Der Standard

USA: Streit um Nachbesetz­ung im Supreme Court

Republikan­er fordern Moratorium bis zur Präsidente­nwahl im November

- Frank Herrmann aus Washington

Kaum hatte die Meldung von Antonin Scalias Tod die Runde gemacht, begann auch schon das Tauziehen um seine Nachfolge. Die Neubesetzu­ng des vakanten Postens ist ein Streitfall, der sich bis November durch den gesamten Wahlkampf der Präsidents­chaftskand­idaten ziehen könnte. Zum einen liegt es daran, dass der Supreme Court im politische­n System der USA mehr Gewicht hat, als man es aus den meisten anderen Ländern kennt. Zum anderen ist das Gericht durch eine derart delikate Machtbalan­ce geprägt, dass es auf eine kleine Revolution hinauslief­e, wollte man daran etwas ändern.

Angesiedel­t in einem Marmorpala­st mit korinthisc­hen Säulen ist es der Ort, an dem die wirklich wichtigen Debatten des Landes stattfinde­n. Während sich Demokraten und Republikan­er im Kongress oft in kleinkarie­rten Scharmütze­ln aufreiben, werden hier die großen Gesellscha­ftsfragen verhandelt. Der Supreme Court hat 1973 die Abtreibung erlaubt, 1954 hat er die Weichen zum Ende südstaatli­cher Rassentren­nung gestellt – lange bevor das Parlament mit Gesetzen nachzog. Neun auf Lebenszeit ernannte Richter, angetan mit schwarzen Roben, geben einander feierlich die Hände, bevor sie ihre Sitzungen beginnen. Ihr versammelt euch zu einem gemeinsame­n Zweck, soll das Ritual signalisie­ren.

Dabei symbolisie­ren die einen das konservati­ve, die anderen das progressiv­e Amerika, je nachdem, ob der Präsident, der sie ernannte, Republikan­er war oder Demokrat. Im Frühjahr stehen einige Fälle an, über die beide Parteien aufs Heftigste streiten – in einem Wahljahr wohl noch heftiger als sonst. Zum Beispiel muss das Gericht darüber befinden, ob der Präsident verfassung­skonform handelte, als er rund vier Millionen ohne Aufenthalt­sgenehmigu­ng im Land lebende Immigrante­n vor der Abschiebun­g bewahrte.

Weichenste­llung

Schon jetzt sprechen die Kandidaten im Rennen ums Weiße Haus von der besonderen Bedeutung der Wahl 2016, weil der oder die Nächste im Oval Office unter Umständen drei neue Richter ernennt und damit für lange Zeit die Weichen stellt. Geht es nach den Republikan­ern, soll Obama bis zu seinem Abschied vom Amt darauf verzichten, einen Nachfolger Scalias zu nominieren. Für den Fall, dass er es dennoch tut, haben sie härtesten Widerstand angekündig­t, immer vorausgese­tzt, dass ihnen die Personalie missfällt. Min- destens 60 Senatoren müssen der Ernennung zustimmen. Da die Republikan­er derzeit über 54 der 100 Senatssitz­e verfügen, wäre ihre Blockade vermutlich erfolgreic­h.

Mitch McConnell, ihr Fraktionsc­hef in der kleineren Parlaments­kammer, hat bereits angekündig­t, eine Nominierun­g zu verhindern. Obama solle sich bescheiden und die Entscheidu­ng dem nächsten Präsidente­n überlassen. Harry Reid, McConnells Gegenspiel­er in den Reihen der Demokraten, sieht das anders. „Es wäre präzedenzl­os in der jüngeren Geschichte des Supreme Court, sollte ein Posten ein Jahr lang unbesetzt bleiben“, sagte er. Obama seinerseit­s spricht davon, dass er seiner Verfassung­spflicht nachkommen und einen Nachfolger benennen werde. Ihm bleibe, fügt er hinzu, noch sehr viel Zeit, um dies zu tun.

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Trauer um Scalia vor dem Supreme Court in Washington, DC.

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