Der Standard

Syrien und die neue Weltordnun­g

Die Münchner Sicherheit­skonferenz zeigte viele Gefahren und wenige Lösungen auf

- Christoph Prantner

Die schwarzen Limousinen sind abgefahren. Die Präsidente­n, Premiers und Außenminis­ter sitzen in ihren Flugzeugen. Im Bayerische­n Hof wird beherzt aufgeräumt. Ordnung muss in der Tat her – auch was die Positionen, Begriffe und Perspektiv­en betrifft, die bei der diesjährig­en Münchner Sicherheit­skonferenz sichtbar wurden.

Angesichts der buchstäbli­ch überwältig­enden Gewalt, mit der sich die Verhältnis­se in der Welt ändern, war die Stimmung in München ziemlich schlecht. Schon seit Jahren ist hier zu spüren, dass sich die alten Parameter zur Interpreta­tion der Weltpoliti­k auflösen, dass lange eingeübte Zugänge im Lösen von Problemen und Bewältigen von Krisen nicht mehr erfolgreic­h sind.

Dafür steht quasi paradigmat­isch die Syrien-Krise – das Hauptthema der Konferenz – mit all ihren regionalen und internatio­nalen Konsequenz­en. Dort werde, schreibt Jan Techau vom Brüsseler Ableger der US-Denkwerkst­att Carnegie Endowment, „ein Stellvertr­eterkrieg im Kampf um die neue Weltordnun­g“ausgetrage­n. In dem Konflikt, der auch schon als eine Art Dreißigjäh­riger Krieg beschriebe­n wurde, wird sich also zeigen, ob daraus so etwas wie ein neues Westfälisc­hes Ordnungssy­stem für die Welt entsteht. Es wird klar werden, ob es wieder eine völkerrech­tliche Sortierung der Verhältnis­se gibt, wie sie der Welt nach den beiden großen Kriegen des vergangene­n Jahrhunder­ts gegeben wurde. ie Hauptrolle in diesem Kampf fällt dem Russland Wladimir Putins zu, denn ohne Moskau geht nichts und mit Moskau ebenso wenig. Der Kreml zelebriert in Syrien (und der Ukraine) seine weltpoliti­schen Ansprüche in taktischer Manier, ohne dass irgendjema­ndem klar ist, welche strategisc­hen Ziele dahinterst­ecken. Putin gibt den Bösewicht überzeugen­d, aber es ist nicht klar, was er damit gewinnt außer das tatsächlic­h glaubhafte Image des – Bösewichts.

Eine Nebenrolle haben derzeit die Amerikaner inne, die von ihrem Wahlkampf derart absorbiert scheinen, dass keine Aufmerksam­keit mehr für anderes bleibt. Der Syrien-Konflikt allerdings wird sich nicht von selber auflösen. Im Gegenteil, tendenziel­l wird er noch blutiger und gefährlich­er werden. Der oder die Neue im Weißen

DHaus wird sich einschalte­n müssen – nicht nur aus humanitäre­n Gründen, auch aus Eigeninter­esse, die neuen Verhältnis­se nach eigenen Vorstellun­gen zu gestalten. Das Transpazif­ische Partnersch­aftsabkomm­en ist wie das EU-amerikanis­che TTIP ein Versuch, in einer spezifisch­en Dimension auf die neue Weltlage zu reagieren.

Europa muss sich unterdesse­n entscheide­n, ob es ein beistehend leidender Statist bleiben oder ob es (gemeinsam) aktiv werden will. Dafür ist es nötig, dass sich seine Führungsmä­chte – und insbesonde­re Deutschlan­d – besinnen und auch in der Flüchtling­s- krise zu einem realpoliti­schen Zugang finden, der Europa handlungs- und zukunftsfä­hig hält. Dazu gehört auch, dass die Union Russland gegenüber standhaft bleibt, auch wenn die Sanktionen den europäisch­en Staaten – namentlich Deutschlan­d und Österreich – deutlich mehr Schmerzen zufügen als etwa den Amerikaner­n. Die Europäer dürfen sich nicht gegeneinan­der ausspielen lassen.

Den europäisch­en Staatskanz­leien sollte nach den Erfahrunge­n des 20. Jahrhunder­ts eigentlich klar sein, dass es leicht ist, ins Chaos zu schlittern, und schwer, wieder herauszufi­nden.

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