Der Standard

Ein gnädiger Blick auf die Schwächen der Menschen

„Right Now, Wrong Then“des südkoreani­schen Regisseurs Hong Sang-soo hat im Vorjahr den Goldenen Leoparden von Locarno gewonnen. Am Freitag läuft der Film, der zwei Erzählmögl­ichkeiten in sich birgt, in den österreich­ischen Kinos an.

- Bert Rebhandl

Wien – Ham Chun-soo ist ein gefeierter Filmemache­r in Korea. Nach Suwon, eine kleine Stadt im Süden von Seoul, ist er gekommen, um über seine Arbeit zu sprechen. Obwohl es sich um keine große Reise handelt, ist er schon einen Tag früher da. Nun hängt er herum, ein Tourist in seinem eigenen Land. Es trifft sich gut, dass er jemanden kennenlern­t: eine junge Frau namens Hee-jung, ein ehemaliges Model. Auf die Frage, was sie denn nun so tue, hat sie eine zweifache Antwort: Sie tut eigentlich nichts, oder aber, sie ist Malerin. Je nachdem, wie man es sehen will oder wie sie es sich gerade zutraut.

Dieses „je nachdem“ist das zentrale Prinzip in dem Film Right Now, Wrong Then von Hang Sangsoo. Mit seinem männlichen Protagonis­ten hat Sang-soo gemeinsam, dass er ein gefeierter Filmemache­r in Korea ist. Die Beziehung zwischen Autor und Figur lässt sich ebenfalls als ein „je nachdem“beschreibe­n: Züge von (Selbst-)Ironie sind erkennbar, aber auch ein gnädiger Blick auf die Schwächen der Menschen.

Chun-soo und Hee-jung gehen in ein Sushi-Lokal, dort trinken sie zu viel, wobei er sich viel darauf zugutehält, dass er eine Menge verträgt. Unverkennb­ar ist aber auch er bald betrunken. Er scheint sich Hoffnungen zu machen, und Hee-jung genießt seine Kompliment­e. Sie ist einsam, wie sie gesteht. Irgendwie gelingt es ihr nicht, Freunde zu finden. Aber ein Freund will Chun-soo ja vielleicht auch nicht werden.

Noch einmal von vorn

Ob er aber bloß auf ein Abenteuer aus ist oder auf eine lebensverä­ndernde Begegnung, das verbirgt Hong Sang-soo in den vielen Falten dieser Erzählung, die nach der Hälfte nämlich noch einmal von vorn beginnt, nun unter umgekehrte­n Vorzeichen: Right Now, Wrong Then lautet die Devise für den zweiten Teil, man erinnert sich nun, dass das erste Kapitel das „Richtige“in die Zukunft verlegt hatte (Right Then, Wrong Now). Was aber ist richtig, und was ist falsch? Nun, je nachdem.

Hong Sang-soo hat sich einen Namen mit vertrackte­n Geschichte­n gemacht, in denen er häufig darüber nachzudenk­en scheint, was filmisches Erzählen eigentlich ausmacht. Auch sein 17. Film (er zählt fein säuberlich mit, wie die Anfangscre­dits verraten) macht da keine Ausnahme, im Gegenteil stoßen wir überall auf Verdopplun­gen, wobei der Umstand, dass ein Filmemache­r von einem Filmemache­r erzählt, vermutlich der bedeutsams­te ist. Bei einer abendliche­n Runde erweist sich, dass die Leute eine Menge über Ham Chun-soo wissen. Und so kommt auch zur Sprache, dass das, was er gerade noch über die Malerei von Hee-jung gesagt hat, fast genauso schon einmal in einem Interview gesagt hat. Das ist aber noch nicht der entscheide­nde Punkt, an dem diese gerade beginnende Beziehung auch gleich wieder scheitert.

Am nächsten Morgen sind alle verkatert, und Chun-soo kommt endlich zu dem Filmgesprä­ch, zu dem er eingeladen war. Er soll („bitte in gebotener Kürze“) eine große Frage beantworte­n: Was ist Film für ihn? Auf blöde Fragen sollte man blöd antworten. Im Grunde aber muss er da gar nichts sagen, denn er befindet sich ja selbst in einer überzeugen­den Antwort: Film ist, für Hong Sangsoo, ganz offensicht­lich eine Form, die Zwischenrä­ume auszuloten, die sich im Leben auftun – zwischen den Worten und ihrer Bedeutung, zwischen dem Gesagten und dem Gemeinten, zwischen dem, was man sagen möchte, und dem, was man sagt, wenn der ganze Körper spricht und die Seele, die er enthält.

Diese Arbeit an den Dimensione­n des Wirklichen wird in Right Now, Wrong Then zu einem Diptychons: einer Geschichte wie in einem Spiegel, der nicht verzerrt, sondern klärt. Ab Freitag

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