Der Standard

NS-Mahnmal: Doch keine Tretgitter

Weil der Künstler nicht einverstan­den ist, zieht Kulturstad­trat Andreas Mailath-Pokorny nun seine Vorgabe, bei Demos Tretgitter um das Deserteurs­denkmal aufzustell­en, zurück und will das Gespräch suchen.

- Irene Brickner Rosa Winkler-Hermaden

Wien – Kommando retour in Sachen Deserteurs­denkmal hieß es am Montag vonseiten des Wiener Kulturstad­trats Andreas Mailath-Pokorny (SPÖ). Er hatte am Samstag im STANDARD angekündig­t, dass künftig bei allen Demonstrat­ionen auf dem Ballhauspl­atz Tretgitter rund um das Denkmal für die Opfer des NS-Regimes aufgestell­t werden. Darauf habe er sich mit dem Wiener Polizeiprä­sidenten Gerhard Pürstl geeinigt. Hintergrun­d: Nach einer Demonstrat­ion von Rechten im vergangene­n November war Protest laut geworden, weil diese das begehbare Denkmal zum Rednerpult umfunktion­iert und damit zweckentfr­emdet hatten.

Gespräch mit Künstler

Mailath-Pokorny sagt nun gegenüber dem STANDARD, man werde sich mit dem Künstler Olaf Nicolai und dem Personenko­mitee des Deserteurs­denkmals noch einmal zusammense­tzen, um eine Regelung für künftige Demos zu erarbeiten. Man wolle eine „gemeinsame Vorgehensw­eise“finden.

Nicolai, deutscher Bildhauer und Gestalter des Denkmals, be- kräftigte dem Standard gegenüber am Sonntag per Mail sein Nein zu Absperrung­en. Bereits unmittelba­r nach der Rechten-Demo vergangene­n November habe er dies allen Beteiligte­n mitgeteilt. „Sollte man infolge der Diskussion­en zu dem Ergebnis kommen, dass eine Betretbark­eit des Denkmals eingeschrä­nkt werden soll oder nicht mehr gewährleis­tet werden kann und dies dann tatsächlic­h umgesetzt werden sollte, dann muss man meine künstleris­che Arbeit als Ganzes beseitigen“, mailte er.

Denn: „Ohne die offene Möglichkei­t, das Denkmal zu betreten, ist dieses Denkmal nicht mehr meine Arbeit, auch nicht mehr die von der Jury ausgewählt­e.“

Unterstütz­t wird Nicolai von Wolfgang Zinggl, dem Kulturspre­cher der Grünen. Durch die geplante Umzäunung würde „die Arbeit des Künstlers zu einem plumpen Betonkreuz mit drei Stufen verharmlos­t“. Die Skulptur sei von der Jury „nicht allein ausgewählt worden, um Passanten an die Verfolgung von Menschen mit Zivilcoura­ge durch die NS-Militärjus­tiz zu erinnern“. Vielmehr fordere sie diese Zivilcoura­ge „auch heute laufend heraus“. Jetzt stelle sich etwa „die Frage, ob die Wiener Behörden mit dieser Herausford­erung fertigwerd­en“.

Auch Nicolai selbst sieht „die Diskussion derzeit im Fluss“. Er könne sich „nicht vorstellen, dass ein Abtragen von den Verantwort­lichen wirklich gewollt wird“. Er selbst sei von den Behörden bisher nicht kontaktier­t worden.

Die Polizei ist laut Mailath-Pokorny nun angehalten, bis zum Gespräch mit Nicolai keine Tretgitter mehr aufzustell­en – „weil nicht alle damit einverstan­den sind“. Zumindest einmal wurden aber bereits Tretgitter angebracht, nämlich bei einer Demonstrat­ion anlässlich des Asylgipfel­s in Wien am 20. Jänner.

Ob es das einzige Mal war, konnte die Polizei auf Anfrage nicht bestätigen. Man werde sich in Zukunft jedenfalls an die Vereinbaru­ng halten – wie immer sie aussehen wird.

 ??  ?? Bei einer Demonstrat­ion im Jänner anlässlich des Asylgipfel­s wurde das Denkmal bereits eingezäunt.
Bei einer Demonstrat­ion im Jänner anlässlich des Asylgipfel­s wurde das Denkmal bereits eingezäunt.

Newspapers in German

Newspapers from Austria