Neuwahlspekulationen im Grazer Rathaus
ÖVP-Bürgermeister Siegfried Nagl lässt Gerüchte um vorgezogene Wahl dementieren
Graz – Der Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) ist in den letzten Wochen auffallend umtriebig. Er initiiert eine Online-Petition für die „Festlegung einer Obergrenze von 100.000 Flüchtlingen in Österreich“, um Druck auf die Regierung aufzubauen. Im selben Atemzug philosophiert er in lokalen Medien über seine Visionen eines „Graz der Zukunft“. Neue Stadtviertel werden entstehen, der städtische Verkehr werde „völlig neu aufgestellt werden“, Kultur und Kunst sollen einen neuen Stellenwert bekommen.
Beobachter im Rathaus vermuten hinter dem Energieschub mögliche Überlegungen zu einer Vorverlegung der für November 2017 terminisierten Gemeinderatswahl. Entsprechende Gerüchte machen seit längerem die Runde.
Und tatsächlich: Die Bedingungen für einen Absprung in vorgezogene Wahlen scheinen durchaus ideal zu sein. Die Grünen sind nach dem angekündigten Rück- zug von Parteichefin Lisa Rücker noch intensiv mit der Nachfolge beschäftigt. Nationalratsabgeordnete Judith Schwentner scheint eine realistische Chance zu haben: „Ich verspüre noch keine Panik in der Partei, wir haben noch Zeit, es ist nichts entschieden. Ich mache die Arbeit im Parlament sehr, sehr gerne. Es gibt natürlich auch in Graz Dinge, die mich reizen“, sagt Schwentner dem STANDARD. Mit vorgezogenen Wahlen könnte Nagl Unruhe in die Grünen bringen.
Die SPÖ müsste Nagl kaum fürchten. Die ehemalige Bürgermeisterpartei führt als Juniorpartner seit Jahren ein beschauliches Leben. Man sagt ihr nach, sie sei auf dem besten Weg, das Schicksal der „Wiener ÖVP“zu erleiden.
Die KPÖ wiederum, das politische Unikum der Steiermark, hat ihre fixe Stammklientel, sich als Partei abseits der Wohnungskompetenz aber nicht substanziell weiterentwickelt. Zudem macht der Partei auch die Flüchtlingsdebatte zu schaffen, denn in einem ihrer Kerngebiete, dem Arbeiterviertel in Jakomini, ist ein größeres Flüchtlingszentrum in einer Kaserne geplant.
Daraus will die FPÖ Kapital schlagen, ein weiteres Erstarken der Blauen könnte Nagl mit vorgezogenen Wahlen bremsen, argumentieren Rathausinsider.
Nagl wiederum hat 2015 als Krisenmanager bezüglich der Amokfahrt deutlich an Statur gewonnen und zuletzt durch eine härtere Tonart in der Flüchtlingsfrage direkt in den FPÖEinflussbereich hineingefunkt. Er könnte also die Gelegenheit nutzen, die anlaufenden Budgetverhandlungen platzen zu lassen und so Neuwahlen zu provozieren – so die Spekulationen in Graz.
„Das ist, mit Verlaub, ein kompletter Blödsinn“, sagt Nagl-Sprecher Thomas Rajakovics. Jetzt in Wahlen zu gehen, brächte der ÖVP „überhaupt nichts. Wir hätten realistischerweise am Ende nur zwei Möglichkeiten zu regieren: entweder mit ganz rechts oder ganz links.“Entweder mit der FPÖ oder KPÖ, andere Varianten scheiden wegen fehlender Mehrheitsmöglichkeiten aus. Beides sei nicht gerade das Gelbe vom Ei.
Auch wenn die ÖVP hinter den Kulissen womöglich tatsächlich Neuwahlpläne wälzt, die Causa prima der Grazer VP birgt eine große Unwägbarkeit: der Gerichtsfall Bernd Schönegger. Die Anklage gegen den ÖVP-Nationalratsmandatar wegen Parteifinanzierungsvorwürfen rund um die Gemeinderatswahl 2008 ist rechtskräftig, was noch aussteht, ist der Verhandlungstermin. „Ja, solange die Causa Schönegger nicht erledigt ist – wobei wir fest von seiner Unschuld überzeugt sind –, sind etwaige Spekulationen ohnehin müßig“, sagt Rajakovics.