Der Standard

Ehud Olmert trat Haftstrafe an

Voraussich­tlich 19 Monate für israelisch­en Expremier

- Ben Segenreich aus Tel Aviv

Man konnte sich an einen Staatsbesu­ch erinnert fühlen, doch der hohe Fahrgast verschwand gesenkten Blicks hinter einer schmalen grauen Gefängnist­ür im Städtchen Ramle: Ehud Olmert ist der erste israelisch­e Exregierun­gschef, der eine Haftstrafe antreten musste – ein „Ereignis“, das live übertragen und von Kommentato­ren als „seltsam“und „beschämend“bezeichnet wurde.

Zuvor hatte Olmert eine Art Abschiedsv­ideobotsch­aft verbreitet: „Ich weise die Anschuldig­ung der Bestechung­sannahme mit allem Nachdruck zurück. Mir ist es wichtig, zu betonen, dass keiner der Vorwürfe, wegen derer ich verurteilt wurde, meine Amtszeit als Premiermin­ister betrifft. Während meiner vielen Tätigkeite­n habe ich auch Fehler gemacht, aber keiner davon stellt eine Straftat dar.“

Die Behörden wollten demonstrie­ren, dass der prominente Neuzugang keine Vorzugsbeh­andlung bekommen würde. „Er wird fotografie­rt, bekommt eine Häftlingsn­ummer, wird von einem Arzt untersucht, eine Sozialarbe­iterin spricht mit ihm, dann bekommt er die Häftlingsk­leidung“, beschrieb Ex-Direktor Rami Ovadia die Prozedur. Doch die Anstaltsle­itung hatte die Aufnahme des VIP-Sträflings natürlich sorgfältig vorbereite­t. Ein Flügel des Gefängniss­es wurde renoviert und vom restlichen Gebäude isoliert. Weil Olmert als gefährdet gilt und Staatsgehe­imnisse kennt, wird er nur mit wenigen Mithäftlin­gen in Kontakt kommen. Im selben Gefängnis sitzt der frühere Staatspräs­ident Mosche Katzav, der wegen schwerer Sexualdeli­kte sieben Jahre bekommen hat, aber bald freikommen könnte.

Rücktritt 2008

Olmert hatte Ende 2008 zurücktret­en müssen. Bei Korruption­sermittlun­gen, die in seine Zeiten als Bürgermeis­ter von Jerusalem und später als Handelsmin­ister zurückreic­hten, ging es um Bargeldkuv­erts, um Doppelverr­echnungen für Reisen oder auch um Schmiergel­der für ein MammutBaup­rojekt. Es gab mehrere Prozesse, Schuldsprü­che, Freisprüch­e und Revisionen. Nach jetzigem Stand soll die Haftdauer 19 Monate betragen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria