Der unermüdliche Hansdampf in allen schwarzen Gassen
Für die politische Konkurrenz ist die mediale Dauerpräsenz beängstigend, selbst manche Parteifreunde zeigen sich von der hyperaktiven Öffentlichkeitsarbeit des schwarzen Klubchefs irritiert: Reinhold Lopatka, ein kommunikativer Zappelphilipp.
Wien – Während die Kollegen etwas zurückhaltender unterwegs sind, wie etwa der rote Klubobmann Andreas Schieder, der die Bühne derzeit anderen zu überlassen scheint, kann der schwarze Klubobmann Reinhold Lopatka nicht an sich halten. Es drängt ihn hinaus. Er hat zu allem eine Meinung, einen Vorschlag, eine Idee oder etwas zu kritisieren – und er muss das auch noch in den Medien äußern. Lopatka ist hyperaktiv. Er sucht die Öffentlichkeit. Ob Pensionen, Bargeldverkehr, Gesundheit, Mindestsicherung, Flüchtlinge, Staatsschutzgesetz, ob innenpolitische Relevanz oder außenpolitische, Lopatka besetzt das Thema und treibt es voran. Er ist der unermüdliche Hansdampf in allen schwarzen Gassen.
„Ich kann nicht anders“, sagt Lopatka fast entschuldigend im Standard- Gespräch, „die Herausforderung treibt mich an.“Noch nie habe es so viele offene Fragen gegeben, noch nie habe die Politik so viele Antworten geben müssen. „Als Klubobmann habe ich den Vorteil, dass ich nicht auf ein Themenfeld beschränkt bin. Es kommt alles ins Parlament.“Also macht der 56-Jährige eine Aussendung nach der anderen, veranstaltet Enqueten im Klub, gibt der Reihe nach Interviews. Dazwischen lässt er Meldungen über Twitter und Facebook raus, vermarktet nochmals seine Interviews. „Das mach ich in den Sitzungen“, sagt er, „da hat man ja viel Zeit.“
Unheimliche Präsenz
Sein Pressespiegel hat sich in den letzten Monaten zumindest verdoppelt, nicht nur beim Koalitionspartner SPÖ staunt man über die Medienpräsenz Lopatkas, die vielen schon unheimlich ist. Und es mag sein, dass seine Auftritte und Ausritte manchen schon auf die Nerven gehen, selbst in der eigenen Partei. „Lopi ist ein kom- munikativer Zappelphilipp“, sagt ein Parteikollege, „er hat gerade einen Schub und lebt das in der Öffentlichkeit aus.“
Lopatka sagt: „Ich mache nur meine Arbeit.“Und er stellt klar, dass er keinerlei Ambitionen habe, was die weitere Karriereplanung betrifft. „Ich war Generalsekretär der Partei, ich war Staatssekretär in drei Ministerien, jetzt bin ich Klubobmann. Ich bin dort angekommen, wo ich gerne bin.“Sein Ziel? „Gesund bleiben.“Apropos: Den Sport liebt er noch immer. Als er als Staatssekretär im Bundeskanzleramt dafür zuständig war, fand er das „hochinteressant“, wie er sagt. „Aber nur eine Zeitlang.“Er sei eben ein Allrounder, als Klubchef könne er sich jetzt richtig ausleben.
Professioneller Beistand
Medial begleitet wird Lopatka von seiner Pressesprecherin Iris Brüggler, die ihm schon in seiner Zeit als Generalsekretär beistand, dann aber wieder in den Journalismus wechselte. Brüggler war bei der Zeitung Österreich und zuletzt bei News, seit November vergangenen Jahres spricht sie wieder für den „Lopi“. Der streut ihr Rosen: „Es gibt niemanden in meinem Umfeld, der professioneller gearbeitet hat.“
Der Output, den die beiden ausstoßen, sorgt nicht nur für Begeisterung. „Ich hab schon auch Erklärungsbedarf in der eigenen Partei“, gibt der gebürtige Steirer zu. Gerade beim Pensionsthema oder der Mindestsicherung gebe es auch in der ÖVP etliche, die dazu eine andere Meinung vertreten. Und auch privat eckt er an. „Ich hab natürlich meine Vergangenheit, ich komme aus der katholischen Hochschulbewegung, ich habe Theologie studiert. Freunde von mir sind Priester geworden. Da hör ich schon gelegentlich: ,Hast du das notwendig?‘“Was seinen Kampf für Einschränkungen bei der Mindestsicherung ge- rade auch für Flüchtlinge betrifft, sagt er darauf: „Ja, das ist notwendig.“Man müsse ein Kippen des Systems verhindern. Und je mehr die SPÖ dagegenhält, umso vehementer bleibt Lopatka am Thema dran. Widerspruch entmutigt ihn nicht, sondern treibt ihn an. Das habe er von Wolfgang Schüssel gelernt.
Die größte Herausforderung sei für ihn, die Balance zwischen Angriff und Konsens zu finden. „Als Klubobmann muss ich angreifen, aber ich brauche auch das gemeinsame Ergebnis.“Lopatka räumt ein, diese Balance nicht immer zu finden und manchmal über das Ziel hinauszuschießen. „Ich kann nicht alles schaffen“, zuckt er mit den Schultern. Geknickt ist er deshalb jedenfalls nicht.
Etwas holprig verlief Lopatkas „Einkauftour“, mit der er den schwarzen Klub im vergangenen Jahr ohne Wahlen fast zur stärksten Kraft im Parlament machte. Vier enttäuschte Mandatare des Teams Stronach warb Lopatka für die ÖVP an und erhöhte den Mandatsstand damit auf 51 – nur noch ein Mandat weniger als die SPÖ, die bei der Nationalratswahl 2013 stimmenstärkste Partei wurde. Diese Drohgebärde Richtung SPÖ, die von manchen auch als Vorarbeit für eine mögliche schwarzblaue Koalition gesehen wurde, sorgte beim aktuellen Koalitionspartner für schwere Verstimmung. Auch in der ÖVP waren nicht alle mit den Quereinsteigern im Klub zufrieden, interne Kritiker mokierten sich über die politische Beliebigkeit, die damit signalisiert worden sei.
Anhaltender Unmut
Bis heute ist dieser Unmut nicht abgeebbt, und einer sorgt dafür, dass es immer wieder neuen Anlass dafür gibt: Der Abgeordnete Markus Franz tanzt gerne aus der Reihe und zelebriert seine politische Unkorrektheit, ob es jetzt gegen Frauen, Schwule oder Behinderte geht. Da leidet das Image des Klubs darunter. „Ja, da gibt es immer wieder Klärungsbedarf“, räumt Lopatka ein. Erst am Freitag habe es ein Treffen mit Franz gegeben. „Ich habe ihn gebeten, vorsichtiger zu sein“, sagt der Klubchef, „sonst gräbt sich das negative Image ein. Manche Aussagen bleiben haften.“
Der Imageschaden, den Lopatka hier in Kauf nehmen muss, ist quasi der Kollateralschaden, der bei der Vergrößerung des Klubs entstanden ist. Lopatka steht dennoch dazu: „Die Integration der neuen Abgeordneten ist gelungen. Es ist sogar eine Inklusion. Wenn wir früher einen gemeinsamen Ausflug gemacht haben, saßen die vier immer beieinander. Jetzt verteilen sie sich schon unter den anderen Klubmitgliedern.“
Manchmal überfordert Lopatka mit seinem Tempo und dem Voranpreschen aber auch den aktuellen Parteiobmann Reinhold Mitterlehner. „Es ist unmöglich, immer alles zu koordinieren“, sagt Lopatka. „Ich versuche, alles in seinem Sinn auf den Weg zu bringen. Aber das geht nicht immer. Es gibt schon auch Alleingänge“, vor allem bei Verhandlungen oder wenn er sich mit Aussagen in Interviews etwas weiter hinauslehnt. „Aber im Großen und Ganzen sind wir ganz gut abgestimmt“, sagt Lopatka, „wir verwenden auch viel Zeit darauf.“
Dass er an vielen Sitzungen teilnimmt und dass dabei auch viel Zeit draufgeht, ist unbestritten. Aber das hat auch einen Vorteil: Kaum jemand weiß so detailliert und so intensiv über die Vorgänge in dieser Republik Bescheid wie Lopatka. Ein Wissen, das viel wert sein kann. „Seit 1993 bin ich in verschiedenen Positionen durchgehend bei den Regierungsvorbesprechungen dabei.“Lopatka ist ein Insider, wie es ihn im Koalitionsgebilde kaum ein zweites Mal gibt – und vielleicht auch deshalb für seinen Parteichef Mitterlehner (und wer immer ihm folgen mag) unverzichtbar.