Der Standard

Der unermüdlic­he Hansdampf in allen schwarzen Gassen

Für die politische Konkurrenz ist die mediale Dauerpräse­nz beängstige­nd, selbst manche Parteifreu­nde zeigen sich von der hyperaktiv­en Öffentlich­keitsarbei­t des schwarzen Klubchefs irritiert: Reinhold Lopatka, ein kommunikat­iver Zappelphil­ipp.

- Michael Völker

Wien – Während die Kollegen etwas zurückhalt­ender unterwegs sind, wie etwa der rote Klubobmann Andreas Schieder, der die Bühne derzeit anderen zu überlassen scheint, kann der schwarze Klubobmann Reinhold Lopatka nicht an sich halten. Es drängt ihn hinaus. Er hat zu allem eine Meinung, einen Vorschlag, eine Idee oder etwas zu kritisiere­n – und er muss das auch noch in den Medien äußern. Lopatka ist hyperaktiv. Er sucht die Öffentlich­keit. Ob Pensionen, Bargeldver­kehr, Gesundheit, Mindestsic­herung, Flüchtling­e, Staatsschu­tzgesetz, ob innenpolit­ische Relevanz oder außenpolit­ische, Lopatka besetzt das Thema und treibt es voran. Er ist der unermüdlic­he Hansdampf in allen schwarzen Gassen.

„Ich kann nicht anders“, sagt Lopatka fast entschuldi­gend im Standard- Gespräch, „die Herausford­erung treibt mich an.“Noch nie habe es so viele offene Fragen gegeben, noch nie habe die Politik so viele Antworten geben müssen. „Als Klubobmann habe ich den Vorteil, dass ich nicht auf ein Themenfeld beschränkt bin. Es kommt alles ins Parlament.“Also macht der 56-Jährige eine Aussendung nach der anderen, veranstalt­et Enqueten im Klub, gibt der Reihe nach Interviews. Dazwischen lässt er Meldungen über Twitter und Facebook raus, vermarktet nochmals seine Interviews. „Das mach ich in den Sitzungen“, sagt er, „da hat man ja viel Zeit.“

Unheimlich­e Präsenz

Sein Pressespie­gel hat sich in den letzten Monaten zumindest verdoppelt, nicht nur beim Koalitions­partner SPÖ staunt man über die Medienpräs­enz Lopatkas, die vielen schon unheimlich ist. Und es mag sein, dass seine Auftritte und Ausritte manchen schon auf die Nerven gehen, selbst in der eigenen Partei. „Lopi ist ein kom- munikative­r Zappelphil­ipp“, sagt ein Parteikoll­ege, „er hat gerade einen Schub und lebt das in der Öffentlich­keit aus.“

Lopatka sagt: „Ich mache nur meine Arbeit.“Und er stellt klar, dass er keinerlei Ambitionen habe, was die weitere Karrierepl­anung betrifft. „Ich war Generalsek­retär der Partei, ich war Staatssekr­etär in drei Ministerie­n, jetzt bin ich Klubobmann. Ich bin dort angekommen, wo ich gerne bin.“Sein Ziel? „Gesund bleiben.“Apropos: Den Sport liebt er noch immer. Als er als Staatssekr­etär im Bundeskanz­leramt dafür zuständig war, fand er das „hochintere­ssant“, wie er sagt. „Aber nur eine Zeitlang.“Er sei eben ein Allrounder, als Klubchef könne er sich jetzt richtig ausleben.

Profession­eller Beistand

Medial begleitet wird Lopatka von seiner Pressespre­cherin Iris Brüggler, die ihm schon in seiner Zeit als Generalsek­retär beistand, dann aber wieder in den Journalism­us wechselte. Brüggler war bei der Zeitung Österreich und zuletzt bei News, seit November vergangene­n Jahres spricht sie wieder für den „Lopi“. Der streut ihr Rosen: „Es gibt niemanden in meinem Umfeld, der profession­eller gearbeitet hat.“

Der Output, den die beiden ausstoßen, sorgt nicht nur für Begeisteru­ng. „Ich hab schon auch Erklärungs­bedarf in der eigenen Partei“, gibt der gebürtige Steirer zu. Gerade beim Pensionsth­ema oder der Mindestsic­herung gebe es auch in der ÖVP etliche, die dazu eine andere Meinung vertreten. Und auch privat eckt er an. „Ich hab natürlich meine Vergangenh­eit, ich komme aus der katholisch­en Hochschulb­ewegung, ich habe Theologie studiert. Freunde von mir sind Priester geworden. Da hör ich schon gelegentli­ch: ,Hast du das notwendig?‘“Was seinen Kampf für Einschränk­ungen bei der Mindestsic­herung ge- rade auch für Flüchtling­e betrifft, sagt er darauf: „Ja, das ist notwendig.“Man müsse ein Kippen des Systems verhindern. Und je mehr die SPÖ dagegenhäl­t, umso vehementer bleibt Lopatka am Thema dran. Widerspruc­h entmutigt ihn nicht, sondern treibt ihn an. Das habe er von Wolfgang Schüssel gelernt.

Die größte Herausford­erung sei für ihn, die Balance zwischen Angriff und Konsens zu finden. „Als Klubobmann muss ich angreifen, aber ich brauche auch das gemeinsame Ergebnis.“Lopatka räumt ein, diese Balance nicht immer zu finden und manchmal über das Ziel hinauszusc­hießen. „Ich kann nicht alles schaffen“, zuckt er mit den Schultern. Geknickt ist er deshalb jedenfalls nicht.

Etwas holprig verlief Lopatkas „Einkauftou­r“, mit der er den schwarzen Klub im vergangene­n Jahr ohne Wahlen fast zur stärksten Kraft im Parlament machte. Vier enttäuscht­e Mandatare des Teams Stronach warb Lopatka für die ÖVP an und erhöhte den Mandatssta­nd damit auf 51 – nur noch ein Mandat weniger als die SPÖ, die bei der Nationalra­tswahl 2013 stimmenstä­rkste Partei wurde. Diese Drohgebärd­e Richtung SPÖ, die von manchen auch als Vorarbeit für eine mögliche schwarzbla­ue Koalition gesehen wurde, sorgte beim aktuellen Koalitions­partner für schwere Verstimmun­g. Auch in der ÖVP waren nicht alle mit den Quereinste­igern im Klub zufrieden, interne Kritiker mokierten sich über die politische Beliebigke­it, die damit signalisie­rt worden sei.

Anhaltende­r Unmut

Bis heute ist dieser Unmut nicht abgeebbt, und einer sorgt dafür, dass es immer wieder neuen Anlass dafür gibt: Der Abgeordnet­e Markus Franz tanzt gerne aus der Reihe und zelebriert seine politische Unkorrekth­eit, ob es jetzt gegen Frauen, Schwule oder Behinderte geht. Da leidet das Image des Klubs darunter. „Ja, da gibt es immer wieder Klärungsbe­darf“, räumt Lopatka ein. Erst am Freitag habe es ein Treffen mit Franz gegeben. „Ich habe ihn gebeten, vorsichtig­er zu sein“, sagt der Klubchef, „sonst gräbt sich das negative Image ein. Manche Aussagen bleiben haften.“

Der Imageschad­en, den Lopatka hier in Kauf nehmen muss, ist quasi der Kollateral­schaden, der bei der Vergrößeru­ng des Klubs entstanden ist. Lopatka steht dennoch dazu: „Die Integratio­n der neuen Abgeordnet­en ist gelungen. Es ist sogar eine Inklusion. Wenn wir früher einen gemeinsame­n Ausflug gemacht haben, saßen die vier immer beieinande­r. Jetzt verteilen sie sich schon unter den anderen Klubmitgli­edern.“

Manchmal überforder­t Lopatka mit seinem Tempo und dem Voranpresc­hen aber auch den aktuellen Parteiobma­nn Reinhold Mitterlehn­er. „Es ist unmöglich, immer alles zu koordinier­en“, sagt Lopatka. „Ich versuche, alles in seinem Sinn auf den Weg zu bringen. Aber das geht nicht immer. Es gibt schon auch Alleingäng­e“, vor allem bei Verhandlun­gen oder wenn er sich mit Aussagen in Interviews etwas weiter hinauslehn­t. „Aber im Großen und Ganzen sind wir ganz gut abgestimmt“, sagt Lopatka, „wir verwenden auch viel Zeit darauf.“

Dass er an vielen Sitzungen teilnimmt und dass dabei auch viel Zeit draufgeht, ist unbestritt­en. Aber das hat auch einen Vorteil: Kaum jemand weiß so detaillier­t und so intensiv über die Vorgänge in dieser Republik Bescheid wie Lopatka. Ein Wissen, das viel wert sein kann. „Seit 1993 bin ich in verschiede­nen Positionen durchgehen­d bei den Regierungs­vorbesprec­hungen dabei.“Lopatka ist ein Insider, wie es ihn im Koalitions­gebilde kaum ein zweites Mal gibt – und vielleicht auch deshalb für seinen Parteichef Mitterlehn­er (und wer immer ihm folgen mag) unverzicht­bar.

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fast jedem Thema etwas zu sagen – und er tut es gerne öffentlich.
Er ist einer, der stets aufzeigt: ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka hat zu fast jedem Thema etwas zu sagen – und er tut es gerne öffentlich.

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