SPÖ, FPÖ und Grüne zeigten Hassposter an
Regierungsmitglieder und Abgeordnete bekommen die polarisierte Stimmung in sozialen Medien zu spüren. Bis auf ÖVP und Team Stronach beklagen alle Parteien einen Anstieg der Beleidigungen gegen Politiker.
Wien – Das Klima im Netz wird rauer. Das spürt auch die politische Sphäre, die immer öfter mit Drohungen und Beleidigungen konfrontiert ist. der STANDARD wollte von den Klubs der im Parlament vertretenen Parteien wissen, welche Erfahrungen sie in den vergangenen Monaten mit Hasspostings auf Facebook gemacht haben. Daher wurden dieselben Fragen an alle Pressestellen der Parlamentsklubs übermittelt. Das Ergebnis: Alle Parteien mit Ausnahme von ÖVP und Team Stronach spüren einen schärferen Ton. „Unter den meisten Postings gibt es spätestens nach etwa zwei Stunden grenzüberschreitende Kommentare“, heißt es vonseiten der SPÖ.
Die Grünen mussten mittlerweile sogar eigene Mitarbeiter für das Löschen von Hasspostings abstellen. Die Neos sprechen von einem „leichten Anstieg“, während die ÖVP „eine allgemein steigende Tendenz bei Verbalangriffen“nicht feststellen kann. Diese Einschätzung setzt sich im Bereich der Strafanzeigen fort: ÖVP, Team Stronach und Neos haben bislang noch keine rechtlichen Schritte gegen Nutzer ergriffen.
Die SPÖ ging juristisch gegen „zwei bis drei“Nutzern vor, weil deren Äußerungen konkrete Bedrohungen gegen Abgeordnete enthielten. Bei Grünen und FPÖ liegt dieser Anteil um einiges höher. „Es gab bereits Strafverfahren und auch Verurteilungen wegen Drohungen gegen FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache“, sagt die FPÖ. Die Grünen sprechen sogar von bis zu 50 Anzeigen. Die Partei versucht, durch Strafverfahren für Abschreckung zu sorgen und geht auch medien- und zivilrechtlich gegen Hasspostings vor.
Mit Außenminister Sebastian Kurz stand auch ein ÖVP-Politiker im Auge eines Shitstorms, der sogar staatsanwaltschaftliche Ermittlungen nach sich zog. Kurz hatte im Juli 2014 auf Facebook für Frieden in Nahost geworben, worauf zahlreiche antisemitische Postings folgten. Beim Koalitions- partner SPÖ ist vor allem Bundeskanzler Werner Faymann Ziel von Verbalattacken. Im Sommer 2014 kam es auch zu einem sexistischen Shitstorm gegen die damalige Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek, die Schlagersänger Andreas Gabalier für dessen Ignoranz des neuen Bundeshymnentextes kritisiert hatte.
Flüchtlingskrise als Reizthema
Einig sind sich die Parlamentsklubs darin, dass es vor allem beim Thema Flüchtlinge zu einer extremen Emotionalisierung komme. „Ein Facebook-Eintrag von uns zum Thema Obergrenze bedeutet, dass unsere Mitarbeiter die Facebook-Seite im weiteren Verlauf ständig von Hass und Hetze befreien müssen“, sagen die Grünen. Auch die ÖVP nennt das Thema „emotional aufgeladen“. Für die SPÖ sind es neben der Flüchtlingspolitik auch Fragen der Gleichstellung und der Bildungsbereich, der für starke Reaktionen sorgt. Die Neos sehen „Politik gegen Hetze“als Thema, das Hasspostings anzieht.
Bei der Frage, wie für eine Beruhigung des aufgeheizten Klimas gesorgt werden kann, fallen bei fast allen Parteien die Schlagworte Moderation, Medienkompetenz und Sensibilisierung in puncto Konsequenzen. „Es muss zu einer verstärkten Bewusstseinsbildung kommen, dazu muss bereits bei den Jüngsten begonnen werden“, sagt der Parlamentsklub der ÖPV. SPÖ und Grüne plädieren für eine rasche Löschung der Kommentare, da sonst Hemmschwellen bei anderen Nutzern fielen.
Die Neos – die laut eigenen Angaben übrigens die übelsten Bedrohungen auf dem Postweg erhielten – weisen darauf hin, dass die Interaktion mit wütenden Postern für eine Verbesserung der Atmosphäre sorgen kann. Die FPÖ sieht hingegen die Regierung in der Pflicht. „Eine stärker am Willen der Bevölkerungsmehrheit orientierte Regierungspolitik würde zu einer Beruhigung der Gemüter beitragen“, heiß es aus der freiheitlichen Pressestelle. Außerdem wehre man sich dagegen, dass „vielfach ein Ausdruck von Ohnmacht, Ärger und Wut“als „Hassposting gebrandmarkt und zur juristischen Verfolgung“freigegeben werde.
Die angesprochene juristische Verfolgung kann übrigens sowohl straf- als auch medien- oder zivilrechtlich erfolgen. Neben den Tatbeständen der Beleidigung oder Verleumdung besteht nämlich auch der Schutz des eigenen Bildes oder das Recht auf eine Gegendarstellung, wenn etwa Politikern falsche Zitate untergejubelt werden.