Der Standard

Stütze für Ungarn-AKW würde Stromkoste­n treiben

Eine staatliche Beihilfe für das AKW Paks II in Ungarn würde laut einer Studie deutsche Haushalte mit 200 Millionen Euro im Jahr belasten. Auch Österreich wäre betroffen. Bei der EU-Kommission türmen sich Beschwerde­n.

- Günther Strobl

Brüssel/Budapest/Wien – Der umstritten­e Ausbau des Kernkraftw­erkstandor­ts Paks 120 km südlich von Budapest hätte erhebliche Verwerfung­en auf den Strommärkt­en der Nachbarsta­aten zur Folge. Die Stromkoste­n für Haushalte würden steigen, Anbieter, die Wind- oder Solarstrom statt an der Börse direkt bei Anlagenbet­reibern kaufen, wären benachteil­igt. Das ist das Ergebnis einer Studie, die von Greenpeace Energy, den Stadtwerke­n Schwäbisch Hall und Mainz in Auftrag gegeben wurde.

Laut der vom Berliner Analyseins­titut Energy Brainpool gemachten Studie würde der grenzübers­chreitend gehandelte ungarische Atomstrom den deutschen Börsenstro­mpreis um rund 70 Cent je Megawattst­unde (MWh) drücken. Zum Vergleich: Grundlasts­trom kostet derzeit 21,50 Euro je MW.

Der prognostiz­ierte preisdämpf­ende Effekt ist nur auf den ersten Blick gut. Sinkt der Strompreis an der Börse, steigen die Kosten für erneuerbar­e Energie, weil sich die Schere zwischen Großhandel­spreis und den garantiert­en Einspeiset­arifen für Wind- und Sonnenener­gie immer mehr öffnet. Wegen der vielen Ausnahmen für die Industrie wären es vor allem die Haushalte, die zum Handkuss kämen. Da die Strombörse in Leipzig (EEX) auch richtungsw­eisend für Österreich ist, wäre der heimi- sche Markt indirekt ebenfalls betroffen.

Marktwert sinkt

Sollte es für Paks II grünes Licht aus Brüssel geben, würde dies auch den Marktwert von Strom aus erneuerbar­en Energien senken. Laut der Studie, die dem STANDARD vorliegt, würde eine durchschni­ttliche Windenergi­eanlage je MW Leistung im Jahr 2030 rund 1700 Euro weniger pro Jahr erlösen. Bei einer Biogasanla­ge wäre der Abschlag größer – pro Jahr gäbe es Mindererlö­se von gut 6000 Euro, verglichen mit einem Szenario ohne Ausbau von Paks.

Am ungarische­n AKW-Standort sind derzeit vier Reaktoren des sowjetisch­en Typs WWER 440213 in Betrieb. Sie sind zwischen 1983 und 1987 in Betrieb gegangen und haben nach Leistungse­rhöhungen nun eine elektrisch­e Leistung von jeweils rund 500 MW.

Die jetzige Aufregung rund um Paks reicht zurück ins Jahr 2014. Bei einem Besuch in Moskau vereinbart­en Ungarns Premiermin­ister Viktor Orbán und Russlands Präsident Wladimir Putin die Errichtung von zwei neuen Reaktorblö­cken (Paks II) mit einer Leistung von jeweils 1200 MW. Aus Russland sollten nicht nur die Technologi­e und die Brennstäbe kommen, sondern auch das Geld, mit dem der ungarische Staat den Bau größtentei­ls finanziere­n will.

Kredite aus Russland

Zu Putins Rundum-sorglos-Paket gehören Kredite in Höhe von umgerechne­t zehn Milliarden Euro. 2,5 Mrd. Euro will Ungarn selbst aufbringen. Geplanter Baubeginn ist 2018. Geht alles gut, sollen die zwei neuen Reaktoren schon fünf Jahre später ans Netz.

Der Ökostroman­bieter Greenpeace Energy hat mit sechs deutschen Stadtwerke­n bei der EUKommissi­on Beschwerde eingelegt. Die Unternehme­n bewerten die geplante staatliche Finanzieru­ng als unrechtmäß­ige Beihilfe.

Das sieht man auch bei der heimischen Ökostrom AG so, die wie im Übrigen die Republik Österreich auch schon Ende Jänner Beschwerde gegen Paks II eingereich­t hat. Vorstand Lukas Stühlinger sieht zudem die Gefahr, dass Österreich mit Atomstrom aus Ungarn „geflutet“wird. Mit einer Entscheidu­ng aus Brüssel ist noch heuer zu rechnen.

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Arbeiten bei Reaktor Nummer vier in Paks. Zu den bestehende­n Meilern sollen noch zwei dazukommen.
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