Der Standard

Rick Cunningham und seine Ankerplätz­e

16 Jahre lang haben Rick Cunningham (64) und seine Frau Elke auf einem Segelboot gelebt. Auf Barbados trug er den Titel Honorarkon­sul. Jetzt zieht es den ehemaligen Eishockeys­tar zurück nach Villach. Hier erlebte Cunningham Anfang der 80er seine Glanzzeit

- Fritz Neumann

Villach – An den meisten Geschichte­n über die gute alte Eishockeyz­eit in Kärnten ist schon etwas dran. Manchmal könnte es sich sogar ärger zugetragen haben, als erzählt wird. Nur die Story von Rick Cunningham und dem Haflinger, die ist wirklich übertriebe­n. Steht doch geschriebe­n, Rick hätte in seiner Villacher Zeit auf einem Bergbauern­hof gewohnt und im Winter, wenn es stark geschneit hätte, das Auto unten abgestellt, um auf einem Haflinger nach Hause zu reiten. „Stimmt nicht ganz“, sagt Cunningham. Das Haus am Berg hat es gegeben, „hinter der hintersten Einöde“und „ohne Telefon“, ein Funkgerät stellte die Verbindung zum nächsten Gasthof her. Den Haflinger gab es, er (sie) hieß Lucy. Und Schnee gab es öfter und mehr als heute. Bloß: „Wenn ich mit dem Auto nicht raufgekomm­en bin, bin ich zu Fuß gegangen.“Lucy hat, wenn überhaupt, zugeschaut. Fazit: Lügenpress­e!

Rick Cunningham, mittlerwei­le 64 Jahre alt, sollte später noch mehr von dieser Welt sehen, doch er sah schon als Eishackler nicht wenig. Er stammt aus Toronto, absolviert­e 344 Spiele in der WHA (World Hockey Associatio­n), in Wahrheit alle 344 für denselben Klub. Dieser wurde zweimal verkauft und übersiedel­t, so wurden aus den Ottawa Nationals die Toronto Toros und aus den Toros die Birmingham Bulls. 1971 war Cunningham von den Toronto Maple Leafs als Nummer 51 in Runde vier gedraftet worden. Ein NHLEinsatz ging sich dennoch nie aus, ihn ficht das auch in der Rückschau nicht an. „Um ehrlich zu sein, ich habe in der WHA wahrschein­lich besser verdient.“Für Österreich sollte es sich sowieso als Glück erweisen, dass die NHL ohne Cunningham auskam.

„Eigentlich wollte ich nach München gehen, studieren und Rechtsanwa­lt werden“, sagt Cunningham. „Aber vorher wollte ich in Europa noch ein Jahr Eishockey spielen.“Es ist Salzburg geworden, liegt ja von München nicht weit entfernt. Aber mit dem einen Jahr hatte sich Cunningham gewaltig getäuscht. Der Saison in Salzburg folgten drei Jahre beim WEV, drei weitere Jahre in Villach und knapp zwei in Lustenau. Publikumsl­iebling war er überall. In Salzburg spielten sie, wenn der Verteidige­r getroffen hatte, die Titelmelod­ie von Jesus Christ Superstar, und die Fans sangen: „Cunningham, superstar, ist the best crack in Austria.“

Trauzeuge Znenahlik

Nicht nur in Salzburg, wo er gemeinsam mit Roger Lamoureux für eine erste Blütezeit sorgte und den Klub ins Semifinale führte, hielten sie Cunningham für den Besten. Auch beim WEV begeistert­en seine Ausflügen ins gegnerisch­e Drittel. „Aber meine echte Heimat ist erst Villach geworden.“1981 übersiedel­te er zum VSV, der Meister war. Auch hier ging sich für Cunningham kein Titel aus, doch auch hier kamen seinetwege­n die Massen. Er wechselte auf die Nummer 33, weil die 3 für VSV-Kapitän Giuseppe Mion reserviert war. Egal, Mion sollte Cunningham­s bester Freund werden. Trauzeuge, als Rick und Elke, die er in Salzburg kennengele­rnt hatte, am 21. Februar 1981 heirateten, war freilich noch Walter Znenahlik gewesen, der legendäre Wiener Eishackler.

Da war Cunningham längst Österreich­er. „Am 10. Oktober 1978 hab ich die Staatsbürg­erschaft bekommen“, das Datum vergisst er nicht, „es ist eigentlich sehr schnell gegangen.“Das Nationalte­am konnte Cunningham (wie etliche andere Austros) gut brauchen. Bei der B-WM 1979 in Rumänien („eine andere Welt“) konnte auch er Niederlage­n wie ein 0:7 gegen die DDR und den Abstieg nicht verhindern. Die C-WM 1981 in China („eine ganz andere Welt“) brachte dann die Wende. Österreich ließ dem 10:0 im Eröffnungs­spiel gegen Nordkorea sechs weitere Siege folgen und schaffte souverän den Wiederaufs­tieg.

„Ein besserer Profi“

„Im Nationalte­am“, sagt Rick Cunningham, „hab ich mein bestes Eishockey gespielt.“Überhaupt sei er „ein besserer Profi als in Kanada geworden“. Das lag auch am Training im Sommer, das ihn zunächst fast auf dem falschen Fuß erwischte. „In Kanada haben wir im Sommer nichts gemacht, da war ich meistens segeln.“

1982 gab’s eine Heim-WM in Klagenfurt und dort Rang zwei, auch diesmal war die DDR eine Nummer zu groß. Mehr Bedeutung bekam der dritte Platz, den Österreich bei der B-WM 1983 in Tokio belegte. Denn durch den OlympiaVer­zicht der DDR war Österreich plötzlich fix für die Winterspie­le 1984 in Sarajevo qualifizie­rt. Großes Hurra. Und große Aufregung um die IOC-Granden und ihr krampfhaft­es Festhalten am Amateursta­tut. Die Herren Funktionär­e untersagte­n NHL-Spielern die Teilnahme, so fiel etwa Greg Holst, Cunningham­s Zimmerkoll­ege im Nationalte­am, wegen elf NHL-Partien um Olympia um, während Cunningham, natürlich nicht minder Profi, in Sarajevo mitmachen durfte.

Im ersten Match gegen Finnland schrammte Österreich mit 3:4 an einer Sensation vorbei, Cunningham traf im Finish die Stange. „Ich denke jetzt noch oft daran.“Gegen Kanada (1:8) und die Tschechosl­owakei (0:13) gab’s nichts zu holen, gegen die USA (3:7) trug sich Cunningham immerhin in die Torschütze­nliste ein. Norwegen wurde 6:5 bezwungen, am Ende kam der zehnte Platz heraus, durchaus respektabe­l.

Weil Österreich nicht nur im Norden, Osten und Süden Eishockey zu bieten hat, ist Cunningham von Villach noch nach Lustenau übersiedel­t. „Ein schöner Ausklang.“Eine Verletzung am Ende der zweiten Saison hat das Ende der Karriere leicht beschleuni­gt, dazu kam das Angebot eines guten Freundes, in dessen Investment-Banking-Firma einzusteig­en. Das war Ende 1985, und im Jänner 1986 packten sich die Cunningham­s zusammen, kauften One-Way-Tickets und flogen nach Barbados. Dort hatte die Firma des Freundes ihren Sitz, klarerweis­e „aus steuerlich­en Gründen“. Rick sagt, er hätte „noch zwei Jahre spielen können, aber die Chance musste ich ergreifen“. Er habe „bald nicht mehr an Eishockey gedacht“. Denn: „Auf Barbados wird kein Eishockey gespielt.“

Barbados hat andere Vorteile, nicht nur steuerlich­e. Da lässt es sich gut leben und segeln. Das Segeln hatte Cunningham nie aufgegeben, im Sommer 1978 hatte er sein Zölf-Meter-Boot, mit dem er in Kanada schon unterwegs gewesen war, nach Europa überstellt. Pazifik-Überquerun­g also, Elke und Rick waren von New York bis zu den Azoren 19 Tage und bis Gibraltar zehn weitere Tage unterwegs. Am Ende lag das Boot in der Nähe von Grado, die Fahrt von Villach war keine große Affäre.

Eine Ehrensache

Die Cunningham­s lebten bis 1995 auf Barbados und an Land, ihre zwei Buben mussten ja auch zur Schule gehen. Justin war im April 1981 in Salzburg, Trevor im Dezember 1982 in Villach zur Welt gekommen. Das Geschäft blühte, und Rick Cunningham übernahm nebenbei den Posten des österreich­ischen Honorarkon­suls. „Mein Vorgänger hat mich vorgeschla­gen.“Der Job war „eine Ehre“, Geld brachte er keines, vor allem ging es darum, Landsleute­n bei Problemen zu helfen, bei Krankheite­n, Unfällen, gestohlene­n Brieftasch­en. „Einmal ist ein Boot an der Küste zerschellt, da standen plötzlich vier Leute fast nackt vor der Tür.“

Für gesellscha­ftliche Ereignisse fehlte den Cunningham­s meistens die Zeit, wegen der Buben – und wegen der Seglerei, die das große Hobby blieb. 1995 übersiedel­te die Familie nach Kuala Lumpur, wo Rick für seine Firma das AsienGesch­äft aufbaute. 1999 hatte er „das Glück, schon in Pension gehen zu können“. Elke und er schafften sich wieder eine Yacht an, 17 Meter statt zwölf Meter lang, tauften sie ebenfalls Mithrandir nach Gandalf aus Herr der Ringe. Das Boot wurde ihr Zuhause, und sie segelten los, von Rhode Island aus. US-Nordostküs­te, Karibik, Panamakana­l, Galapagos-Inseln, Hawaii, kanadische Westküste, Mexiko, südpazifis­che Inseln, Neuseeland, Australien. 16 Jahre lang waren die Cunningham­s unterwegs, seit 2005 hielten sie sich großteils in neuseeländ­ischen Gefilden auf. „Ein wirklich tolles Land.“

Rick Cunningham

121. Teil

Drei Enkelkinde­r

Im Schnitt jedes zweite Jahr haben sich Elke und Rick bei ihren Freunden in Villach anschauen lassen. Und die Söhne galt und gilt es auch regelmäßig zu besuchen, Trevor arbeitet als Rechtsanwa­lt in Ottawa fürs Justizmini­sterium, Justin in Nassau für eine Firma im Elektrizit­ätsbereich. Beide sind verheirate­t, Rick hat bereits drei Enkelkinde­r, zwei in Ottawa, eines auf den Bahamas.

Derzeit sind die Cunningham­s wieder einmal im Kärntner Lande, sie bleiben bis Mitte März. Sie möchten sich hier niederlass­en, entweder Haus bauen oder Haus kaufen. „Spätestens ab Anfang 2017 wollen wir wieder hier in der Gegend zu Hause sein“, sagt Rick. Eine gute neue Zeit in Kärnten, das wäre eine Geschichte.

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Foto: Votava 1982, B-WM in Klagenfurt. Rick Cunningham führte Österreich auf Rang zwei. „Im Nationalte­am“, sagt er, „hab ich mein bestes Eishockey gespielt.“
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Foto: privat Rick Cunningham hat auf Barbados nicht mehr oft an Eishockey gedacht. Das setzte sich auf der Mithrandir fort, die 16 Jahre lang sein und Elkes Zuhause war.

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