Karmasins Abschied von „der Jugend“
Eine Studie im Auftrag des Familienministeriums teilt Österreichs Jugendliche in sechs Gruppen, nach denen Ministerin Sophie Karmasin nun ihre Jugendpolitik ausrichten will. Junge Egoisten sind auf dem Vormarsch.
Wien – Jugendliche sind keine homogene Gruppe. Zu dieser Erkenntnis ist Familien- und Jugendministerin Sophie Karmasin (ÖVP) mithilfe einer Studie des Jugendforschers Bernhard Heinzlmaier gelangt. „‚Die Jugend‘ gibt es nicht“, sagt Heinzlmaier am Montag bei der Vorstellung der Studie, für die 1000 Jugendliche interviewt wurden.
Innerhalb der Jugend gebe es für die Politik „unterschiedliche Teilzielgruppen“, die auch unterschiedlich zu behandeln seien, sagt Heinzlmaier. Abgebildet werden die verschiedenen Gruppen mithilfe der bekannten Sinus-Milieus – eines Studiendesigns, das Personen nach ihren Wertvorstellungen in sechs Gruppen einteilt.
Heinzlmaiers Blick auf die Jugend lässt nicht gerade Optimismus aufkeimen. Mit 22 Prozent der Jugendlichen die größte Gruppe stellen die „Hedonisten“: Das seien „konsumorientierte Unterschichten“, die mit Arbeitsplatzproblemen und Bildungsdefiziten auch ganz typische Schwierigkeiten aufweisen – eine „durchaus spannende Gruppe“, findet Heinzlmaier. Die Gruppe ist laut dem Jugendforscher eine gesellschaftliche Fixgröße.
Alles andere als fix ist die Größe der „Digitalen Individualisten“und „Adaptiv-Pragmatischen“. Das sind laut Heinzlmaier die „Zukunftsmilieus“, die eines gemeinsam haben: den Egoismus. „Sie glauben im traditionellen Sinn an nichts, außer an ihren persönlichen Vorteil“, sagt der Jugendforscher. Die beiden Gruppen machen aktuell etwa 40 Prozent der Jugendlichen aus, bis 2020 sind es laut Studie fast 50 Prozent.
Mit 16 Prozent die viertgrößte Gruppe sind die „konservativ-bür- gerlichen“: Eher im ländlichen Raum zu Hause, sind sie traditionell orientiert und wollen „die eigene Biografie an der der Eltern ausrichten“, sagt Heinzlmaier. „Performer“(15 Prozent) sieht der Forscher als karrierebewusste Aufsteiger aus gutem Haus.
Die kleinste Gruppe in der Studie sind die „Postmateriellen“(zehn Prozent). Das sind, sagt Heinzlmaier, Jugendliche, die partizipieren wollen, die „traditionelle kritische Intelligenz“– und jene, die in den letzten Monaten in der Flüchtlingshilfe aktiv waren. Ihr Motto sei „Ideen zählen mehr als Geld“– daran sei schon zu erkennen, dass das „eher eine ältere Gruppe ist, die heute nicht so im Zentrum des gesellschaftlichen Lebens steht“.
Kochen für Hedonisten
Für Karmasin ordnet die Studie über die vielfältige Jugend die Jugendpolitik neu. Bestehende Projekte würden nun gezielt den passenden Zielgruppen zugeordnet. Die Hedonisten hätten etwa oft Aufholbedarf bei Gesundheit und Ernährung – um dem entgegenzuwirken, soll in Jugendzentren gemeinsam gekocht werden.
Die Einbindung von Jugendlichen in die Politik insgesamt will die Ministerin auch durch Jugendbeauftragte in allen Ministerien fördern – diese seien bereits ernannt. Über den Grundsatz „Youth in all Policies“soll Jugendlichen auch gezielt Teilhabe am politischen Prozess geboten werden.
Jugend gegen Kategorisierung
Kritik an Karmasins Zugang kommt von der Bundesjugendvertretung (BJV). Johanna Tradinik, Teil des BJV-Vorsitzteams, sieht es „immer problematisch, wenn junge Menschen in Gruppen eingeteilt werden“. Den angeblich aufstrebenden Egoismus unter Österreichs Jugendlichen nimmt sie nicht wahr – im Gegenteil, Tradinik beobachtet sehr viel Engagement.
„Natürlich gibt es egoistische Jugendliche, genauso wie es egoistische Erwachsene gibt“– junge Menschen seien eben immer geprägt von der Gesellschaft, in der sie aufwachsen. Die Jugendvertreterin fordert finanzielle und strukturelle Unterstützung der Jugendarbeit – und dass junge Menschen von der Politik miteinbezogen werden, wenn es um Themen geht, die sie betreffen.