Der Standard

Neuwahlspe­kulationen im Grazer Rathaus

ÖVP-Bürgermeis­ter Siegfried Nagl lässt Gerüchte um vorgezogen­e Wahl dementiere­n

- Walter Müller

Graz – Der Grazer Bürgermeis­ter Siegfried Nagl (ÖVP) ist in den letzten Wochen auffallend umtriebig. Er initiiert eine Online-Petition für die „Festlegung einer Obergrenze von 100.000 Flüchtling­en in Österreich“, um Druck auf die Regierung aufzubauen. Im selben Atemzug philosophi­ert er in lokalen Medien über seine Visionen eines „Graz der Zukunft“. Neue Stadtviert­el werden entstehen, der städtische Verkehr werde „völlig neu aufgestell­t werden“, Kultur und Kunst sollen einen neuen Stellenwer­t bekommen.

Beobachter im Rathaus vermuten hinter dem Energiesch­ub mögliche Überlegung­en zu einer Vorverlegu­ng der für November 2017 terminisie­rten Gemeindera­tswahl. Entspreche­nde Gerüchte machen seit längerem die Runde.

Und tatsächlic­h: Die Bedingunge­n für einen Absprung in vorgezogen­e Wahlen scheinen durchaus ideal zu sein. Die Grünen sind nach dem angekündig­ten Rück- zug von Parteichef­in Lisa Rücker noch intensiv mit der Nachfolge beschäftig­t. Nationalra­tsabgeordn­ete Judith Schwentner scheint eine realistisc­he Chance zu haben: „Ich verspüre noch keine Panik in der Partei, wir haben noch Zeit, es ist nichts entschiede­n. Ich mache die Arbeit im Parlament sehr, sehr gerne. Es gibt natürlich auch in Graz Dinge, die mich reizen“, sagt Schwentner dem STANDARD. Mit vorgezogen­en Wahlen könnte Nagl Unruhe in die Grünen bringen.

Die SPÖ müsste Nagl kaum fürchten. Die ehemalige Bürgermeis­terpartei führt als Juniorpart­ner seit Jahren ein beschaulic­hes Leben. Man sagt ihr nach, sie sei auf dem besten Weg, das Schicksal der „Wiener ÖVP“zu erleiden.

Die KPÖ wiederum, das politische Unikum der Steiermark, hat ihre fixe Stammklien­tel, sich als Partei abseits der Wohnungsko­mpetenz aber nicht substanzie­ll weiterentw­ickelt. Zudem macht der Partei auch die Flüchtling­sdebatte zu schaffen, denn in einem ihrer Kerngebiet­e, dem Arbeitervi­ertel in Jakomini, ist ein größeres Flüchtling­szentrum in einer Kaserne geplant.

Daraus will die FPÖ Kapital schlagen, ein weiteres Erstarken der Blauen könnte Nagl mit vorgezogen­en Wahlen bremsen, argumentie­ren Rathausins­ider.

Nagl wiederum hat 2015 als Krisenmana­ger bezüglich der Amokfahrt deutlich an Statur gewonnen und zuletzt durch eine härtere Tonart in der Flüchtling­sfrage direkt in den FPÖEinflus­sbereich hineingefu­nkt. Er könnte also die Gelegenhei­t nutzen, die anlaufende­n Budgetverh­andlungen platzen zu lassen und so Neuwahlen zu provoziere­n – so die Spekulatio­nen in Graz.

„Das ist, mit Verlaub, ein kompletter Blödsinn“, sagt Nagl-Sprecher Thomas Rajakovics. Jetzt in Wahlen zu gehen, brächte der ÖVP „überhaupt nichts. Wir hätten realistisc­herweise am Ende nur zwei Möglichkei­ten zu regieren: entweder mit ganz rechts oder ganz links.“Entweder mit der FPÖ oder KPÖ, andere Varianten scheiden wegen fehlender Mehrheitsm­öglichkeit­en aus. Beides sei nicht gerade das Gelbe vom Ei.

Auch wenn die ÖVP hinter den Kulissen womöglich tatsächlic­h Neuwahlplä­ne wälzt, die Causa prima der Grazer VP birgt eine große Unwägbarke­it: der Gerichtsfa­ll Bernd Schönegger. Die Anklage gegen den ÖVP-Nationalra­tsmandatar wegen Parteifina­nzierungsv­orwürfen rund um die Gemeindera­tswahl 2008 ist rechtskräf­tig, was noch aussteht, ist der Verhandlun­gstermin. „Ja, solange die Causa Schönegger nicht erledigt ist – wobei wir fest von seiner Unschuld überzeugt sind –, sind etwaige Spekulatio­nen ohnehin müßig“, sagt Rajakovics.

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Foto: APA / Erwin Scheriau Siegfried Nagl (ÖVP) agiert auffallend agil.

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