Verweile doch, du bist so flüchtig
Kunst als Speicher des Augenblicks: Ausstellung „Now/Here“im Franz Josefs Kai 3
Wien – Der Hastende und das Flüchtige kennen einander nicht. Denn obwohl es beide eint, nicht zu verweilen, so braucht es doch gerade Muße, Geduld, ja, Zeit, um des Ephemeren überhaupt gewahr zu werden. Und so kann man die Stabheuschrecke in Daniel Steegmann Mangranés Film auch nur dann im Geäst ausfindig machen, wenn man just im Moment ihrer Bewegung aufmerksam war.
Jetzt und hier. Now/Here, so heißt die von Marlies Wirth und Andreas Duscha konzipierte Ausstellung im Raum Franz Josefs Kai 3, die also nicht allein den Begriff des Vergänglichen zur Folie macht, sondern insbesondere den Moment des Innehaltens im Zeitalter der Beschleunigung.
Zwar ist das, was zwischen den Fingern verrinnt und gemessen an der Ewigkeit nur Augenblicke währt, seit jeher das Kostbarste – man denke an Fausts Seufzer „Verweile doch, du bist so schön“– aber vielleicht ist das Entschleunigen in rasanten Zeiten besonders kraftraubend. Und vielleicht steigt die Poesie dieser Momente im gleichen Grad, wie die Anstrengung, die zu ihrer Entdeckung geführt haben. Eine Klaviatur, auf der die Kunst im Übrigen ganz famos zu spielen vermag.
Entlaufene Motive
Auf Flora Hausers monumentaler Leinwand Ein Herr und sein Terrier in blau, abends ist zum Beispiel nichts so flüchtig wie das vermeintliche Motiv. Herrl und Hund haben sich davongemacht und dabei nichts hinterlassen als ein paar Fusseln: Denn tatsächlich wirken die zarten Spuren der Farbstifte wie der Staub, den der Projektor zwischen zwei Dias an die Wand wirft. Trotzdem: Im suchenden Abtasten des Bildes, im stillen Beobachten, erfüllt sich auch ein Zauber des Ephemeren.
Das „Verweile doch“ist das eigentliche Prinzip des hier, schräg vis-à-vis der Urania Versammelten: Nicht die Arbeiten selbst sind vergänglich; bis auf eine Ausnahme verzehren sie sich nicht im Prozess oder zerfallen, weil der Zahn der Zeit an ihren Materialien nagt. Das Vergängliche wird – ganz ähnlich wie in den Vanitas-Stillleben – eingefroren, in der Hülle der Kunst überdauert es den eigenen Tod: So hat Raphael Hefti mit hoch entzündlichen Sporen der LycopodiumPflanze Fotopapier belichtet, und auch Sarah Schönfeld verwandelt temporäre Drogenerfahrungen in ästhetische Reize von Dauer; sie hat die psychoaktiven Substanzen auf Fotonegative aufgetragen.
Solche Experimente bergen auch Potenzial zur recht beliebigen metaphorischen Aufladung: Etwa in Marilia Furmans Installation schmelzen mit Verweis auf instabile Systeme nebeneinander Wachs und Eis, das Verflüssigte vermag sich jedoch nicht zu vermengen. Drei Sternchen für ein ökonomiekritisches, zeitgemäßes Statement zum Thema erhält allerdings Alicja Kwade: Ein AchtGramm-Goldbärrchen liegt, seinem flüchtigen Wert vom 13. März 2014 entsprechend, auf Platten anderer Metalle, deren Dimensionen in Kontrast zu ihrem Materialwert wachsen. Bis 21. 2.