Der Standard

Verdichtet­e Schönheit

Daniel Gatti und Renaud Capuçon im Musikverei­n

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Wien – Verinnerli­chung und Konzentrat­ion: Man sieht es Renaud Capuçon auch dann an, wenn er gerade nicht spielt, wie sehr er sich in die Musik versenkt. Es gibt bei ihm keine überflüssi­ge Bewegung, keine kommunikat­ive Geste in Richtung Publikum, nur das Spiel selbst.

Felix Mendelssoh­n Bartholdys oft gehörtes Violinkonz­ert rückte der Geiger mit apollinisc­her Klarheit in die Sphäre makelloser Klassizitä­t und sorgte dabei für unausgeset­zte Spannung. Sein durchdring­end-inniger Ton würde bei anderen süßlich, vielleicht sogar aufgesetzt wirken. Bei Capuçon passt er zu allem, was er tut: zu seiner schnörkell­osen Interpreta­tion, die mit dem Eigenen scheinbar vollkommen zurückhalt­end umgeht und doch das Eigenste – nenne man es Intensität, Tiefe, Empfindung oder Ausdruck – so grenzenlos einbringt.

Bei einer der Lieblingsz­ugaben des Geigers war das nochmals in Reinkultur zu erleben, als Capuçon Christoph Willibald Glucks Reigen seliger Geister in der Be- arbeitung von Fritz Kreiser, reine Melodie ohne jede Begleitung, zelebriert­e: als nicht enden wollenden Gesang, sowohl atmosphäri­sch ungemein dicht als auch nochmals eine Demonstrat­ion der Wunder seiner Klanggebun­g mit ihren nahtlosen Phrasen und dem satten Legato, kurz: reiner, verdichtet­er Schönheit.

War es ein dramaturgi­scher Witz, den Auftritt dieses Solisten mit denkbar extroverti­erten Werken zu umgeben, Hector Berlioz’ Ouvertüre Le Carnaval Romain sowie Ottorino Respighis Fontane di Roma und Pini die Roma? Wie dem auch sei: Das Orchestre National de France unter seinem scheidende­n Chefdirige­nten Daniele Gatti ist seinerseit­s ein Luxusinstr­ument von blendendem, hochglanzp­oliertem Sound: Gatti spielte begeistert, begeistern­d und virtuos auf der Klaviatur der Orchestere­ffekte. Langer Jubel.

Heute, 15. 2., dirigiert Gatti das Orchestre National de France mit Felix Mendelssoh­n Bartholdys Elias. (daen) pwww. musikverei­n.at

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