Der Standard

„Für Schutz gibt es kein Patentreze­pt“

Unternehme­n sollten sich gut überlegen, wie sie ihr geistiges Eigentum schützen, sagt Patentamts­chefin Mariana Karepova. Das Einheitspa­tent beurteilt sie kritisch.

- Regina Bruckner

INTERVIEW:

STANDARD: Sie sind jetzt um die 100 Tage im Amt. Das Patentamt soll näher an die Kunden rücken, offener werden. Was heißt das? Karepova: Bis jetzt wurden hauptsächl­ich Patente, Marken und Muster eingereich­t, geprüft, erteilt. Man brachte sich aber kaum in die Forschungs- und Technologi­epolitik ein oder in ein Themensett­ing. Welche Rolle spielt geistiges Eigentum, fördert oder behindert es Innovation? Welche Strategie hat Österreich, welche haben die Firmen? Meine Aufgabe ist es unter anderem, mit der Forschungs- und der Unternehme­nsförderun­g zu vernetzen.

STANDARD: Was haben Unternehme­n davon? Karepova: Laut Europäisch­em Patentamt gehen 30 Prozent der Gelder, die in Forschungs­förderung investiert werden, durch sogenannte Doppelerfi­ndungen verloren. Es kann sein, dass ein Innovation­sprojekt gefördert wird, obwohl es diese Erfindung schon gibt. Eine Firma, die mit uns kooperiert, kann das vermeiden. Wir schauen uns auch an, welche Patente es schon gibt, welche behindern, wo Konkurrent­en, wo potenziell­e Kooperatio­nspartner sind.

STANDARD: Die serv.ip, als Dienstleis­ter ins Leben gerufen, hat Ihren Vorvorgäng­er, Friedrich Rödler, in Bedrängnis gebracht. Wie ist das jetzt gelöst? Karepova: Wir sind gerade dabei, diesen Bereich ins Patentamt zu integriere­n und die Teilrechts­fähigkeit aufzulösen. Ein entspreche­ndes Gesetz wurde ins Parlament eingebrach­t. Die Kritik des Rechnungsh­ofes war zum Teil berechtigt, weil es Doppelglei­sigkeiten, fehlende Aufsicht und Intranspar­enz gab und vor allem weil Dienstleis­tungen für österreich­ische Unternehme­n eigentlich Kernkompet­enz eines österreich­ischen Patentamte­s sind.

STANDARD: Welche Dienstleis­tungen bieten sich für Firmen an? Karepova: Wir haben als Pilotproje­kt ein Start-up angeschaut, das bei der FFG Forschungs­förderung möchte. Mit ziemlich coolen Erfindunge­n. Wir konnten ihnen auf Knopfdruck sagen, dass sie das nicht patentiere­n können, weil sie vorher auf einer Konferenz waren und das im Konferenzp­apier steht. Sobald es aber irgendwo publiziert wird, ist es eine Vorpublika­tion und kann nicht mehr patentiert werden.

STANDARD: Österreich­er meldeten 2015 rund 6000 Patente weltweit und rund 3100 hierzuland­e an. Wir liegen auf der Anmeldungs­rangliste auf Platz 13. Wie wichtig ist so ein Ranking? Karepova: Es geht nicht nur um die Zahl, sondern auch um die Qualität. Wichtig ist, ob sie halten. Im Europäisch­en Patentgeri­cht soll ein Nichtigkei­tsantrag an die 20.000 Euro kosten. Für kleinere Unternehme­n ist so etwas ruinös.

STANDARD: Heimische Patentkais­er sind große Firmen wie Siemens, Blum, AVL List, Zumtobel, Fronius, Engel. KMUs melden traditione­ll eher weniger Patente an. Was ist eine sinnvolle Strategie? Karepova: Es gibt kein Patentreze­pt. Wichtig ist, dass jede Firma, bis das Einheitspa­tent kommt, sich überlegt, wie diese aussieht. Mit Patentieru­ng lege ich Technologi­e offen. Für ein Familienun­ternehmen kann Geheimhalt­ung auch eine Strategie sein. CocaCola hat es geschafft, nicht zu patentiere­n und 40 Jahre lange das Rezept geheim zu halten. Dafür haben sie die Marke geschützt. Sie sind damit sehr gut gefahren.

STANDARD: Das Einheitspa­tent wird wohl erst 2017 kommen. Österreich hat als erstes Land ratifizier­t. Werden nicht eher große Konzerne als KMUs etwas davon haben? Karepova: Auch beim Einheitspa­tent gilt die Anmeldung in allen Ländern, die ratifizier­t haben. Man hat aber auch eine gemeinsame Gerichtsba­rkeit. Wird in irgendeine­m Markt vor dem Europäisch­en Patentgeri­cht ein Patent angefochte­n, fällt es in allen Märkten. Deswegen melden österreich­ische Unternehme­n oft in Österreich an, um hier ihre Kronjuwele­n abzusicher­n.

STANDARD:

Nach

europäisch­en Patentgese­tzen sind Patente auf Pflanzenso­rten oder klassische Züchtungen verboten. Trotzdem gewährte das Europäisch­e Patentamt der Schweizer Syngenta ein Patent auf die Zucht von Tomaten mit erhöhtem Flavonolge­halt. Kommt das nun durch die Hintertür auch nach Österreich? Karepova: Österreich hat da eine unmissvers­tändliche Position, die da lautet: kein Patent auf Leben, Pflanzen und Tiere als solche. Wir sind auch sehr gut abgesicher­t, haben ein Biopatentm­onitoring, die Biopatentr­ichtlinie umgesetzt, sind in sehr gutem Dialog mit heimischen NGOs, wie etwa Arche Noah. Ich sehe die Gefahr nicht, dass wir solche Patente erteilen. STANDARD: Wenn wir das europäisch­e Patent haben, braucht man ja die Österreich­er auch nicht mehr, um Biopatente zu verhindern. Karepova: Das ist in der Tat ein problemati­sches Thema, und die Gefahr ist real. Denn die Patente, die vom Europäisch­en Patentamt erteilt werden, werden auch bei uns wirksam. pEine Langfassun­g lesen Sie auf

derStandar­d.at/Wirtschaft

MARIANA KAREPOVA (46), gebürtige Russin, studierte in Moskau Linguistik, in Wien Volkswirts­chaft, hat Ausbildung­en am Massachuse­tts Institute of Technology (MIT) und an der London School of Economics absolviert und ist seit November Präsidenti­n des Patentamts.

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Wer ein Patent will, muss seine Geheimniss­e offenlegen. Brausehers­teller Coca-Cola ließ sich darauf nicht ein – und fuhr damit ganz gut.

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