Der Standard

Der Papst und die verheirate­te Frau

Eine BBC-Dokumentat­ion enthüllt Briefwechs­el von Johannes Paul II.

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London/Rom – Papst Johannes Paul II. hat über Jahrzehnte eine Beziehung zu einer verheirate­ten Frau gehabt. Das zeigt eine BBC-Dokumentat­ion, die heute Abend im Kulturkana­l Arte gezeigt wird. Dabei stellen die Autoren der Dokumentat­ion klar, dass es keine Hinweise darauf gibt, dass Karol Wojtyla das Zölibat gebrochen habe, berichtet die Kathpress.

Dennoch seien sich die verheirate­te Mutter von drei Kindern und der Geistliche über drei Jahrzehnte auch emotional sehr nahe gewesen. Der BBC-Film wurde in Großbritan­nien bereits am Montagaben­d ausgestrah­lt. Die Zeitung Guardian berichtete am Sonntag, ohne eine genauere Quelle zu nennen, der Vatikan habe sich von dem Beitrag distanzier­t. Er enthalte „mehr Rauch als Feuer“.

Laut Dokumentat­ion hatte der damalige Kardinal von Krakau, Karol Wojtyla (1920–2005), seit Beginn der 70er-Jahre eine intensive Beziehung zu der polnisch-amerikanis­chen Philosophi­n Anna-Teresa Tymienieck­a (1923–2014), die bis zum Tod des Papstes am 2. April 2005 reichte. Dies war in Insider-Kreisen aller- dings bereits bekannt. Neu an der Dokumentat­ion ist, dass mehrere Hundert Briefe und Privatfoto­s die Seelenverw­andtschaft dokumentie­ren.

Begonnen hat die Beziehung Anfang der 1970er-Jahre, als Tymienieck­a dem Krakauer Kardinal antrug, sein 1969 veröffentl­ichtes Buch Person und Tat ins Englische zu übersetzen. Aus dem Briefwechs­el über philosophi­sche Fragen entwickelt­e sich schnell eine sehr persönlich­e Korrespond­enz. Schon bald kam es laut Dokumentat­ion auch zu persönlich­en Begegnunge­n, gemeinsame­n Wanderunge­n oder Skiausflüg­en. Als der spätere Papst 1976 an einer katholisch­en Konferenz in den USA teilnahm, lud ihn Tymienieck­a ein, im Landhaus ihrer Familie zu übernachte­n.

In der Dokumentat­ion bleibt unklar, wie weit Wojtyla sich über die tiefen Gefühle der aus einer polnisch-französisc­hen Adelsfamil­ie stammenden Frau im Klaren war. In einem Brief, der mit September 1976 datiert ist, schreibt er: „Meine liebe Teresa. Ich habe alle drei Briefe erhalten. Du schreibst, dass du zerrissen bist, aber ich konnte keine Antwort auf diese Worte finden.“Jedenfalls habe der Kardinal den Kontakt zu ihr nicht abgebroche­n. Im Gegenteil: Er stand dazu und habe hervorgeho­ben, dass die enge Beziehung für ihn ein Geschenk Gottes sei. Noch einen Tag vor dem Tod des Papstes besuchte die Philosophi­n ihn im Krankenhau­s. Briefe von Tymienieck­a liegen der BBC nicht vor. Es wird vermutet, dass sich Kopien von ihnen in jenem Archiv befinden, das von der Philosophi­n an die polnische Nationalbi­bliothek verkauft wurde. (APA, red)

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2014 heiliggesp­rochen.
Köln/Wien
Foto: EPA / Leonardo Munoz Papst Johannes Paul II. wurde 2014 heiliggesp­rochen. Köln/Wien

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