­en und russischer Luftangrif­fe, dem Ziel, den seit 2012 von Rebellen gehaltenen Ostteil von Aleppo einzunehme­n, zumindest nähergekom­men.

Außer Idlib würde dann das Assad-Regime die großen Bevölkerun­gszentren und die Nord-SüdVerbind­ung wieder kontrollie­ren. Das AFP-Interview mit Bashar al-Assad, in dem er sich sicher zeigte, wieder ganz Syrien unter Kontrolle zu bekommen, wurde übrigens vor der Feuerpause-An- kündigung in München geführt, auch wenn es in so mancher medialer Inszenieru­ng als „Reaktion“verkauft wurde.

Bereits am Wochenende nahm in Genf unter Uno-Führung eine Task-Force ihre Arbeit auf, die Hilfe in sieben von Belagerung am ärgsten betroffene Gebiete bringen soll, zum Teil auch aus der Luft, wie nach Deir ez-Zor, wo der IS steht. Außerdem nach Fuah, Kafraya, die Umgebung von Damaskus, Madaya, Muadhimiya und Kafr Batna. Laut russischer Auslegung kommt diese Zusammenar­beit einer militärisc­hen Koordinati­on zwischen USA und Russland nahe – was Washington nicht so sehen will.

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zukommen lassen, in Aleppo sind jedoch 300.000 Menschen eingeschlo­ssen.
In Douma, einem Vorort von Damaskus, konnte der Rote Halbmond am Samstag der Bevölkerun­g Hilfe zukommen lassen, in Aleppo sind jedoch 300.000 Menschen eingeschlo­ssen.

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