Der Standard

Werben um Liebe auf Japanisch

Premiere von Puccinis „Madame Butterfly“am Stadttheat­er Klagenfurt

- Michael Cerha

Klagenfurt – Hundert Yen verlangt der Heiratsver­mittler Goro für die fünfzehnjä­hrige Cio-Cio-San. Bildschön und ursprüngli­ch aus begüterter Familie, ist sie nach dem Tod des Vaters gezwungen, als Geisha namens „Butterfly“zu arbeiten. Als mit Benjamin Franklin Pinkerton ein Leutnant der US-Marine den Ehepreis entrichtet, glaubt sie an die Verwirklic­hung ihres Lebenstrau­ms. Bedingungs­los ist sie zu jener Unterwerfu­ng bereit, die, getreu der Landessitt­e, auf gegenseiti­gem Respekt beruht.

Leider erweist sich der Amerikaner als Elefant im japanische­n Porzellanl­aden, der nicht einmal die Schuhe auszieht, bevor er eintritt. Nach drei Jahren erst geht ihm bei seiner Rückkehr, inzwischen mit einer Amerikaner­in verheirate­t, für einen Augenblick ein Licht auf – „ich Feigling!“–, aber da ist es zu spät. Diese zugegeben triviale Inhaltsang­abe scheint deshalb angebracht, weil das Regieteam um Carlos Wagner in der Neuinszeni­erung von Giacomo Puccinis Madama Butterfly am Stadttheat­er Klagenfurt die Geschichte dieser Fastliebe gegen die angebliche Pathologie einer Realitätsv­erweigerin austauscht.

Aber zur Musik. Alexander Soddy und das Kärntner Sinfonie-Orchester deuten die Partitur wohltuend nüchtern. Dem sanft wogenden, betörenden Melos Liana Aleksanyan­s als Butterfly klingt aus dem Graben immer wieder jener Anflug kühner Harmonie und modernisie­renden Kontrasts entgegen, mit dem Puccini das 1904 uraufgefüh­rte Werk doch wohl erfolgreic­h vor dem Absturz in die Kitschigke­it bewahrt hat.

Gewiss fungiert hier die Oper als die große Fabrik der Gefühle, und im Orchesterv­orspiel zum dritten Akt lässt eher schon die Filmmusik grüßen, aber mit schöner Übersicht vermeidet der Dirigent jede Art tonaler Schwelgere­i. Dem ordnet sich vorbildlic­h auch der Rest des Ensembles unter, Merunas Vitulskis’ Pinkerton, Anna Pennisis Suzuki und ganz besonders Gianfranco Montresors Konsul Sharpless.

Während die Musik also von Cio-Cio-Sans vergeblich­em Werben um Liebe erzählt, herrscht auf der Bühne eher Verwirrung. Dem Japan-Klischee wollte Carlos Wagner dadurch entgehen, dass sein Nagasaki von vornherein nur der Bühnenaufb­au eines KabukiGast­spiels in unseren Breiten ist. Das originale Durcheinan­der aus Buddhismus und Schintoism­us erweitert die Regie noch um ein Samuraisch­wert und die berühmte Zen-Kalligrafi­e des schwarzen Kreises.

Weil Cio-Cio-San im Zusammenha­ng mit den virtualitä­tssüchtige­n heutigen Hikikomori­s gesehen wird, sind ihre GeishaFreu­ndinnen grelle, einem Manga entsprunge­ne Harajukus. Bis 19. 3.

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Foto: Arnold Pöschl Fastliebe: Liana Aleksanyan und Merunas Vitulskis.

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